Einmal im Jahr richtet Kärnten die Scheinwerfer auf die innovativsten Unternehmen des Bundeslandes. © Freepik
myAcker, Sico Technology, Tribotecc, Hirsch Armbänder und S.A.M. Kuchler Electronics holten sich den Innovations- und Forschungspreis des Landes Kärnten.
Die Kärntner Unternehmenslandschaft zählt zu den innovativsten des Landes. Mit einer Forschungsquote von 3,15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt man sogar über dem europäischen Durchschnitt. Die beeindruckendsten Leistungen werden jedes Jahr mit dem prestigeträchtigen Innovations- und Forschungspreis ausgezeichnet – so auch im vergangenen. Im Lakeside Science & Technology Park Klagenfurt wurden am 29. November 2018 die Auszeichnungen von Landeshauptmann Peter Kaiser sowie den Vorständen des Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds (KWF) Sandra Venus und Erhard Juritsch unter großem Publikumsinteresse überreicht.
Kategorie Kleinstunternehmen: Kärntner Start-up beackert den Onlinemarkt – mit Erfolg!
In der Kategorie Kleinstunternehmen konnte die myAcker GmbH aus Möllbrücke mit dem Projekt „myAcker.com – Du erntest, was du online säst!“ die siebenköpfige Jury überzeugen. myAcker.com ist eine Webplattform zur Erstellung eines eigenen virtuellen Gemüsegartens, in welchem real gepflanzt, gepflegt und geerntet wird. Die Ernte wird dem Kunden österreichweit über Nacht CO2-neutral bis vor die Tür zugestellt. Die Start-up-Gründer Christoph Raunig und Patrick Kleinfercher wollen damit jedem die Möglichkeit bieten, sein eigenes Gemüse anzubauen, online zu pflegen und real zu ernten, unabhängig von Wohnort und Erfahrung im Gärtnern. Die Beete werden dabei 1:1 wie auf der Webplattform vom User angelegt, auf den richtigen Acker übertragen und können von zu Hause beobachtet und per Mausklick gepflegt werden. Entsprechende Informationen zu Reifefortschritt, Verkrautung, Schädlingsbefall, Bodenfeuchte et cetera werden von einer Steuereinheit am Feld in Echtzeit an den Onlinegärtner übermittelt. Dieser gibt entsprechende weitere Anweisungen wie Gießen, Düngen oder Ernten auf der Plattform per Maus klick (ein) und das Team von »myAcker.com« kümmert sich um die Ausführung. Ziel ist, ein Umdenken im Umgang mit Nahrungsmitteln zu bewirken, neue Perspektiven für die Nutzung der ländlichen Region zu schaffen und neue Arbeitsplätze in der Natur zu kreieren.
Die zwei Entrepreneure verbrachten neben ihren Fulltime-Jobs jede freie Minute mit dem Vorhaben und nahmen bei der Gründung alles alleine in die Hand – von der Programmierung über den Bau von Maschinen bis hin zur Beschaffung der Äcker. In 13 Monaten schafften sie es von der Idee zum ersten Kunden.
Die größten Herausforderungen lagen in der Programmierung von Algorithmen für die Funktionen der Plattform, der Entwicklung von entsprechenden Werkzeugen zur Arbeitsbewältigung auf dem Feld und der Prozessoptimierung. Auch die rasche Entscheidung zum Weg in die Selbstständigkeit und der Beschäftigung weiterer Mitarbeiter war nicht einfach. Doch das Credo der zwei Gründer »Okay, mach ma das – wer ma wohl hinkriegen« hat sie stets begleitet und zum Erfolg beigetragen.
Im August 2018 verfügte die Plattform »myAcker.com« bereits über 900 Nutzer, die 4.119 Parzellen bebauen und eine Fläche von 2,5 Hektar bewirtschaften.
Klein- und Mittelunternehmen: Weltneuheit in der Halbleiterfertigung
Im Segment KMU Klein- und Mittelunternehmen ging der Sieg an die in Bleiberg-Kreuth beheimatete Sico Technology GmbH, die einen „Siliziuminjektor für die Halbleiterfertigung“ entwickelt hat. Die Gründung der Sico-Gruppe erfolgte im Jahr 1982 in Bad Bleiberg. Seither be- und verarbeitet die Sico Technology GmbH Quarzglas, Silizium und Keramik. Aufgrund dieser jahrelangen Erfahrung ist es dem Unternehmen möglich, für seine Kunden sowohl spezielle Lösungen in Serienproduktion als auch kundenspezifische Individuallösungen bzw. Individualanfertigungen anbieten zu können. Die Kernkompetenz liegt dabei vor allem in der Bearbeitung von Quarz und Silizium für die Halbleiterfertigung. Die Sico-Gruppe besteht aktuell aus dem Headquarter in Bad Bleiberg, einer Niederlassung in Singapur sowie einer weiteren Niederlassung in Sanford, Florida.
