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Hitze, Hagel, Hurrikans

NEW BUSINESS - NR. 3, MÄRZ 2023
Naturkatastrophen haben 2022 weltweit einen wirtschaftlichen Schaden von 313 Milliarden Dollar verursacht. © Adobe Stock/James Thew

Naturkatastrophen und extreme Wetterereignisse häufen sich rund um den Globus und verursachen wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe. Um die Auswirkungen einzudämmen ...

... und das Risiko kalkulierbarer zu machen, sind effektive Sicherheitsmaßnahmen, zuverlässige Vorhersagen und strukturiertes Krisenmanagement essenziell.

Anfang Februar 2023 haben zwei starke Erdbeben Teile der Türkei und Syriens erschüttert – das Ausmaß der Katastrophe erschütterte die ganze Welt. Neben dem unfassbaren menschlichen Leid ist auch der wirtschaftliche Schaden enorm und folgt einem alarmierenden Trend.

Laut einem Bericht von Aon plc haben Naturkatastrophen im vergangenen Jahr weltweit einen wirtschaftlichen Schaden von 313 Milliarden Dollar verursacht. 2022 war somit für die Versicherer das fünftteuerste Jahr in der Geschichte. Etwa 50 bis 55 Milliarden Dollar der weltweiten versicherten Schäden sind auf den Hurrikan Ian in den USA zurückzuführen.

Nach dem Hurrikan Katrina im Jahr 2005, der fast 100 Milliarden Dollar an versicherten Schäden verursachte, die zweitteuerste Naturkatastrophe in der Geschichte aus Versicherungssicht. Laut Bericht haben im Jahr 2022 etwa 31.300 Menschen durch globale Naturkatastrophen ihr Leben verloren. Die Gesamtzahl der Todesopfer bleibt seit nunmehr zwölf Jahren in Folge unter dem Durchschnitt. Mehr als 19.000 der Todesopfer waren jedoch allein in Europa hitzebedingte Todesfälle, hauptsächlich infolge von Hitzewellen. 

Obwohl ein Großteil der Gesamtschäden im Jahr 2022 unversichert blieb, war die Deckungslücke mit 58 Prozent eine der niedrigsten in der Geschichte. Dies verdeutlicht einen positiven Wandel, wie Unternehmen durch Risikominderung die Volatilität bewältigen und wie Versicherer unterversorgten Gemeinschaften durch den Zugang zu Kapital weiteren Schutz bieten. 

Klimarisikoversicherungen können wirtschaftliche Verluste begrenzen
Die globale Erwärmung führt in den USA wahrscheinlich zu einer Häufung besonders schwerer Hurrikane und einem deutlichen Anstieg der damit verbundenen Schäden. Ein umfassenderer Versicherungsschutz könnte dabei helfen, die zunehmenden wirtschaftlichen Folgen zu verringern. Das zeigt eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die die Wirksamkeit von Klimarisikoversicherungen in den USA untersucht, wo Hurrikane im Zeitraum 1980-2014 direkte wirtschaftliche Schäden von über 400 Milliarden US-Dollar verursacht haben.

„Nach schweren Stürmen, die hohe direkte Schäden verursachen, kann die Wirtschaft mehrere Jahre brauchen, um sich zu erholen. Manchmal reicht die Zeit zwischen zwei Ereignissen dazu nicht aus. Unsere Modellrechnungen berücksichtigen diese Langzeiteffekte auf die ökonomische Entwicklung, die deutlich größer sein können als die direkten Schäden”, erklärt Christian Otto, Wissenschaftler am PIK und einer der Leitautoren der Studie, die im Fachmagazin Science Advances veröffentlicht wird.

„Es gilt als gesichert, dass unter fortschreitendem Klimawandel der Anteil besonders schwerer Hurrikane zunimmt. Selbst wenn die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius begrenzt wird, zeigen unsere Computersimulationen, dass sich in den USA die Verluste des Wirtschaftswachstums durch Hurrikane im Vergleich zu dem historischen Zeitraum mehr als verdoppeln könnten. Ohne wirksamen Klimaschutz könnte dieses Erwärmungslevel bereits Mitte dieses Jahrhunderts erreicht werden”, verdeutlicht PIK-Wissenschaftler Kilian Kuhla, ebenfalls Leitautor der Studie.

