Land am Strome

NEW BUSINESS Guides - INDUSTRIE GUIDE 2025/2026
In Österreich liefern heute rund 4.000 Kleinwasserkraftwerke Strom, viele davon direkt für Gewerbe- oder Industriebetriebe. Rund sieben Terawattstunden Strom werden jährlich erzeugt. © Kleinwasserkraft Österreich

Kleinwasserkraft ist bewährt, stärkt Versorgungssicherheit sowie ­Energieautarkie und wird seit Generationen genutzt. Paul Ablinger ­darüber, warum die Zukunft der Industrie am Wasser liegt.

Bereits seit einiger Zeit stehen stromintensive Industriezweige unter erheblichem Druck – unter anderem verursacht durch hohe und volatile Energiepreise. Für viele Betriebe stellt sich die Frage, wie sie ihre Produktion langfristig absichern können. Eine bewährte und zunehmend attraktive Antwort liegt in einer Energiequelle, die Österreich seit Generationen nutzt: eigener Strom direkt aus dem Kleinwasserkraftwerk.

Rund sieben Terawattstunden Strom werden jährlich durch die österreichische Klein­wasser­kraft erzeugt. Das entspricht rund zehn Prozent des Strombedarfs und stärkt Versorgungssicherheit und Energieautarkie. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten gewinnt diese Form der dezentralen, erneuerbaren Energieversorgung für die Industrie massiv an Bedeutung.

Energie aus eigener Quelle: Stabilität für die Industrie
Wasserkraft liefert kontinuierlich Strom – Tag und Nacht, Sommer wie Winter. Damit eignet sie sich ideal als Grundlastquelle für industrielle Prozesse, die einen konstanten Energiebedarf haben. Traditionell vertreten ist die Wasserkraft in der Papier-, Metall- und Chemieindustrie, wo Energieeffizienz und Versorgungssicherheit wichtige Wettbewerbsfaktoren sind. Unternehmen wie voestalpine, Heinzel Group oder Riess Emaille betreiben teils eigene Wasserkraftwerke oder beziehen Strom aus benachbarten Anlagen. Die voestalpine Wire Austria GmbH revitalisierte beispielsweise 2024 eine fast 100 Jahre alte Wehranlage, um die Versorgung mit erneuerbaren Energiequellen weiter zu stärken. Diese Kombination aus regionaler Energieproduktion und industrieller Nutzung ist ein Erfolgsmodell: Sie reduziert Abhängigkeiten von Strombörsen, stabilisiert die Produktionskosten und verringert die CO₂-Bilanz.

Standortvorteil Kleinwasserkraft
Ein anschauliches Beispiel liefert auch die Kittel­mühle Plaika in Niederösterreich. Hier wird seit mehr als tausend Jahren die Kraft des Wassers genutzt – heute mit moderner Turbinentechnik und automatisierten Prozessen. Das Kleinwasserkraftwerk betreibt direkt am Standort eine Getreidemühle und speist Überschüsse ins öffentliche Netz ein. Solche Projekte zeigen, wie regionale Wertschöpfung, technologische Innovation und Umweltverträglichkeit zusammenwirken können.

Aktuell sind in Österreich rund 4.000 Kleinwasserkraftwerke in Betrieb. Viele davon sind direkt mit einem Gewerbe- oder Industrieobjekt verbunden. Gleichzeitig ist das Potenzial durch die Modernisierung alter Kleinwasserkraftwerke mit circa 1,5 TWh in etwa gleich groß wie das Potenzial des Neubaus. Fortschritte bei Tur­binentechnologie und Fischaufstiegshilfen machen es möglich, ökologische und ökonomische Interessen in Einklang zu bringen.

Meilensteine stehen noch bevor
Das Ausbaupotenzial bestehender Kleinwasserkraftanlagen ist hoch, gleichzeitig bestehen für Betreiber strukturelle Herausforderungen. Dazu zählen langwierige Genehmigungsprozesse, Verzögerungen bei wichtigen gesetzlichen Vorgaben wie dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EABG) und dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG), die die Zukunft des Energiemarkts wesentlich mitbestimmen. ­Gerade die neuen Gesetze stellen Chance und Bedrohung gleichermaßen dar. Netzgebühren können die heimische Erzeugung belasten, ohne Verbraucher zu entlasten, und schlecht umgesetzte Vereinheitlichungen eher verzögern als beschleunigen.

Hinzu kommen oftmals ausufernde ökologische Auflagen, etwa die Gewährleistung von Fischwanderhilfen für Fisch(-größen), die nicht vorkommen, und unverhältnismäßig hohe Restwassermengen, die bei dem Betrieb berücksichtigt werden müssen. Diese Umstände erfordern sorgfältige Planung und Investitionen und für Betreiber einen verlässlichen und ganzheitlichen Fahrplan von der Politik.

Ausblick: Nachhaltige Industrie­produktion mit Wasserkraft
Während über neue Speichertechnologien oder Energieimporte diskutiert wird, liegt ein wesentlicher Teil der Lösung direkt vor unserer Haustür – in Flüssen, Werkskanälen und bestehenden Kraftwerksstandorten, die neues Leben verdienen. Ebenjene Investitionen setzen wertvolle Impulse entlang der gesamten Wertschöpfungskette: Sie stärken Handwerk und Bauwirtschaft ebenso wie die international führende Turbinen- und Generatorenindustrie. Kleinwasserkraft kann zum Schlüssel werden, um Industrie, Klimaziele und Standortpolitik zu vereinen und Österreichs Ruf als „Land am Strome“ neu zu beleben. (PA)


DER AUTOR
Paul Ablinger ist Geschäftsführer Kleinwasserkraft Österreich.
Nähere Informationen finden Sie unter www.kleinwasserkraft.at