In der Halbleiterindustrie kommen chemische Gasphasenabscheidungs-Beschichtungsverfahren (im Folgenden kurz CVD für „Chemical Vapour Deposition“) für die Herstellung von mikroelektronischen Bauelementen zum Einsatz. Diese CVD-Beschichtungsprozesse laufen bei Temperaturen zwischen 600 und 1.000 °C ab. Dabei werden hauchdünne Schichten auf Siliziumwafern aufgebracht, aus denen im Endprodukt schlussendlich der Mikroprozessor entsteht. Diese CVD-Schichten werden in einem rund zwei Millionen Euro teuren Vakuumofen abgeschieden, wobei sogenannte Injektoren das Gas transportieren und verteilen. Diese Injektoren werden mit einer Präzision von 1/100 mm genau gefertigt. Bei der Bearbeitung dieses Siliziuminjektors ist auf höchste Reinheit zu achten, zum Teil muss sie im Reinraum durchgeführt werden. Derzeit kommen Glasinjektoren zum Einsatz, die jedoch – wenn sie nicht jeden Tag getauscht werden – Partikel abscheiden und so die Ausbeute des Halbleiterprozesses beeinträchtigen.
Im siegreichen Projektvorhaben ist es Sico gelungen, einen Siliziuminjektor für die Halbleiterfertigung zu entwickeln, der aus hochreinem Silizium gefertigt wird. Dieser Siliziuminjektor hat den Vorteil, dass er nicht jeden Tag getauscht werden muss, sondern bis zu drei Monate im Einsatz bleiben kann, ohne Partikel abzuscheiden. Für Kunden der Halbleiterindustrie ergeben sich daraus zwei entscheidende Vorteile: Der Ofen kann für diese drei Monate ohne Stillstand in Betrieb bleiben. Im Prozess entstehen zudem weniger Partikel, was die Chipausbeute massiv erhöht. Das Verfahren zur Herstellung dieses Injektors wurde bei Sico über drei Jahre selbst entwickelt und mittels einer entsprechenden Patenterteilung abgesichert.
Im Entwicklungsprozess wurden mehrere Herausforderungen bewältigt: Ein eigens entwickeltes Diamantwerkzeug sorgt für das saubere und genaue (Mikrometerbereich) Tieflochbohren von Silizium, der chemische Reinigungsprozess des Siliziuminjektors wurde ebenfalls intern entwickelt und es gelang, die speziell patentierte Kristallisationstechnologie zur Fügung der Siliziumeinzelteile in einem Hochvakuumprozess bei 1.200 °C zu beherrschen.
Die Entwicklung erfolgte vollständig durch die Sico Technology GmbH in Bad Bleiberg. Der Injektor aus Silizium ist ein weltweit komplett neues Produkt, das nur von Sico in Bad Bleiberg produziert werden kann.
Kategorie Großunternehmen: Spezialitätenchemie für hochkomplexe Industrieanwendungen
Mit dem Projekt „Funktionelle Fasern“ konnte in der Kategorie Großunternehmen die Tribotecc GmbH aus Arnoldstein die Jury überzeugen. Die Tribotecc GmbH ist ein seit 1867 bestehendes Unternehmen mit Standorten in Arnoldstein und Wien. Es entwickelte sich vom Markt- und Technologieführer für Tribologie hin zu einem globalen Experten für Spezialitätenchemie im Bereich hochkomplexer Industrieanwendungen. Die Tribotecc GmbH ist spezialisiert auf den Bereich der Entwicklung und Herstellung von Metallsulfiden. Neben natürlichen Metallsulfiden werden auch synthetische Metallsulfide, denen einzigartige Herstellungsprozesse zugrunde liegen, entwickelt, produziert und vertrieben. Das Unternehmen besitzt die weltweit größte Kapazität, um unterschiedlichste Spezialmetallsulfide produzieren zu können. Als funktionelle Additive kommen diese Metallsulfide beispielsweise in Brems- und Kupplungsbelägen ebenso zum Einsatz wie in Schmiermitteln, Kunststoffen, Sinterformteilen, Schleifmitteln, Batterien und vielen weiteren Anwendungen. Das Siegerprojekt stellt das Ergebnis eines mehrjährigen, von der FFG Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft geförderten „Frontrunner-Projekts“ dar. Bei den entwickelten funktionellen Fasern handelt es sich um eine Marktneuheit. Eine Ausprägung ist eine Faser mit metallischem Kern und einer chemisch gebundenen Festschmierstoffschicht an der Oberfläche. Eine funktionelle Faser ist demnach eine tribologisch modifizierte und oberflächenbehandelte Faser. Die Neuheit besteht in der Kombination der strukturgebenden Eigenschaften der Fasern mit den tribologischen Eigenschaften des Festschmierstoffs. Dadurch können Festschmierstoffe, zum Beispiel in einem Reibbelag, genau dort platziert werden, wo sie gebraucht werden, nämlich direkt an den Kontaktpunkten zur Bremsscheibe. Diese genaue Positionierung der tribologisch wirkenden Metallsulfide war bis dato mit auf dem Markt befindlichen Materialien nicht zu erreichen.