In ihrer Studie untersuchen die Forschenden auch die Wirksamkeit von Klimarisikoversicherungen als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine umfassende, steuerfinanzierte Klimarisikoversicherung die wirtschaftliche Erholung beschleunigt und so ein effektives Instrument darstellt, um klimabedingte wirtschaftliche Verluste zu begrenzen. In den USA könnte solch eine Versicherung die erwartete Zunahme der Wachstumsverluste durch Hurrikane kompensieren, zumindest wenn die globale Erwärmung auf 2 Grad Celsius begrenzt werden kann”, erläutert Mitautor Tobias Geiger, Wissenschaftler beim Deutschen Wetterdienst und am PIK.

Nach der Jahrhundertflut 2002: Investitionsoffensive in heimischen Hochwasserschutz
Der Sommer 2002 ging in Salzburg in die Geschichte ein. Salzach und Saalach reißende, braune Flüsse, Rekordpegelstände an mehreren Stellen. Die Katastrophe forderte Todesopfer und richtete enormen Schaden an. „Salzburg war erschüttert und es war schnell klar: Wir müssen viel tun, um weiter hier leben zu können. Und genau das haben wir gemacht und werden dies auch weiterhin tun“, erinnert sich Landesrat Josef Schwaiger. Die Katastrophe und massive Zerstörung 2002 war gleichzeitig aber auch der Beginn eines umfassenden und professionellen Hochwasserschutzes im gesamten Bundesland.

„Ich kann mich noch gut erinnern, wie dann vieles möglich wurde, das bis dahin undenkbar schien. Fest steht: Diese rund 250 Millionen Euro, die seither in Schutzmaßnahmen investiert wurden, retten Leben und Existenzen. Wir konnten mit Hilfe des Bundes und der Gemeinden sowie Interessenten Salzburg sicherer machen. Aber die Arbeit wird uns nicht ausgehen, denn die Herausforderungen werden durch Extremwetterereignisse immer größer und 100-prozentige Sicherheit wird es nie geben“, so Schwaiger.

Seit dem Jahrhunderthochwasser 2002 war auch Niederösterreich immer wieder von großen Hochwässern betroffen, die in Summe einen Schaden von rund 1,3 Milliarden verursacht haben. „Es gibt Ereignisse, die man sich nicht wünscht oder aussucht, die aber trotzdem Realität werden“, so die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. „Dieses Jahrhunderthochwasser hat das ganze Land betroffen, ganz besonders aber den Donauraum. In Summe sind alleine im Jahr 2002 Schäden in der Höhe von 950 Millionen Euro entstanden. Und auch in den vergangenen 20 Jahren hat es weitere Schäden gegeben“, so Mikl-Leitner.

Seither seien Land, Bund und Gemeinden noch enger zusammengerückt, um einerseits ganz schnelle Hilfen für die Betroffenen zu geben. Andererseits habe man sich darauf verständigt, die Gemeinden bei der Errichtung von Hochwasserschutzmaßnahmen zu unterstützen „Was seither gelungen ist, kann sich sehen lassen: Es wurden 1,5 Milliarden Euro in Hochwasserschutzbauten entlang der Donau investiert, über 700 Projekte wurden umgesetzt und damit konnten über 300 Gemeinden im ganzen Land sicherer gemacht werden“, führt die Landeshauptfrau aus.

Österreich befürchtet Zunahme bei Extremwetter
Während Experten schon seit Jahren vor den Folgen zunehmender Extremwetterereignisse in ganz Österreich warnen, beurteilen in einer aktuellen repräsentativen Befragung nun auch bereits mehr als 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung Naturgefahren als Zukunftsproblem mit hohem Schadenspotenzial. Konzentrierten sich die Sorgen der österreichischen Bevölkerung im 5-Jahre-Vergleich noch auf regionale oder punktuelle Ereignisse und betrafen zumeist Hochwasser oder Überflutungen, rücken nun auch verstärkt Hitzewellen und Dürreperioden in den Bewusstseinsfokus der Bevölkerung. 

