Über Hof und Stein, Almwiesen und Großstadtpflaster.

NEW BUSINESS Bundeslandspecial - TIROL 2024
Hermann Lindner, der 1991 in die Geschäftsführung von Lindner Traktoren kam, übergab mit April 2024 die Geschäftsführung an seinen Sohn David. Dieser führt das Tiroler Unternehmen nun in der vierten Generation gemeinsam mit Stefan und Christoph Lindner. © Lindner

Lindner setzt auf Technik, Innovation und Kundennähe. Das Familienunternehmen erzielt mit Traktoren und Universaltransportern einen Exportanteil von 60 Prozent.

Gebirgsgattersägen. Wer weiß schon, was das ist. Aber darauf basiert eine mittlerweile knapp acht Jahrzehnte anhaltende Tiroler Erfolgsgeschichte. Hermann Lindner mietete 1946 bei einem Bauern in Kundl eine kleine Werkstatt, um selbstkonstruierte transportable Gebirgsgattersägen und Geräte für die Holzverarbeitung zu bauen.

Der Sohn einer 15-köpfigen Bauernfamilie aus Breitenbach, und damit von der anderen Seite des Inns, war nicht nur ein Tüftler, sondern zeigte tiefes Verständnis für die Technik und wusste daraus auch Kapital zu schlagen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er wegen seiner Kenntnisse nicht nur der Luftwaffe zugeteilt, sondern entwickelte mit der gegenläufigen Doppelluftschraube auch ein wichtiges Patent für die aufstrebende Flugzeugindustrie.

Luftschraube und Gattersäge stehen heute für den Beginn des Erfolgslaufs eines österreichischen Industrieunternehmens, eines innovativen und prosperierenden Familienunternehmens, dessen wirtschaftliche Leitung erst vor wenigen Wochen von der dritten an die vierte Generation übergeben wurde.

Mit 14 PS am Start
Vor mehr als 75 Jahren rollte 1948 in Kundl erstmals ein handwerksmäßig erzeugter Traktor aus Österreich aus dem Lindner-Werk. Das 14 PS starke Modell wurde noch im selben Jahr auf der Wiener Herbstmesse präsentiert und stieß auf große Nachfrage. Konkurrent Steyr hatte den Typ 180 zwar schon 1947 entwickelt und auch mit dessen Verkauf begonnen, doch das um ein PS stärkere Erfolgsmodell Typ 80, der legendäre „15er Steyr“ kam erst 1949 auf den Markt – und schaffte anfänglich bei 1.500 U/min sogar nur 13 PS.

So mancher Experte aus Landwirtschaft und Technik räumte den Lindern-Traktoren damals kaum Marktchancen ein, hielt die Traktorproduktion in Tirol sogar „für einen Unsinn“.

Tiroler Meilensteine
Erster Vierradantrieb für einen Traktor in Österreich (1953), Kleintraktor mit neun PS und im Unternehmen selbst entwickeltem Motor (1957), Einführung der Marke „Bauernfreund“ (1959), Produktion eigener Getriebe in Lizenz (1970), Auftragsproduktion für Rapid in der Schweiz (1979), Kooperation mit Steyr-Daimler-Puch (1984), Premiere des Universaltransporters Unitrac (1992), Geotrac – neues Traktorenkonzept mit modernstem Design und innovativer Technik (1997), Eröffnung eines eigenen Technologiezentrums (2008), eigene Frankreich-Zentrale in Blotzheim/Elsass (2017) – sie markieren nur einige der maßgeblichen Stationen des Unternehmens. Dazu hagelte es Technik- und Design-Auszeichnungen – vom Tiroler und dem Österreichischen Innovationspreis bis zu den weltweiten Titeln „Machine of the Year“ und „Farm Machine of the Year“.

Neben dem Traktor-Sektor mit Zubehör und Anbauteilen wurde die Produktpalette vor allem mit der Transporterserie Unitrac deutlich ausgeweitet. Diese geländegängige Kombination aus Transportfahrzeug und Geräteträger zeichnet sich vor allem durch ihre große Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten aus. Das Spektrum reicht vom klassischen Transporter in der Land- und Forstwirtschaft bis hin zum Kommunal- und Winterdienst. Mehr als 3.500 Unitrac-Modelle wurden mittlerweile ausgeliefert.

Nischenpolitik
„Seit 1948 hat Lindner 80.000 Traktoren ausgeliefert und zählt heute 40.000 Kunden – von Tirol bis nach Kanada“, bilanzierte Langzeit-Geschäftsführer Hermann Lindner, als er sich im Frühjahr 2024 aus dem Unternehmen zurückzog. „Grundlage der erfolgreichen Entwicklung war und ist unser kontinuierlicher Fokus auf Innovationen und die Bedürfnisse unserer Kunden. Darüber hinaus suchen wir uns Nischen, die von den großen Playern der Branche nicht bedient werden.“

Im Geschäftsjahr 2022/23 lag der Umsatz bei 112 Millionen Euro, der mit rund 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwirtschaftet wurde. Mit bis zu 200 Stunden Handarbeit pro Fahrzeug werden jährlich rund 1.200 Traktoren und Transporter produziert. Der Exportanteil liegt aktuell bei 60 Prozent, die wichtigsten Exportmärkte sind Schweiz, Deutschland, Frankreich und Italien.

Lindner setzt nicht nur konsequent auf Innovation und Design, sondern auch auf engen Kundenkontakt, u. a. bei diversen Veranstaltungen, sowie Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen, deckt beispielsweise 17 Prozent des Strombedarfs aus eigener Produktion.

Abseits von Höfen und Wiesen
Das Unternehmen zeigt sich auch abseits seines Kerngeschäfts durchaus innovativ und experimentierfreudig, lässt sich zum Flankenschutz der Marke einiges einfallen. Beispielsweise gibt es einen eigenen Shop, der vom Kalender über die obligate Kleidungskollektion und klassisches Zubehör über Garten- und Hofzubehör bis hin zu diversen Rolly-Trucs, einem Lindner Memory und sogar Keksausstecher in Traktorform ein buntes Sortiment bietet.

Mit dem Radiosender fm4 wurde unter dem Titel „Pimp my tractor“ ein Wettbewerb initiiert und das schönste Lindner-Traktormodell gesucht. Dem Sieger winkte ein restaurierter LW 20 N, ein legendäres Erfolgsmodell der späten 50er- und beginnenden 60er-Jahre mit 2-Zylinder-Motor und 20 PS.

Außerdem ist der Tiroler Traktorenhersteller in der einschlägigen Gaming- und E-Sports-Szene aktiv. Der Farming Simulator gilt als eines der meistverkauften Videospiele weltweit. Seit 2019 werden in einer eigenen Turnierserie, der Farming Simulator League, sogar Weltmeister ermittelt. Lindner nimmt mit einem eigenen Team an den Meisterschaften teil. Gamer wie Zerzerus, Bull24, Apollo und andere fahren dabei regelmäßig beachtliche Erfolg ein. (ALS)