Thomas Fleischanderl, Business-Unit-Leiter Umweltschutz bei TÜV AUSTRIA © Moser Wasser/TÜV AUSTRIA
Fast ein Viertel der gesamten Weltbevölkerung lebt in Ländern mit einem extremen Trockenheitsrisiko. Österreich ist in dieser Hinsicht zum Glück gesegnet ...
... Ein Gespräch mit dem TÜV AUSTRIA-Wasserexperten Thomas Fleischanderl über die heimische Lage.
Fast ein Viertel der Weltbevölkerung lebt in Ländern mit einem extremen Trockenheitsrisiko. In 17 Staaten ist die Wasserknappheit bereits fast auf dem Niveau der Stunde null angelangt – also an jenem Zeitpunkt, zu dem fließendes Wasser nicht mehr verfügbar sein wird. Laut einer Studie des US-Forschungszentrums World Resources Institute (WRI) steht Österreich auf der WRI-Rangliste auf Platz 134 und zählt damit zu der Gruppe der Länder mit einem niedrigen Trockenheitsrisiko. Thomas Fleischanderl, Business-Unit-Leiter Umweltschutz und Wasserexperte bei TÜV AUSTRIA, zeichnet im Gespräch ein Bild von der Lage in Österreich.
Herr Fleischanderl, ist Österreich tatsächlich ein Land der Seligen, was die Wasserversorgung betrifft?
Grundsätzlich ja. Wir verfügen in Österreich über ein nutzbares Wasserdargebot, das unseren Gesamtwasserbedarf um ein Vielfaches übersteigt. Allerdings entspricht die regionale Verteilung nicht immer dem tatsächlichen Wasserbedarf. In einzelnen Regionen Österreichs ist die kontinuierliche Versorgung mit Trinkwasser keine Selbstverständlichkeit mehr. Besonders kleinere Wasserversorger kämpfen schon jetzt mit den Folgen des Klimawandels. Weniger häufig gibt es länger anhaltende Regenereignisse, welche die Trinkwasserreservoirs nachhaltig auffüllen. Zunehmend erleben wir Starkregen, bei dem das Regenwasser oberflächennah abfließt und nicht in die unterirdischen Speicher gelangt. Oft sind auch kleinere Quellen noch unzureichend oder nicht fachgerecht gefasst. Die Sanierung dieser Quellfassungen und die Erschließung neuer Quellen wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen.
Was unterscheidet die Wasserversorgung in Österreich von jener anderer Länder?
Fast einzigartig ist die Versorgungsstruktur mit der Vielzahl an kleinen Wassergenossenschaften. Ein Großteil der österreichischen Bevölkerung lebt in den Landeshauptstädten, wo große Versorger über ein zentrales Trinkwassernetz die Trinkwasserversorgung sicherstellen. Die übrige Bevölkerung wird über kleine Wasserversorger versorgt oder bezieht ihr Trinkwasser aus privaten Brunnen oder Quellen. Insgesamt versorgen mehr als 5.500 Wasserversorger die österreichische Bevölkerung mit gesundem, qualitativ hochwertigem Trinkwasser.
Wie wird die hohe Qualität unseres Trinkwassers dauerhaft garantiert?
Die Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem Trinkwasser, unserem wichtigsten Lebensmittel, hat höchste Priorität. Österreich kann im Gegensatz zu vielen anderen Ländern seinen Trinkwasserbedarf zur Gänze aus geschützten Grundwasservorkommen decken. Es gelangt zumeist in natürlichem Zustand und mit durchwegs ausgezeichneter Qualität zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Durch die umfassende Überwachung – vom Wasserspender (Quelle, Brunnen) bis zu den Abnehmenden – ist ein hohes Schutzniveau für die Trinkwasserversorgung in Österreich gewährleistet. Das Inverkehrbringen von Trinkwasser wird im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) sowie in der Trinkwasserverordnung (TWV) näher geregelt. In dieser werden an die Qualität und die Überwachung von Trinkwasser strengste Anforderungen gestellt.
Die Qualitätskontrollen finden primär an den Wasserquellen oder Brunnen statt. Wie sieht es nun mit der Beschaffenheit unseres Wassers an den eigentlichen Entnahmestellen in den Gebäuden aus? Wird hier ausreichend kontrolliert?
Bei der Trinkwasserhygiene in den Gebäuden gibt es tatsächlich Nachholbedarf. Bis zum Eintritt in das Gebäude wird alles unternommen, um ausgezeichnete Wasserqualität zu liefern. Im Gebäude selbst scheinen wir manchmal alle Grundsätze der Trinkwasserhygiene über den Haufen zu werfen. Überdimensionierte Leitungsnetze, Stagnation, Totleitungen, zu hohe Kaltwasser-, zu niedrige Warmwassertemperaturen tragen dazu bei, dass Keime und Bakterien sich im Rohrleitungsnetz vermehren und verbreiten können. Es bedarf dringend einer Sensibilisierung der Bevölkerung beim Umgang mit Trinkwasser. Laut einer aktuellen Marktstudie (Marketagent im Auftrag des FORUM Wasserhygiene) halten knapp 60 Prozent der Österreicher Trinkwasser für nicht verderblich, schlechte Wasserqualität wird nur auf veraltete Leitungen zurückgeführt, und über zwei Drittel kümmern sich nicht um die Wartung ihrer Trinkwasserinstallation.
Nur eine regelmäßige, verpflichtende Kontrolle der Trinkwasserhygiene in Gebäuden wird uns hier eine Qualitätssteigerung bringen. Während Deutschland dieses Thema in der Trinkwasserverordnung klar geregelt hat, gibt es in Österreich angesichts der stetig steigenden Anzahl an Personen, die an der Legionärskrankheit (Legionellose) erkranken, klaren Handlungsbedarf, hier nachzuziehen.
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