Die FREIRÄUME (UN)CONFERENCE ist Österreichs größte Veranstaltung zu neuen Organisations- und Arbeitsformen. © Christine Rechling-Castro
Zwei Tage, 350 Teilnehmer:innen, unzählige Inspirationen und Synergien – Die FREIRÄUME (UN)CONFERENCE 2022 widmete sich dem Spannungsfeld zwischen Entwicklung und Tempo.
Sie haben neue Welten erkundet, Naturgesetze entdeckt, wirtschaftliche und gesellschaftliche Revolutionen angestoßen und ihre Mitmenschen zu neuen Ideen inspiriert. Die Geschichte der Menschheit ist gespickt mit Pionier:innen, die unsere Leben nachhaltig geprägt haben. Wer von ihnen lernen möchte, muss jedoch weder weit in die Vergangenheit noch in die Ferne schweifen.
Zahlreiche Pionier:innen von heute und morgen versammelten sich bei der FREIRÄUME (UN)CONFERENCE von 27. bis 28. Juni in der Grazer Seifenfabrik. Ihre Mission: der intensive Austausch zu neuen Organisations- und Arbeitsformen. Teilnehmer:innen, die sich mit ihrem Status quo nicht zufriedengeben, trafen auf Praktiker:innen aus Pionier-Organisationen, die ihre Erfahrungen mit neuen Wegen der Organisationsgestaltung mit ihnen teilten.
„Bei der FREIRÄUME (UN)CONFERENCE werden Ansätze für die Gestaltung von Organisationen der Zukunft thematisiert“, erklärt Veranstalter Gregor Karlinger. „Die wesentlichen Säulen dabei sind Selbstorganisation, Ganzheit (Mitarbeiter:innen in allen Facetten), unternehmerischer Sinn. Zusammengefasst unter dem Titel: New Work. Jährlich fokussiert die Veranstaltung auf ein spezielles Thema, 2022 beispielsweise auf das Spannungsfeld zwischen Entwicklung und Tempo – bezogen sowohl auf die Organisation als Ganzes als auch auf die einzelnen Mitarbeiter:innen.“
Die teilnehmenden Pionier-Organisationen sind bunt gemischt. Von sehr kleinen bis zu sehr großen Unternehmen, quer durch alle Branchen. „Der Mix an Unternehmen ist inspirierend“, berichtet Jeanny Gucher, Gründerin der Wiener Initiative „our patterns“. „Vom IT-Unternehmen mit 120 Mitarbeiter:innen und Telekommunikationskonzernen wie A1 über dm als Drogeriekette bis zu Bauunternehmen und zur Freien Schule ist alles dabei. Und die Idee von ‚New Work‘, wie die Zusammenarbeit der Zukunft aussehen kann, verbindet sie alle.“
Keynotes mit wertvollen Inhalten
Die neuen Wege der modernen Arbeitswelt spiegeln sich auch im Konzept des innovativen Events wider. Denn die FREIRÄUME (UN)CONFERENCE spielt schon in ihrer Namensgebung ganz bewusst mit dem „Un“. Elemente einer klassischen Konferenz wie beispielsweise zwei Keynotes werden nur moderat eingesetzt, um Impulse zum jährlichen Schwerpunkt zu geben. Für die Veranstalter zählt eben nicht die Quantität der Vorträge sondern die Qualität der Inhalte und Speaker.
Einer von ihnen war der Musiker und Unternehmer Bernhard Kerres. In seiner Eröffnungs-Keynote wurde anhand von Überlegungen aus der Musik thematisiert, wie relevant die Frage des richtigen Tempos auch im unternehmerischen Alltag ist: Wann braucht es eine schnelle Taktung, wann braucht es Entschleunigung und Innehalten, Zeit für Reflexion? Wie schnell kann ein Meeting sein, wenn gegenseitiges Zuhören, um zu verstehen, wichtig ist?