Innovationskultur: Doppelsieg in Spezialkategorie
Beim Spezialpreis „Innovationskultur – ein langer Prozess der kleinen Schritte“ gab es erstmals zwei Gewinner. Die Hirsch Armbänder GmbH aus Klagenfurt gewann mit dem Projekt „Soft as Stone – das ungewöhnliche Uhrenarmband“ und die S.A.M. Kuchler Electronics GmbH mit dem Projekt „S.A.M. Slicer Soft- und Hardware 4.0 – Frische ohne Wartezeit“. Beide Unternehmen erhielten die Auszeichnung für ihre jahrelangen, kontinuierlichen Innovations- und Verbesserungsschritte in Bezug auf ihre Produkte und ihre internen Organisations- und Produktionsabläufe. So steht zum Beispiel hinter S.A.M. die Entwicklungsfirma Fritz Kuchler R&D (Fritz und Constantin Kuchler), die seit 50 Jahren mit bisher über 500 erteilten Patenten für alle Neuentwicklungen verantwortlich zeichnet.
Die nächste Chance: Staatspreis Innovation
Aus dem Kreis der Gewinner und Nominierten entsendete die Jury auch drei Kärntner Unternehmen zum Staatspreis Innovation des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaft (BMDW). Neben Sico Technology und Tribotecc darf auch die Knauf AMF Deckensysteme mit ihrem Projekt „Rekalzinierung – Der Weg zu ZERO WASTE“ auf einen Staatspreis hoffen. In Kooperation mit der Montanuniversität Leoben wurden in dem Forschungsprojekt die Möglichkeiten der Verwertung des betriebseigenen Holzwolle-Abfalls untersucht und letztendlich ein Verfahren entwickelt, bei dem mithilfe thermochemischer Behandlung wertvolle Rohstoffe und Energie rückgewonnen werden. Insgesamt senkt Knauf AMF mit der neuen Rekalzinierungsanlage nicht nur die eigenen Kosten für den Bindemittelzukauf, sondern leistet auch einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz. Denn bei der (energieintensiven) Herstellung von einer Tonne Magnesit entsteht eine Tonne CO2. Das ergibt pro Jahr also eine Ersparnis von 4.000 Tonnen CO2. Zusätzlich fallen durch das Vermeiden der Materialtransporte von der Produktionsstätte zur Deponie pro Jahr über 600 LKW-Fuhren weniger an.
„Der Staatspreis Innovation zeigt, über welches Innovationspotenzial der österreichische Wirtschaftsstandort verfügt. Dabei holen wir auch dieses Jahr die kreativsten Unternehmen vor den Vorhang und zeigen, welche herausragenden Leistungen unsere Unternehmen erbringen. Genau diese Leistungen und Innovationen braucht der Standort Österreich, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können“, so Bundesministerin Margarete Schramböck, die den Staatspreis Innovation am 28. März 2019 an die Sieger überreichen wird. (BO)
INFO-BOX
Über den Innovations- und Forschungspreis des Landes Kärnten
Der Innovations- und Forschungspreis des Landes Kärnten wird vom KWF – Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds seit 2004, somit zum 15. Mal, im Auftrag des Landes alleinverantwortlich abgewickelt. Ausgezeichnet werden abgeschlossene Entwicklungen, die zu neuen Produkten, Verfahren und Dienstleistungen geführt haben und am Markt bereits im Einsatz sind.