Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmittel noch offen © APA - Austria Presse Agentur

Die türkis-grüne Regierung hat bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst nicht mehr viel Zeit, um anvisierte Vorhaben umzusetzen. Offen sind im Landwirtschaftsbereich die Lebensmittel-Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Produkten, die freiwillige Tierhaltungsform-Kennzeichnung und ein Datum für das Schweine-Vollspaltenboden-Verbot. Beim Erneuerbares-Gas-Gesetz sind ÖVP und Grüne auf Stimmen der Opposition angewiesen, weil es sich um eine Zwei-Drittel-Materie handelt.

Im Regierungsprogramm "2020-2024 - Aus Verantwortung für Österreich" wurde eine Herkunftskennzeichnung bei Milch, Eier und Fleisch in der Gemeinschaftsverpflegung (u.a. Kantinen) und bei verpackten Lebensmitteln angekündigt. Seit September 2023 ist die Lebensmittel-Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung verpflichtend umgesetzt, bei verarbeiteten Lebensmitteln gab es aber noch keine Einigung. "Das zuständige Gesundheitsministerium ist gefordert, den Verordnungsvorschlag für verarbeitete Produkte vorzulegen", hieß es aus dem Landwirtschaftsministerium zur APA.

Tierhaltung ist ein großes Thema für Bauern, Tierschützer und Supermarktketten. In Deutschland gibt es bereits eine freiwillige vierstufige einheitliche Haltungsform-Kennzeichnung, die im Lebensmittelhandel Einzug gefunden hat. Für die österreichische Landwirtschaft ist die Umstellung in Deutschland von großer Bedeutung, weil das Nachbarland mit Abstand der größte Exportmarkt für die heimischen Agrarbetriebe ist. Die Landwirtschaftskammer und die heimischen Tierhaltungsverbände haben sich im Februar ein von der AMA-Marketing "gut durchdachtes, zertifiziertes und unabhängig kontrolliertes System von Qualitätsstufen für tierische Produkte" gewünscht. Laut Medienberichten könnte die freiwillige Haltungsform-Kennzeichnung von der Regierung als Verordnung umgesetzt werden. "Derzeit laufen die inhaltlichen Verhandlungen, welchen wir nicht vorgreifen können", so das Landwirtschaftsministerium.

Beim Schweine-Vollspaltenboden-Verbot hatte der Verfassungsgerichtshof Anfang Jänner die ursprünglich bis 2040 verankerte Übergangsfrist zur Umsetzung als zu lang und sachlich nicht gerechtfertigt gekippt. Dem Gesetzgeber wurde bis Juni 2025 Zeit gegeben, um die Regelung zu reparieren. Während der für Tierschutz und Konsumentenschutz zuständige Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) auf ein Ende der Frist bis 2030 pocht, verlangt die Volkspartei mehr Zeit für die Bauern. Der ÖVP-Bauernbund fordert für Schweineställe, die vor 2013 errichtet wurden, eine Übergangsfrist bis 2036, für nach 2013 gebaute bis 2040. "Wir sind bei allen Tierschutz-Themen zu konstruktiven Lösungen bereit, die Gespräche laufen", hieß es aus dem für Tier- und Konsumentenschutz zuständigen Sozial- und Gesundheitsministerium zur APA. "Ohne Planungssicherheit laufen wir Gefahr, künftig bis zu zwei Drittel des Schweinefleischs aus Ländern mit niedrigeren Standards importieren zu müssen", warnte das Landwirtschaftsministerium.

Die Bauern warten auch noch auf die Umsetzung des Erneuerbaren-Gas-Gesetzes (EGG). Der Ministerrat hat im Februar das EGG beschlossen und anschließend in Begutachtung geschickt. Bisher hat aber keine Oppositionspartei ihre Zustimmung zu dem Zwei-Drittel-Gesetz signalisiert. Mit dem Erneuerbaren-Gas-Gesetz soll die heimische Biogasproduktion bis 2030 ausgebaut werden und dann jährlich mindestens 7,5 Terawattstunden "Grünes Gas" in das Gasnetz eingespeist werden.

In der türkis-grünen Regierung amtierten im Landwirtschaftsministerium Elisabeth Köstinger (Anfang 2020 bis Mai 2022) und als ihr Nachfolger Norbert Totschnig. Bei der Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik für die Jahre 2023 bis 2027 kam es zu keinen wesentlichen finanziellen Einschnitten für Österreichs Bauern. Für den Erhalt der zweiten Agrana-Zuckerfabrik im niederösterreichischen Leopoldsdorf wurde in der Amtszeit von Köstinger mit Branchenvertretern ein Zuckerpakt geschnürt und es gab außerdem ein Tierwohlpaket für Investitionen in tiergerechte Haltungssysteme. Im Rahmen der EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken ist im Frühjahr 2022 auch das "Fairness-Büro" als weisungsfreie Ombudsstelle im Landwirtschaftsministerium eingerichtet worden. Kürzlich stellte Totschnig noch ein Entlastungspaket für die heimische Landwirtschaft inklusive Agrardiesel-Ermäßigung und das landwirtschaftliche Strategiepapier "Vision2028+" vor. Außerdem wurde für die Forstwirtschaft der Waldfonds aufgelegt.