„Naturkatastrophen nehmen in Österreich zu und treffen auf eine eher schlecht vorbereitete Gesellschaft“, so Othmar Ederer, Vizepräsident des österreichischen Versicherungsverbandes VVO. „Die Risiken werden noch immer stark unterschätzt, wobei die Ereignisse der letzten Jahre bestätigen, dass Österreich von Extremwetterereignissen bzw. Naturkatastrophen durchaus nicht verschont bleibt. Gefährdet sind dabei nicht nur einzelne Regionen, sondern alle Bundesländer. Es handelt sich zudem leider nicht mehr um „Jahresphänomene, vielmehr ist hier ein langfristiger Trend in der Zunahme von Extremwetterereignissen klar feststellbar.“

Diesen Trend kann auch Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, mit Zahlen belegen: „Hagel, Sturm und Überschwemmungen, vor allem aber die Hitze mit ausbleibendem Niederschlag machten der heimischen Landwirtschaft im abgelaufenen Jahr zu schaffen. Die Konsequenz ist ein Gesamtschaden in der österreichischen Landwirtschaft von 170 Millionen Euro, davon 130 Millionen Euro bedingt durch das Risiko Dürre, speziell an Kulturen wie Mais, Sonnenblumen und Sojabohnen sowie dem Grünland. Das Dramatische: Wetterextreme nehmen weiterhin in Häufigkeit und Intensität zu. Der kostenintensive Klimawandel macht den Sommer zu einer Jahreszeit der Gefahren für den standortgebundenen Agrarsektor“, so Weinberger weiter.

Die Österreichische Hagelversicherung nutzt seit mehr als fünf Jahren Dienstleistungen der Europäische Weltraumorganisation ESA in Form von Satellitendaten, beispielsweise für die Feststellung von Schäden nach Naturkatastrophen, wie im Fall von Dürre. „Als agrarischer Spezialversicherer in Österreich und fünf osteuropäischen Ländern bieten wir unseren Kunden die umfassendste Produktpalette und die modernste Schadenserhebung Europas an. Wir haben eine sehr enge Kooperation mit der ESA und stehen auch in einem regelmäßigen Austausch mit dem ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher und mit der neuen ESA-Direktorin für Erdbeobachtung in Frascati, Simonetta Cheli. Die ESA-Satellitendaten werden von uns für die Schadenserhebung weiter aufbereitet. Zudem stellen wir unseren versicherten Landwirten ein modernes und einzigartiges, satellitengestütztes Monitoring-Tool für ihre Agrar­flächen zur Verfügung. Die Folgen des Klimawandels sind so für die versicherten Landwirte kalkulierbarer und frühzeitig erkennbar“, sieht Weinberger die Vorteile der Nutzung von Weltraumdaten.

Erkenntnisse aus 14.000 Jahren Erdbebengeschichte
Um zuverlässige Prognosen treffen zu können, kann nicht nur ein Blick aus dem Weltraum helfen, sondern auch jener in die Vergangenheit. So etwa im Fall der Beurteilung von Erdbebengefahren. Wie historische Aufzeichnungen belegen, wurde Kärnten im Jahre 1348 durch eines der stärksten bekannten Erdbeben im Alpenraum erschüttert. Sicher ist, dass durch das Beben Teile des Villacher Hausbergs Dobratsch abstürzten, die Gail zu einem See stauten und so zur Überschwemmung einiger Ortschaften führten.

Was das Epizentrum dieses Erdbebens und das tatsächliche Schadensausmaß in Kärnten anbelangt, herrscht jedoch sowohl unter Historiker:innen als auch unter Seismolo­g:innen Uneinigkeit. Einige Forscher:innen gehen von einem Epizentrum nahe der österreichisch-italienischen Grenze aus, manche Autoren verorten das Erdbeben jedoch bis zu 50 km südwestlicher im Friaul. Dieses Gebiet war auch in den Jahren 1976 und 1977 von Erdbeben bis zu einer Magnitude von 6,4 betroffen, als 989 Menschen ihr Leben verloren.

Für eine akkurate Abschätzung der derzeitigen Erdbebengefährdung im dicht besiedelten Kärntner Zentralraum ist eine genaue Kenntnis der Epizentren historischer Ereignisse sowie der Häufigkeit starker Erschütterungen jedoch unerlässlich. Ein Team von Geologen der Universität Innsbruck suchte deshalb in Zusammenarbeit mit Geologen und Geophysikern der Universität Bern und der ETH Zürich sowie der Historikerin Christa Hammerl und dem Seismologen Stefan Weginger von der GeoSphere Austria (ehemals ZAMG) im Wörthersee und im Millstätter See nach Indizien für vergangene Erdbeben.

„Starke Erschütterungen, die an Land zumindest leichte Gebäudeschäden verursachen, lösen in den Seen Schlammlawinen aus. Die Ablagerungen dieser unterseeischen Rutschungen orteten wir mit akustischen Methoden und entnahmen dann gezielt bis zu 12 Meter lange Sedimentkerne, um deren Alter zu bestimmen“, so Christoph Daxer, Doktorand in der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie der Universität Innsbruck.

