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Sprechstunde

NEW BUSINESS Innovations - NR. 09, NOVEMBER 2018
Experten zufolge, ist Zukunft des Schaltschrankbaus eine digitale. © Rittal

Nachgefragt bei der Elite des Schaltschrankbaus: Wie hat sich der Schaltschrankbau innerhalb der letzten zehn Jahre verändert ...

... und welche Rolle spielen individuelle Kundenwünsche bei der Planung von zukünftigen Schaltschranksystemen?

Andreas Hrzina
Leiter Marketing und Produkt­management, Rittal GmbH
Der Schaltschrankbau im Sinne der Bearbeitung und Verdrahtung eines Schrankes sowie der Ausstattung mit Equipment wurde in den letzten Jahren schlichtweg revolutioniert. Waren Fertigungsanweisungen früher noch in Form von mehr oder weniger sehr einfachen Plänen oder gar nur funktionellen ­Bauanweisungen gehalten, so erstellt man heute detaillierte Pläne in CAD-Form. Gerade in den letzten zwei Jahren geht der Markttrend sogar in Richtung 3D und der Erstellung von digitalen Zwillingen des final ausgebauten Schrankes.
Rittal stellt seinen Kunden dazu die notwendigen 3D-Produkt­daten auf dem Eplan-Data-Portal zur Verfügung. Und darüber hinaus: Rittal bietet auch die Maschinen für die teil- oder vollautomatisierte Bearbeitung und Konfektionierung der Schränke an. Das ist einzigartig und ermöglicht dem Kunden, die Wertschöpfungskette „Schaltschrankbau“ komplett in einem digitalen Workflow abzubilden und zu automatisieren.
Es geht in Zukunft noch viel weiter! Die nächsten Schritte betreffen z. B. die Auswahl und Konfiguration des Schaltschrankes. Der Kunde möchte nicht mehr Kataloge wälzen, um sich Schrank und Zubehör zusammenzusuchen, sondern er will hier entsprechende Apps und Softwaretools. Das gab es schon in Form von Insellösungen. Wichtig bei diesen Lösungen ist nun, dass der Output gleich digital im oben beschriebenen Workflow weiterverarbeitet werden kann.
Auch hier bietet Rittal mit seinem RiCS, dem Rittal Configuration System, für das neue Großschranksystem VX25 und auch für die Kompaktgehäuse eine perfekte Lösung. Der Kunde kann hier ganz einfach den Schrank und das dazu passende Zubehör digital auswählen und sogar nach Wunsch platzieren und ­verbauen. Der Output ist eine technische Zeichnung in 3D,
die einerseits für eine Anfrage oder Bestellung an Rittal weitergeleitet werden kann, sich aber auch für die interne digitale Verarbeitung beim Kunden leicht in den Engineering Workflow integriert lässt. Das Zeichnen entfällt für den Kunden komplett. Eine gewaltige Zeitersparnis und die nächste Evolution!
Industrie 4.0 ist auch im Schaltschrankbau seit ca. fünf Jahren „das“ Thema. Wie schon beschrieben, können die Workflows heute digital abgebildet werden. Der digitale Zwilling ermöglicht dabei die einfache Individualisierung von Aufträgen. Auch wenn es nur um ein Stück geht, ist es durch die Digitalisierung wesentlich einfacher, die Anpassungen und Wünsche zu planen und zu realisieren. Für die Fertigung ist es durch die mögliche Automatisierung ebenfalls wesentlich einfacher, kleine Mengen „customized“ zu produzieren.

