Prozess um Millionenbetrug begann in Leoben © APA - Austria Presse Agentur

Der Prozess gegen sechs Beschuldigte wegen des Verdachts des gewerbsmäßig schweren Betrugs beim Bau des Semmering-Basistunnels (SBT) hat am Montag im Landesgericht Leoben begonnen. Den Männern - allesamt Österreicher im Alter von 35 bis 68 Jahren - wird vorgeworfen, Baumaterial und Diesel im Wert von rund 1,8 Mio. Euro abgezweigt zu haben. Von den Beschuldigten waren bisher nur zwei geständig.

Staatsanwältin Elisabeth Uller wirft den Angeklagten vor, dass sie vor allem in den Jahren 2018 und 2019 beim etwa sieben Kilometer langen Tunnelabschnitt Grautschenhof in der Steiermark - es handelt sich um das dritte Baulos - Baumaterial im Wert von etwa 1,6 Mio. Euro und Dieseltreibstoff im Wert von knapp 200.000 Euro abgezweigt hätten. Die Männer sollen unter anderem mit Scheinrechnungen und -lieferungen gearbeitet haben.

"Dreh- und Angelpunkt" war laut der Anklägerin der Zweitangeklagte, ein 35-jähriger Niederösterreicher. Er war als Baukaufmann für die bauausführende Arbeitsgemeinschaft (ARGE) tätig und sollte die Lieferungen und Rechnungen kontrollieren. Er soll - zusammen mit den anderen Angeklagten - die ARGE geschädigt und sich selbst oder Dritte dadurch bereichert haben. Die Staatsanwältin führte weiter aus: "Die Angeklagten haben sich bisher unterschiedlich verantwortet. Manche legten ein umfassendes Geständnis ab. Andere sprachen von einer Verschwörung gegen ihre Person." Den Beschuldigten drohen bis zu fünf Jahre Haft, jenen, die eine Schadenssumme von über 300.000 Euro verursacht haben sollen, sogar bis zu zehn Jahre.

Die Verteidiger des 48-jährigen Niederösterreichers und eines 68-jährigen Oberösterreichers erklärten in ihren Eröffnungsplädoyers, dass ihre Mandanten weiterhin beim Geständnis blieben. Ersterer habe wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen: "Den Tatplan hat der Zweitangeklagte entworfen", meinte der Anwalt.

Das wies der Verteidiger des 35-Jährigen zurück. Er sowie die anderen Anwälte kritisierten die Anklage: "Drei der sechs Angeklagten sind vollkommen unschuldig. Es ist grotesk, wie die Kriminalpolizei da ermittelt hat", sagte der Verteidiger des 35-jährigen Niederösterreichers. Die vorgeworfenen Delikte seien viel zu offensichtlich: "So dilettantisch kann kein Mensch sein", führte der Anwalt aus. "Er wäre ein Vollidiot, wenn er das so gemacht hätte." Ein anderer Advokat meinte: "Die Staatsanwaltschaft versucht aus einem Zivilprozess einen Strafprozess zu machen."

Montagnachmittag wurde dann als erster Angeklagter der 48-jährige Niederösterreicher gehört. Er war von Anfang an geständig und gab zu, beim Abzweigen des Diesels geholfen zu haben. Der Zweitangeklagte habe ihn dazu ins Boot geholt: "Er fragte mich, ob ich nicht ein paar Bauern wüsste, die Diesel brauchen, der beim Semmering-Basistunnel übrigbleibt." Als er genügend Abnehmer gefunden hatte, kümmerte sich der 48-Jährige unter anderem um das Einkassieren bei den Landwirten, die für den Treibstoff 70 bis 80 Cent bezahlten. Zum Teil sei der Inhalt eines ganzen Tankwagens auf diese Weise verkauft worden. Der Erlös sei das "Körberlgeld für die Oberen" und das sei so üblich auf derartigen Baustellen, soll der 35-Jährige zum 48-Jährigen gesagt haben. Die Landwirte hätten übrigens alle gewusst, dass der Diesel von der SBT-Baustelle kam. Mitgemacht habe der Beschuldigte auch deswegen, weil er sich als Außendienstmitarbeiter einer Transportfirma weiterhin Aufträge für seinen Arbeitgeber erwarten konnte.

Der Prozess ist für insgesamt elf Tage anberaumt. Mehr als ein Dutzend Zeugen sollen gehört werden. Diese werden aber erst ab der kommenden Woche befragt. Dienstag bis Freitag werden erst einmal alle Angeklagten gehört.