Fast ein Drittel der Betriebe beschäftigt keine Älteren © APA - Austria Presse Agentur

Angesichts der demografischen Entwicklung und des steigenden Pensionsantrittsalters fordern Arbeiterkammer (AK) und Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) ein Maßnahmenpaket, damit Menschen über 60 länger in Beschäftigung bleiben. Zentrales Element ist ein Bonus/Malus-System, das Betriebe für die Beschäftigung älterer Menschen belohnen und bei Verweigerung bestrafen soll. Kritik kam von ÖVP- bzw. Wirtschaftskammer und NEOS-Seite. Die Grünen freuten sich.

"30 Prozent der mittleren und größeren Betriebe mit mindestens 20 Arbeitnehmern, das sind 7.400 Betriebe, beschäftigen keinen einzigen Älteren, also weder Mann noch Frau ab 60", sagte der Leiter der Abteilung Sozialversicherung in der AK Wien, Wolfgang Panhölzl, am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien. Laut AK und ÖGB liegt der Anteil der 60- bis 64-Jährigen an der Gesamtbelegschaft derzeit bei lediglich rund fünf Prozent - mit massiven Unterschieden zwischen Branchen und Betrieben. "Es geht um die Herausforderung, in der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen - das sind in der Bevölkerung etwa 700.000 Personen - in den nächsten Jahren 100.000 Arbeitnehmerinnen in Beschäftigung zu bringen", sagte Panhölzl.

Während im Bau- oder Gastgewerbe teils hunderte Betriebe keine einzige Person über 60 beschäftigen, gibt es andererseits auch Unternehmen, die überdurchschnittlich viele Ältere anstellen. Diese Ungleichverteilung zeigt laut Panhölzl, dass strukturelle Maßnahmen nötig seien, um das vorhandene Potenzial besser zu nutzen.

Durchschnittliches Pensionsalter steigt

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter sei seit dem Jahr 2000 bei Männern von 58,5 auf 62,4 Jahre gestiegen, bei den Frauen von 56,8 auf 60,4. Laut AK waren 2024 in der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen nur 22,8 Prozent der Frauen beschäftigt (76.000 von 340.000) und 45,6 Prozent der Männer (rund 150.000 von 330.000). Bis 2030 sollen laut Regierungsprogramm zusätzlich über 100.000 Personen dieser Altersgruppe beschäftigt werden, was einer Verdoppelung der Älterenquote entspräche. Doch von diesem Ziel sei man weit entfernt.

Die angestrebte Gleichstellung beim Pensionsalter führe dazu, dass Frauen künftig länger arbeiten müssten. Dafür brauche es aber altersgerechte Arbeitsplätze, betonte ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Helene Schuberth. In vielen Branchen gebe es kaum Umstiegsmöglichkeiten von schweren auf leichtere Tätigkeiten.

Gezielte Förderung statt pauschaler Beitragserleichterungen

AK und ÖGB fordern deshalb neben dem Bonus/Malus-System unter anderem ein transparentes Monitoring der Älterenquoten, gezielte Förderungen statt pauschaler Beitragserleichterungen für Betriebe sowie rechtlich verankerte Maßnahmen zur Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen. Betriebe, die Ältere beschäftigen, sollen finanziell profitieren - die anderen sollen zur Kasse gebeten werden.

Darüber hinaus fordern die Arbeitnehmervertreter unter anderem eine Verbesserung der Rehabilitations- und Präventionsangebote, erzwingbare Betriebsvereinbarungen zur Umsetzung von alternsgerechten Arbeiten sowie Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung, verbindliche Grenzwerte für das Bewegen schwerer Lasten und mehr Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose.

Grüne erfreut, harsche Kritik von ÖVP- und Grünen-Vertretern

Rückenwind für den AK/ÖGB-Vorstoß kam von der Oppositionspartei Grüne. Deren Arbeits- und Sozialsprecher Markus Koza verwies auf einen entsprechenden Antrag seiner Partei "in der letzten Nationalratssitzung auf Erarbeitung eines Bonus-Malus-Systems zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer:innen". Dieser sei aber "leider" von den Regierungsparteien abgelehnt worden.

Von Vertretern der Koalitionsparteien NEOS und ÖVP, erfolgte hingegen Kritik am Vorstoß der den Sozialdemokraten nahen Arbeitnehmer-Sozialpartner. So verwies der Generalsekretär der Wirtschaftskammer (WKÖ), Jochen Danninger (ÖVP), auf ein im Regierungsprogramm ohnehin verankertes Fördersystem für gesundes und längeres Arbeiten. "Von einem Bonus-Malus-System ist dort nichts zu lesen." Auch sieht er einen Mehraufwand für Unternehmen in dem "ideologisch motivierten Bestrafungsmodell". "Ein derart bürokratisches System ist nicht nur unnötig, sondern auch schädlich." Um ältere Arbeitslose zu unterstützen, sollten AMS-Instrumente wie die Eingliederungsbeihilfe ausgebaut werden.

Johannes Gasser, NEOS-Sprecher für Arbeit und Soziales: "Es ist der falsche Zugang, in einer wirtschaftlich ohnehin schwierigen Situation neue Strafen für Betriebe zu erfinden." Es brauche "Anreize für beide Seiten".

Kritik aus der Wirtschaft

Erst am Donnerstag hatte UNIQA-CEO Andreas Brandstetter an die Sozialpartner und die politischen Parteien appelliert, das Thema des längeren Arbeitens ernsthaft anzugehen. Es sei dringend nötig, über den Schatten zu springen, Dinge anders zu machen als bisher. Ein Automatismus, angepasst zur steigenden Lebenserwartung wie in Dänemark, sei jedenfalls angebracht. "Wie eine Riesenlast sitzen die Ausgaben für Pensionen auf diesem Land." Die Fakten seien erdrückend, auch die Unternehmen müssten bereit und dabei sein, damit die Menschen länger gesund arbeiten können.