Wolfgang Weidinger
Geschäftsführer Weidmüller Österreich
Die Weiterentwicklung im Schaltschrankbau schreitet stetig voran und die Automatisierung ist jetzt schon Teil einer modernen Schaltschrankfertigung. Betrachtet man den österreichischen Markt, so reicht das Spektrum von manuell und halbautomatisierten bis hin zu automatisierten Fertigungen, wobei das Planungstool für die E-Planung hier immer eine zentrale Funktion einnimmt. In diesem Zusammenhang hat Weidmüller den WMC (Weidmüller Configurator) entwickelt. Dieser hat eine direkte Schnittstelle zum E-Planungstool und kann von diesem eine Klemmleistenkonfiguration direkt übernehmen, die Konfiguration danach auf Plausibilität überprüfen und ein Angebot bei Weidmüller anfordern,
24 Stunden, 7 Tage die Woche. Weidmüller erstellt mit den hinterlegten Konditionen ein Angebot inkl. Dokumentation. Im Bestellfall wird die Klemmleiste automatisiert bestückt und die fertig bestückte und beschriftete Klemmleiste wird in Einzelverpackung geliefert. Dadurch kann sich der Schaltschrankbauer
in Zeiten des Fachkräftemangels auf seine Kernkompetenzen ­fokussieren. Es entfallen Arbeitsschritte wie Ablängen der ­Hutschiene, Kommissionieren von Klemmenmaterial sowie Klemmleistenbestückung und -beschriftung. Ein Hauptkriterium für die einwandfreie Funktion von digitalen Prozessen, wie dem WMC, ist die Produktdatenqualität. Auf diese wird bei Weidmüller ein besonderes Augenmerk gelegt.
Der Kunde ist und bleibt König. Sonderwünsche von Kunden in einen definierten Prozessablauf einfließen lassen zu können, ist eine Herausforderung. Kurze Lieferzeiten und Änderungen in letzter Minute erfordern Flexibilität in der Fertigung. ­Weidmüller bietet dafür den Fast Delivery Service für bestückte Klemmleisten an. Binnen drei Tagen erhalten Sie eine in Ihrem E-Planungstool geplante Klemmleiste inkl. Beschriftungen auf einer Hutschiene.

Martin Berger
Geschäftsführer EPLAN Software & Service GmbH
In den letzten Jahren hat der Schaltschrankbau begonnen, einen Wandel zu durchlaufen. Heute wird sehr stark Wert darauf gelegt, Daten durchgängig durch den gesamten Unternehmensprozess zu betrachten und zu verwenden. Datenredundanzen sollen weitgehend vermieden werden, die Digitalisierung bekommt immer mehr einen höheren Stellenwert. Heute ist es im Engineering mit dem „Digitalen Zwilling“ möglich, sämtliche für die Fertigung relevanten Details zu berücksichtigen, Daten wie Kabel- und Drahtinformationen sowie Bohrinformationen für die Bleche und Montageplatten direkt aufzubereiten und in den Fertigungsprozess zu übergeben. Auch das Assembling von Bauteilen, z. B. ganze Klemmenblöcke oder Leistungsschalter können per digitalen Daten übergeben werden, um den fertigen Bauteil in die Werkstätte geliefert zu bekommen. Somit wird eine bisher große Lücke im Entstehungsprozess von Schaltschränken in Bezug auf Zeit,Kosten und Qualität geschlossen. Natürlich wird es hier noch weitergehen und das Thema der digitalen Daten in der Werkstätte wird durch neue Tools wie EPLAN Smart Wiring, Datenbrillen und mit der EPLAN-Cloudstrategie store.share.view. weitere Vorteile im Produktionsprozess bringen. In der Zukunft wird es wichtig sein, wertschöpfende Prozesse reibungslos ineinandergreifen zu lassen und Datendurchgängigkeit zu gewährleisten. Cloud-Technologien rücken aufgrund ihrer Flexibilität und Zugänglichkeit verstärkt in den Fokus. Ob in Form eines umfassenden Datenportals oder bei der Bereitstellung von Projektdaten für die Produktion, Inbetriebnahme und im Bereich Betrieb, Störung und Wartung.
Industrie 4.0 hat ja als großes Ziel, immer individueller und kundenorientierter zu produzieren. Ein wesentlicher Faktor, um auf individuelle Kundenwünsche noch besser eingehen zu können, ist die Standardisierung der Tätigkeiten und Abläufe. Je besser man einen Entstehungsprozess kennt, umso leichter ist es, an verschiedenen Stellen auch noch eingreifen und justieren zu können. Um dem Thema Industrie 4.0 gerecht zu werden, wurde auch der Begriff der Digitalisierung geschaffen. Am digitalen Zwilling, der z. B. im EPLAN Pro Panel erstellt wird, kann man rasch die kundenspezifischen Anforderungen darstellen und auch bis sehr spät im Unternehmensprozess (Auswirkungen auf den Bestellprozess oder die Fertigung) abändern. Durch die Verfügbarkeit vieler Herstellerdaten in einem cloudbasierten Datenportal können bei Veränderungen der Schaltschränke seitens der Hersteller rasch die Daten beispielsweise aus dem EPLAN-Data-Portal geladen und dem Entstehungsprozess zugeführt werden. Ist der Schaltschrank schon in Produktion und passieren noch Änderungen aufgrund von Kundenwünschen, so können diese digital dargestellt und im Fertigungsprozess noch berücksichtigt werden. In der Werkstätte selbst sind dann diese Veränderungen und Anpassungen leicht durch ein Tool wie Smart Wiring anzuzeigen. Sind die Schaltschränke schon unterwegs in Richtung Anlage, dann unterstützen Cloud-Lösungen wie EPLAN store.share.view. dabei, diese neuen Informationen noch vor der Inbetriebnahme anzuzeigen und rechtzeitig durch einen Techniker abzuändern.