Dabei erkannten die Forscher, dass die Spuren des Bebens von 1348 sowohl im Wörthersee als auch im Millstätter See gewaltig sind. „In beiden Seen sind damals mehr als fünf Millionen Kubikmeter an Seeschlamm mobilisiert worden. Außerdem fanden wir Ablagerungen, die mit weiteren historisch bekannten Erdbeben in den Jahren 1201, 1511, 1690 und 1857 in Zusammenhang stehen. Interessanterweise hinterließ das Erdbeben von 1976 jedoch kaum eine Spur“, erklärt Daxer. „Diese Funde bestätigen, dass die Intensitäten, also die Stärke der Erschütterungen vor Ort, während des Bebens von 1348 im Kärntner Raum merklich höher waren als jene von 1976. Bei einer ähnlichen Magnitude müsste das Epizentrum des 1348er-Bebens folglich viel näher an den Seen gelegen haben als jenes von 1976.“

Die entnommenen Proben reichen jedoch weit über historische Zeiträume hinaus, wie Jasper Moernaut, Assistenzprofessor am Institut für Geologie der Universität Innsbruck, ausführt: „Im Wörthersee können wir die Erdbebengeschichte bis etwa 14.000 Jahre vor heute zurückverfolgen. 44 Erdbeben waren in diesem Zeitraum stark genug, um ihre Spuren im See zu hinterlassen. Da das Volumen und die Anzahl der Schlammlawinen mit der Intensität eines Erdbebens korrelieren, haben wir eine messbare Größe im geologischen Archiv, um auch die Intensitäten von prähistorischen Erdbeben zu bestimmen. Die gute Nachricht ist, dass ein ähnlich starkes wie jenes von 1348 wohl zuletzt vor etwa 11.500 Jahren, also etwa zum Ausgang der letzten Kaltzeit, stattgefunden hat.“

Die Forscher:innen nutzen die Daten auch, um die bestehenden Erdbebengefährdungsbeurteilung, die unter anderem die Grundlage für die Gebäudeplanung darstellt, zu überprüfen, wie Michael Strasser, Leiter der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie und der Austrian Core Facility für wissenschaftliche Bohrkernanalysen an der Universität Innsbruck, erläutert: „Diese Gefahrenbewertung basiert auf seismologischen Daten und den Ergebnissen der historischen Erdbebenforschung, die in etwa die letzten 1000 Jahre abdecken. Die Treffsicherheit dieser Modelle ist jedoch nur schwer überprüfbar. Mit den Erdbebendaten aus den Seen können wir jedoch genau das tun, da sie weit in die Vergangenheit reichen und so vollkommen unabhängig von den instrumentellen und historischen Daten sind.“

Es zeigte sich, dass die aktuelle Gefahrenbeurteilung zumindest im Raum Wörthersee die langfristige Erdbebengefährdung gut widerspiegelt. „Laut unseren Daten liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Erschütterung der Intensitätsstufe VII oder höher auf der Europäischen Makroseismischen Skala – hier ist zumindest mit Rissen in den Wänden zu rechnen – in den kommenden fünfzig Jahren bei fünf bis sechs Prozent“, so Moernaut.

Die Daten zeigen aber auch, dass die Häufigkeit der Erdbeben lokal nicht konstant war, wie Daxer ergänzt: „Es gab längere Phasen mit wenigen Erdbeben, die dann von vielen Starkbeben in kurzer Abfolge unterbrochen wurden. Momentan scheinen wir uns in einer Phase erhöhter Erdbebentätigkeit zu befinden, was bei der Berechnung der Erdbebengefährdung berücksichtigt werden muss.“

Den Notfall geprobt
Ein europaweiter Sturm tobt über Europa bis hinein ins Dresdner Elbtal. Hinzu kommen Hackerangriffe aufs Stromnetz, das großflächig ausfällt. Dunkle Wolken künden vom nahenden Starkregen, der Elbe und andere Flüsse anschwellen lassen wird. Die Konsequenzen sind erheblich. „Dieses Szenario haben wir kürzlich geübt“, erklärt Guido Kerklies. Der Technische Leiter der Stadtentwässerung ist auch einer der Manager, die im Ernstfall an der Spitze des Krisenstabes stehen. Den hat das Unternehmen im Oktober gebildet und nicht lange gewartet, um zu trainieren. Schließlich sollen auch in solchen Fällen das Klärwerk und das über 1.800 Kilometer lange Kanalnetz weiter zuverlässig funktionieren.

