Sandra Kolleth, Geschäftsführerin Miele Österreich, Slowenien & Kroatien im Porträt

NEW BUSINESS - NR. 4, MAI 2020
»Die Quintessenz, die nicht erst seit Corona für uns gilt und auch in unseren Unternehmensgrundsätzen festgeschrieben ist: Wir geben aufeinander acht.« © Miele

Aus der IT-Branche „an den Herd“: Power & Empathie, Geschäftssinn & Einfühlungsvermögen sind keine Gegensätze – wie Sandra Kolleth beweist.

Sie dürfen das jetzt keinesfalls missinterpretieren! Frau Kolleth hat sich nicht für ein Leben als Vollzeit-Hausfrau entschieden – auch wenn sie in ihrer Freizeit gerne für Familie und Freunde den Kochlöffel schwingt und Kräuter in ihrem Garten zieht. Vielmehr sind die einleitenden Worte so zu verstehen, dass die ehemals langjährige General Managerin der Österreich-Dependance des 1906 gegründeten IT-Pioniers Xerox sich 2018 entschlossen hat, nicht nur das Unternehmen, sondern auch gleich die Branche zu wechseln. Beiden war sie seit ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien – mit einer Spezialisierung auf Warenhandel und Personalwirtschaft – bis zu diesem Change treu geblieben.
Ihr neuer Arbeitgeber ist nicht minder traditionsreich, ganz im Gegenteil: Seit November 2018 leitet sie die Geschicke des knapp über 120 Jahre jungen (und damit rund sieben Jahre älteren) Herstellers Miele in Österreich, Slowenien und Kroatien. Das brachte einige Veränderungen mit sich, wie Kolleth erzählt: „Nach 23 Jahren von Xerox, einem amerikanischen, börsennotierten IT-Unternehmen, ausschließlich im B2B tätig, zu Miele, einem deutschen, familiengeführten Unternehmen im Hausgeräte- und Professional-Geschäft, überwiegend im B2C- bzw. B2C2C-Geschäft – das war schon ein großer Sprung. Mein beruflicher Hauptsitz ist nun auch Salzburg und nicht mehr Wien. Aus einem Unternehmen und Job wegzugehen, der mir auch nach 23 Jahren viel Freude bereitet hat – hinein ins Ungewisse – das war schon wirklich ‚raus aus der Komfortzone‘ für mich.“

Sprung aus der Komfortzone
Dass sie diesen Sprung aus der Komfortzone gewagt hat liegt auch daran, dass sie mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht und sich darunter auch noch ein stabiles Fundament befindet. „­Meine Eltern hatten immer großes Vertrauen in mich. Egal, was ich vorhatte, ich ­hatte stets das Gefühl, sie würden mich unterstützen und hinter mir stehen. Das stärkt. Und gibt einem Rückhalt, sich auch in unvertraute Gefilde vorzuwagen“, so Kolleth. Aber in gewisser ­Weise gibt es dennoch Überschneidungen zwischen ihrer alten und ihrer neuen Tätigkeit, die sich auch in ihrer Leidenschaft für Menschen und Kommunikation einerseits und für die gegenwärtigen Transformationsprozesse in den Unternehmen und der Gesellschaft andererseits wiederfinden: „So ist die Digitalisierung im Haushalt ein ganz wesentliches Thema und wie diese die Bedürfnisse unserer Kunden, aber auch uns als Organisation verändert. Und Digitalisierung ist ja ein Thema, das mich auch mit meiner früheren Tätigkeit im IT-Umfeld bei Xerox sehr verbindet, auch wenn es hier noch mal eine ganz anders gelagerte Herausforderung ist.“
Unvertraute Gefilde und raue See sind nicht nur sprichwörtliche (Business-)Begriffe für die leidenschaftliche Skipperin, die auch schon einen mehrmonatigen Aufenthalt auf dem Wasser verbracht hat. Da wie dort bleibt sie auf Kurs, selbst wenn sich dieser vielleicht erst später vollständig offenbart. So wie bei diesem einen Satz ihres holländischen Mentors zu Beginn ihrer Laufbahn, der ihr über Jahrzehnte in Erinnerung geblieben ist: „Wenn du einmal Chefin von Xerox Österreich bist, lädst Du mich zur Einstandsfeier ein.“ Sie hat das damals verständlicherweise für gänzlich unmöglich gehalten und gelacht. „Damit hat er aber offensichtlich sehr geschickt und für mich unbewusst einen Rahmen aufgemacht, der sich 20 Jahre später realisiert hat.“ Als Chefin versteht sie es, zu führen, ohne dabei das Miteinander zu vergessen, und schwört auf Management nach Yin und Yang: „Yin und Yang stehen für polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte oder Prinzipien. Sie stehen für einen kontinuierlichen Fluss und ein Wechselspiel. Denn in jedem dieser Aspekte steckt immer auch das Gegenteil. In der Regel steht bei mir ein partizipativer Führungsstil im Vordergrund. Oft ist aber auch eine klare Entscheidung und Abgrenzung gefordert.“