Thomas Lutzky
Geschäftsführer PHOENIX CONTACT GmbH
Die Zukunft im Schaltschrankbau ist digital! Phoenix Contact trägt dem Rechnung, unter anderem durch die digitale Produktbeschreibung und mit der web-basierten Planungs- und Markierungs-Software Project Complete. Mittels dieser durchgängigen Prozessunterstützung lassen sich Klemmleisten heute in Echtzeit konfigurieren, ­markieren und bestellen. Die Digitalisierung in Verbindung mit der Push-in-Anschlusstechnik ermöglicht eine schrittweise Automatisierung und Effizienzsteigerung.
Individualisierung in Verbindung mit kürzer werdenden ­Durchlaufzeiten ist ein Trend unserer Zeit und spielt eine entsprechend große Rolle. Starke Zulieferer und innovative, digitale Tools unterstützen den Schaltschrankbau bei der Erreichung dieser steigenden Kundenanforderungen.

Andreas Chromy
Managing Director AT & CEE, Murrelektronik
Die Entwicklung von einer Point-to-Point-Lösung hin zur dezentralen Installation mit Flexibilität, Modularisierung, Platz- und Kostenersparnis sowie individueller Installationstechnik ist in der Automatisierungsbranche deutlich erkennbar. Zukünftig geht der Trend weiter in Richtung „Zero Cabinet“, der Verlagerung der Installationstechnik vom Schaltschrank ins Feld mit einem Einsparpotenzial von bis zu 30 Prozent.
Im Bereich „Diagnose“ und „Monitoring“ wird der große Nutzen der digitalen Vernetzung sichtbar und die nächste Stufe in Form der vorbeugenden Instandhaltung eingeläutet werden.
Die Feldbusprodukte von Murrelektronik sind bereits auf punktgenaue und feingranulare Diagnose getrimmt. Das modulare Feldbussystem Cube67+ sorgt für einen schnellen und einfachen Zugriff auf Diagnosedaten. Mittels Cloud sind die Daten jederzeit verfügbar und etwaige Fehler können sofort behoben werden.
Mit maßgeschneiderten Installationskonzepten, passend für die jeweils spezifischen Anforderungen, werden Zeit und Kosten gespart. Bei einer Analyse vor Ort werden die kundenspezifischen Bedürfnisse und branchentypischen Anforderungen ­bestimmt, um so passgenaue Lösungen anbieten zu können.
Ob vordefinierte Baugruppen oder individuell für den Kunden entwickelte Produkte – die „customized solution“ steht immer im Vordergrund.
Murrelektronik bietet seinen Kunden durchgängige Lösungen von der intelligenten dezentralen Energieversorgung über die konfektionierte und vorgeprüfte Verbindungstechnik bis hin zur smarten Feldbuslösung. Als Experte der dezentralen ­Installations- und Automatisierungstechnik ist alles aus einer Hand und bestens aufeinander abgestimmt.