Nach der Jahrhundertflut 2002 und Stromausfällen hat die Stadtentwässerung gehandelt. Deshalb wurden entsprechende Konzepte für solche Ereignisse erarbeitet. Für das Unternehmen hat es sich ausgezahlt, dass es seit über 16 Jahren regelmäßige Hochwasserschutz-Übungen und seit 2016 auch Blackout-Tests durchführt. Bei der Jahrhundertflut im August 2002 gab es riesige Schäden. Erst nach 13 Tagen konnte das zuvor komplett überschwemmte Klärwerk wieder in Betrieb genommen werden. Bei der Juniflut 2013 war das völlig anders. So hält das kurz vor dem Hochwasser aufgebaute Schutzsystem, das den Deich am Klärwerk um einen Dreiviertelmeter erhöht, und das neue Johannstädter Flutpumpwerk entlastet die Kanäle. Die Katastrophe kann verhindert werden.

„Jetzt sind wir noch einen Schritt weitergegangen“, erklärt Kerklies. Mit einem österreichischen Beratungsunternehmen aus Wien, das auf solche Fälle spezialisiert ist, wurde ein Krisenmanagement-Konzept erarbeitet. „Mit dabei war ein früherer Offizier, der sehr erfahren ist“, sagt er. So hat das Unternehmen auch so ein Krisenkonzept für die Stadt Wien erarbeitet. „Am 1. Oktober haben wir unser Konzept scharfgeschaltet.“ Seitdem gibt es den Krisenstab der Stadtentwässerung, der aus rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht. „Er wird von der Geschäftsführung nicht nur bei Hochwasser, Sturm oder Blackout, sondern auch bei anderen Krisensituationen – wie Cyberangriffen – einberufen“, erklärt Kerklies. Die Akteure sind dann rund um die Uhr im Einsatz.

Im Krisenfall soll der Stab spätestens nach zwei Stunden handlungsfähig sein, um schnell Entscheidungen zu treffen und die nötigen Schritte einzuleiten. Die Aufgaben sind klar verteilt. Insgesamt sind fünf Stabsfunktionen ausgewiesen, die abgekürzt mit „S“ bezeichnet werden. So beschafft der „S 2“ die Informationen zur Lage, sodass beispielsweise beim Sturm mit einem Blackout Gefahren oder Schäden beurteilt werden können. Jeweils ein „S 3“ ist für den Betrieb der Kläranlage und den Betrieb des Kanalnetzes zuständig. Sie leiten die nötigen Schritte ein. Der „S 5“ informiert die Presse und andere Medien und der „S 6“ kümmert sich darum, dass trotz des Stromausfalls Kommunikationskanäle weiter funktionieren.

Andere Fachleute halten währenddessen die Verbindung zu anderen Krisenstäben, vor allem zu dem des Brand- und Katastrophenschutzamtes, und erfüllen weitere Aufgaben. Vor Weihnachten hat der Krisenstab eine Woche lang den Ernstfall geprobt. Kerklies’ Dienstzimmer im Kaditzer Klärwerk wurde zur Einsatzzentrale. Was geschieht, wenn mit den Blockheizkraftwerken die Fernwärme und der Strom ausfallen? Wie kann die Kommunikation gesichert werden, wenn Telefon- und Handy­netze ausfallen? Für alles gibt es Notlösungen. „So haben wir ein „Rotes Telefon“, das in solchen Fällen über eine direkte Leitung mit dem Brand- und Katastrophenschutzamt verbunden ist“, erläutert Krisenmanager Kerklies.

Fällt die Fernwärme aus, hat die Stadtentwässerung 50 Ölradiatoren, mit denen wichtige Räume und Anlagen beheizt werden können. Zudem gibt es Notstromaggregate und mobile Pumpen, um auch im Notfall Pumpwerke und Abwasseranlagen weiter betreiben zu können. Die Spanne des Krisenmanagements reicht bis hin zu Gas- und Wasserkochern, Konserven und Essensreserven, wie Nudeln und Tomatensauce aus der Kantine. „Die Übung unseres Krisenstabs hat gut funktioniert“, resümiert der Krisenmanager. „Sie hat uns Sicherheit für Notfälle gebracht.“ Selbst an Notfälle in der geplanten Einsatzzentrale ist gedacht. Falls es bei Katastrophen zu starke Schäden im Klärwerk gibt, ist der Kanalnetzstützpunkt in Niedersedlitz als Ausweichzentrale bereits mit einem Notstromaggregat vorbereitet. (BO)