Wir geben aufeinander acht
Ihr in Fleisch und Blut übergegangener Orientierungssinn, der einen sicher auch durch schwierige Fahrwasser leitet, ist gerade jetzt besonders von Nutzen. „Derzeit stehen wir alle natürlich vor vielen Herausforderungen in und nach der Corona-Krise. Wir sind als Führungsteam mit Fragestellungen konfrontiert, die wir uns noch vor einigen Wochen nicht hätten träumen lassen. Dies fordert uns auch wirtschaftlich sehr – hier zeigt sich aber die Stärke eines gesunden, vom Kapitalmarkt unabhängigen Familienunternehmens. Und unser langfristiges Denken prägt uns auch hier – gut mit allen Mitarbeitern, unseren Geschäftspartnern und Kunden durch die Krise zu kommen. Und auch jetzt schon – parallel zur kurzfristigen Krisenbewältigung – wieder strategisch daran zu arbeiten, unser Geschäft und unseren Kundennutzen auch langfristig weiter ausbauen zu können, zu sehen, was wir aus der Krise lernen und wie wir uns insgesamt resilienter aufstellen können“, denkt Kolleth schon jetzt einen Schritt voraus und ergänzt: „Die Quintessenz, die nicht erst seit Corona für uns gilt und auch in unseren Unternehmensgrundsätzen festgeschrieben ist: Wir geben aufeinander acht.“ (RNF)


12 FRAGEN AN SANDRA KOLLETH

Was wollten Sie als Kind werden?
Kinderkrankenschwester

Was bedeutet Glück für Sie?
In einer Zeit und einem Teil der Welt zu leben, in der es keinen Krieg gibt und in dem Menschen nicht an Hunger leiden. In einem Land wie Österreich leben zu dürfen. Wichtige Beziehungen zur Familie und zu Freunden mit Leben und Liebe zu füllen.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Ich arbeite gerade einen Stapel an Fachzeitungen und Managementmagazinen durch, der aber irgendwie nicht kleiner wird. Bücher lese ich ganz intensiv im Urlaub, da tauche ich komplett in Thriller und Romane ab und es werden dann schnell einige tausend Seiten.

Welche Persönlichkeit inspiriert Sie?
Aktuell der Unternehmensgründer Carl Miele, ansonsten ganz viele Menschen von Marie Curie über Sophie Scholl bis hin zu Tina Turner, Stephen Hawking oder Steve Jobs. Der hat übrigens mal gesagt: „I got more thrill out of my Miele washing machine than I have out of any piece of high tech in years.“

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?
„Geh nicht nur die glatten Straßen. Geh Wege, die noch niemand ging, damit Du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub.“ Das ist von Antoine de Saint-Exupéry.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen?
Mit einer Ärztin ohne Grenzen.

Was war Ihr bisher größter Erfolg?
Ich mag größte Erfolge nicht, sie sind so vergänglich. Ich denke, es ist die Kontinuität, mit der man seinen Weg geht, die vielen kleinen, aber wichtigen Erfolge – und auch Misserfolge –, die ein großes Ganzes ergeben. Und dass ich mich dabei immer gut in den Spiegel schauen kann.

Was ist das Verrückteste, das Sie je getan haben?
Wahrscheinlich nicht verrückt, aber ein tolles ­Abenteuer, das ich nicht missen möchte: eine zweimonatige Auszeit, die ich zu zweit mit meinem Lebensgefährten auf einem Schiff verbracht habe – von Kroatien über Montenegro nach Griechenland und Italien.

Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
Ich lache täglich mehrmals herzlich. Oft über Kleinigkeiten, oft über irgendwelche „Faxen“ die ich mit meinem Lebensgefährten mache.

Gibt es etwas, dass Sie schon immer ausprobieren wollten, sich bisher aber nicht getraut haben?
Da fällt mir spontan nichts ein. Vielleicht einmal Fallschirmspringen?

Was motiviert Sie, tagtäglich aufzustehen?
Eine wunderbare Beziehung, die ich seit 18 Jahren ­führe, meine Familie und Freunde und das, was ich beruflich bewegen kann. Ich habe eine unglaublich spannende Aufgabe und liebe es, mit Menschen zu kommunizieren! 90 Prozent der Mitarbeiterführung ist Kommunikation – ebenso ist es im Vertrieb. Ich bin Vertrieblerin und Führungskraft aus Leidenschaft.

Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann und ­warum?
Vielleicht ein Delfin, ich liebe diese wunderbaren Tiere. Und ich wäre die ganze Zeit im Wasser. 

ZUR PERSON
Erfahren und immer auf Kurs
Sandra Kolleth startete ihre Karriere nach dem BWL-Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien mit einer Spezialisierung auf Warenhandel und Personalwirtschaft bei Xerox Austria. 1995 stieg sie im Qualitätsmanagement ein, zwei Jahre später wechselte sie in den Vertrieb. 2003 übernahm sie die Marketingleitung, ein weiteres Jahr später wurde sie bereits Mitglied der Geschäftsführung. 2008 übernahm sie dann die Leitung der Xerox Global Services, der Dienstleistungstochter von Xerox Austria, bevor sie 2013 zur General Managerin von Xerox Austria berufen wurde. Nach insgesamt 23 Jahren in dem Unternehmen, dem sie bis dahin ihre ganze Laufbahn gewidmet hatte, entschied sie sich 2018, die Branche zu wechseln, und übernahm im November des Jahres – als erste Frau – die Leitung von Miele Österreich, ­Slowenien und Kroatien.
www.miele.at