Die Quadratur des Tunnelbaus

NEW BUSINESS Innovations - NR.12, DEZEMBER 2024
Über 19.000 Tübbingsegmente (sechs Segmente bilden einen Tübbingring) werden bei der Maba südlich von Wien bereits seit November 2023 vorproduziert. © Kirchdorfer Gruppe

Die Wiener Linien erweitern das U-Bahn-Netz mit dem U2xU5-Großprojekt. Die für den kontinuierlichen Vortrieb erforderlichen Betonringe ...

... werden bei der Maba Fertigteilindustrie GmbH in Wöllersdorf bei Wiener Neustadt produziert. 

Die Wiener Linien arbeiten weiter intensiv am Ausbau des U-Bahn-Netzes mit ihrem U2xU5-Großprojekt. Die bei der Verlängerung der Wiener U2 in Richtung Süden zum Einsatz kommende, über 120 Meter lange und 1.300 Tonnen schwere Tunnelvortriebsmaschine „Debohra“ des Herstellers Herrenknecht ist fleißig am Vorarbeiten. Die für den kontinuierlichen Vortrieb erforderlichen Betonringe, die sogenannten Tübbinge, die in den Streckenröhren zwischen den Stationen Matzleinsdorfer Platz, Reinprechtsdorfer Straße, Pilgramgasse, Neubaugasse und Rathaus in beiden Richtungen zum Einsatz kommen, werden bereits seit Ende 2023 bei der Maba Fertigteilindustrie GmbH vorproduziert.

Für das Auffahren der Tunnelröhren musste bereits ein entsprechendes Lager bereitstehen, um die zehn bis zwölf Ringe, die im Schnitt pro Tag verbaut werden, mehr oder weniger just in time an das Zwischenlager auf der Baustelle anzuliefern. Der erste Tübbing wurde am 23. November 2023 im Maba-Werk in Wöllersdorf produziert. Bis zum Andrehtermin wurde das Lager kontinuierlich mit rund 36 Tübbingen pro Tag aufgefüllt. Insgesamt werden über 19.000 Einzelsegmente für den Öffi-Ausbau U2xU5 hergestellt. 

Ressourceneffiziente und umweltschonende Tunnelbaumethode
Die Tunnelvortriebsmaschine (TVM) ermöglicht einen höchst nachhaltigen Tunnelbau: Statt Baggern, Meißeln und schnellhärtendem Spritzbeton arbeitet sich die Tunnelvortriebsmaschine mit einem Schneidrad in einem Ausbruchsdurchmesser von knapp sieben Metern kontinuierlich durch den Untergrund. Nach 1,4 Meter Vortrieb wird jeweils ein Betonring versetzt, der schrittweise die Tunnelröhre bildet. Jeder Ring besteht aus sechs einzelnen Tübbingsegmenten, die zuvor bei der Maba vorgefertigt wurden und von der TVM passgenau installiert werden. Sobald ein Ring fertig verlegt ist, kann sich die Tunnelvortriebsmaschine an diesem abdrücken und weitervortreiben.

Der Aushub wird über einen zentralen Schacht am Matzleinsdorfer Platz abtransportiert. Die sechs Tübbingsegmente, die einen fertigen Ring bilden, haben jeweils leicht unterschiedliche Geometrien, die mit höchster Präzision auf den Zehntelmillimeter genau hergestellt werden und während der gesamten Produktionsphase laufend von Mitarbeiter:innen der Wiener Linien noch im Werk überprüft werden. Mit den 35 cm starken Tunnelringen kommt nur die exakte Menge an Beton und Bewehrung zum Einsatz, die zur Erfüllung der Spezifikationen erforderlich ist. 

Komplexe Herausforderungen 
Der Tunnelbau in bis zu 37 Metern Tiefe unter der Stadt stellt eine Reihe von Herausforderungen dar, wie Helmut Schweiger, von der Abteilung Infrastrukturentwicklung und -realisierung/U-Bahn Neubau Süd bei den Wiener Linien erklärt: „Aus bautechnischer Sicht ist dieses U-Bahn-Erweiterungsprojekt enorm spannend, da hier die unterschiedlichsten Baumethoden miteinander interagieren – von der offenen Bauweise für die Errichtung der Stationsschächte über den zyklischen Vortrieb bis hin zum kontinuierlichen Tunnelvortrieb, der bei Teilen der Streckenröhren zum Einsatz kommt.“ Entsprechend der Unternehmensphilosophie vergeben die Wiener Linien generell keine Generalbaulose, sondern wollen im Vergabeprozess auch zahlreichen lokalen Klein- und Mittelbetrieben die Möglichkeit bieten, direkt an diesem Infra­strukturprojekt teilnehmen zu können. Auch die örtliche Bauaufsicht wird in erster Linie intern abgewickelt.

Premiere für MABA Fertigteilindustrie
Für die über eine Arbeitsgemeinschaft aus Porr und Strabag realisierten U2-Baulose zwischen Matzleinsdorfer Platz und Augustinplatz werden die Tübbinge erstmals in Standfertigung in den angestammten Werkshallen der Maba Fertigteilindustrie GmbH in Wöllersdorf produziert – und nicht, wie bei vergangenen Maba-Tunnelgroßprojekten wie dem Wienerwaldtunnel, Koralmtunnel oder Boßlertunnel, in einer eigens errichteten Feldfabrik am Tunnelportal.

„Die günstige Lage südlich von Wien, die kurzen Transportwege und das Vertrauen in einen Betrieb, der bereits seit einem Jahrhundert mit seiner Expertise und seinem riesigen Produktportfolio wesentlich zur Wiener Infrastruktur beiträgt, haben dazu beigetragen, dass wir letztlich von der ARGE U2 17-21 beauftragt wurden“, erzählt Prokurist Stefan Kizlink. „Nach den vielen spektakulären Tübbing-Projekten unserer Unternehmensgruppe von der Koralm bis nach Stuttgart freuen wir uns ganz besonders, unsere Expertise nun quasi vor der Haustür zur Verfügung stellen zu können“, freut sich auch Michael Wardian, Geschäftsführer der Kirchdorfer-Gruppe. '(BS)