Ebenfalls zu Wort kam Chocolatier und Innovator Josef Zotter. Er thematisierte anhand seiner persönlichen Lebensgeschichte mit vielen Ausflügen in Erfolge und Scheitern, wann Entwicklung im Rückblick zu schnell, zu langsam oder auch gerade im richtigen Tempo verlaufen ist. Der große Geschichtenerzähler hat sein Publikum dabei sehr leidenschaftlich mitgerissen.
Austausch auf unterschiedlichen Ebenen
Der Fokus der FREIRÄUME (UN)CONFERENCE lag jedoch auf dem intensiven Austausch zwischen allen Teilnehmer:innen, und zwar auf unterschiedlichen Ebenen. Viele Programmelemente, wie die „Pionierstationen“ und „Open Spaces“, wurden federführend von den Teilnehmer:innen selbst gestaltet.
„Bei den Pionierstationen treten ca. 30 Organisationen aus allen Bereichen, die schon einige Schritte in Richtung New Work gegangen sind, mit Teilnehmer:innen in Kleingruppen von 5–10 Personen in den Dialog und gehen brisanten Fragen auf den Grund: Was macht die Pionier-Organisation anders als konventionell agierende Unternehmen? Welche Erfahrungen hat sie damit gemacht? Welche Herausforderungen sind damit verbunden?“, erklärt Gregor Karlinger.
Jeanny Gucher zeigt sich von dem Programmelement sichtlich beeindruckt: „Die Mischung an Pionieren, die Ideen aus der New World of Work bereits umsetzen, Unternehmen, die gerade damit starten und Coaches, die solche Prozesse begleiten, ist wirklich perfekt auf der FREIRÄUME (UN)CONFERENCE. Jeder ist mit ganzem Herzen dabei, man spürt überhaupt keine Konkurrenz oder Zurückhaltung, sondern einfach nur Neugier und Lust am Austausch.“
Raum für Ideen
Der Open Space ist jener Platz, in dem die Teilnehmer:innen selbst das Programm gestalten, eigene Fragestellungen gemeinsam bearbeiten oder etwas vorstellen, das ihnen teilenswert erscheint. „Einer der bestbesuchten Open Spaces beschäftigte sich mit der Frage: Change & Mindset – Braucht Agilität ein besonderes Bewusstsein?“, berichtet Jeanny Gucher. „Denn viele Unternehmen setzen inzwischen auf agile Teams, müssen aber oft feststellen, dass bei Weitem nicht alle Mitarbeiter:innen von dieser Idee zu begeistern sind. Ob man die Freiheiten und auch die Verantwortung, die agiles Arbeiten mit sich bringen, wirklich gut nutzen kann, hängt sehr stark davon ab, was einen unbewusst gerade am stärksten motiviert.
Unser Unterbewusstsein kann pro Sekunde 40:000-mal mehr Informationen verarbeiten als unser Verstand und bestimmt damit 95 Prozent aller Handlungen und Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen. Und es entwickelt sich ständig weiter, unser ganzes Leben lang. Wo wir in dieser Entwicklung gerade stehen, bestimmt, wie wir unsere Zusammenarbeit erleben und gestalten.
Wenn mein Unterbewusstsein also zurzeit besonders gerne eigenständig agiert und selbst gestalten möchte, wird mich die Selbstorganisation in einem agilen Team beflügeln. Falls mich die Verantwortung für Entscheidungen aber eher überfordert, weil ich in meiner Entwicklung dort einfach noch nicht angekommen bin – auch wenn mein Verstand und mein Teamlead gerne das Gegenteil glauben wollen – werde ich recht schnell ein Motivationsproblem spüren.“
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Am 19. September 2022, zwei Monate nach dem persönlichen Treffen, haben die Teilnehmer:innen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen gemeinsam virtuell Revue passieren zu lassen und sich über bereits erfolgte Schritte auszutauschen. Und auch der nächste Termin steht bereits fest: Die FREIRÄUME (UN)CONFERENCE 2023 findet von 12.–13. Juni statt und verspricht zwei weitere Tage voll Inspiration und Synergien. (BO)
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