Karl Heinz Grasser beim Eintreffen im Gericht © APA - Austria Presse Agentur
Im OGH-Berufungsverfahren rund um die Verurteilung von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Buwog-Prozess haben sich am Donnerstag die Verteidiger auf die seinerzeitige Richterin im Strafverfahren, Marion Hohenecker, eingeschossen. Sie sei für das Verfahren, in dem Grasser 2020 acht Jahre Haft nicht rechtskräftig ausgefasst hatte, gar nicht zuständig gewesen und habe sich über das Recht gesetzt, lautete der Vorwurf am ersten Verhandlungstag im Wiener Justizpalast.
Der Prozess am Landesgericht Wien mit der nicht rechtskräftigen Verurteilung von Grasser im Dezember 2020 sei "politisch motiviert" gewesen, das 1.300 Seiten lange Urteil werde "einer Prüfung nicht standhalten", so die Sicht von Grasser-Anwalt Manfred Ainedter. Und Kollege Norbert Wess ergänzte: "Das Verfahren war nicht fair". Es habe einen objektiven Anschein der Befangenheit der Richterin gegeben. Wess führte etwa aus, dass die Verteidigung und die Angeklagten bei der Sitzordnung benachteiligt worden seien. Ebenfalls kritisiert wurden von Wess umfangreiche Bild- und Tonaufnahmen im Gericht, auch in den Pausen.
Anwalt Dohr: In dem Verfahren gibt es nur Verlierer
Anwalt Michael Dohr, der heute vor dem Senat 14 des Obersten Gerichtshofes (OGH) den Zweitangeklagten Walter Meischberger vertrat, betonte, dass es in dem Verfahren nur Verlierer geben werde - selbst bei Freisprüchen. Dies sei der langen Verfahrensdauer und der medialen Vorverurteilung geschuldet. Richterin Hohenecker sei voreingenommen gewesen, es habe des Weiteren Verfahrensmängel gegeben. Fazit von Dohr: "Man kann zumindest Gerechtigkeit walten lassen und meinen Mandanten freisprechen." Kurz hielt sich am Donnerstag die Rechtsvertretung des Angeklagten Ex-Lobbyisten Peter Hochegger, wobei der Beschuldigte selbst aufgrund von gesundheitlichen Problemen vom Obersten Gerichtshof entschuldigt war.
Umso ausführlicher nahm sich dann Otto Dietrich, Anwalt von Ex-Immofinanzchef Karl Petrikovics, Zeit für seine Ausführungen. Er ortete eine Vorverurteilung der Beschuldigten durch Richterin Hohenecker, außerdem seien ihr handwerkliche Fehler unterlaufen, wie bei der Unterscheidung des Kaufpreises der Buwog und der Gesamtkosten. Nach den Ausführungen von Dietrich beendete Senatsvorsitzende Christa Hetlinger den ersten Verhandlungstag. Am Freitag geht es um 10.00 Uhr weiter.
Urteil für Montag erwartet
Grasser-Anwalt Ainedter meinte anschließend, er rechnet mit einem Urteil des OGH am Montag. Grasser selbst blieb vor, während und nach der Verhandlung schweigsam. Die Mittagspause verbrachte er gemeinsam mit seinem Trauzeugen Meischberger.
In dem Verfahren beim Obersten Gerichtshof in Wien geht es um die Privatisierung von rund 60.000 Bundeswohnungen im Jahr 2004, bei dem sich laut Urteil des Schöffensenates von 2020 Grasser und Freunde auf Kosten der Republik illegal bereichert haben sollen - was sie bestreiten. Weiters geht es um angebliche Schmiergeldzahlungen rund im die Einmietung der Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower und Ungereimtheiten bei der teilstaatlichen Telekom Austria.
Mit ins Rollen gebracht hat die Causa die mittlerweile verstorbene grüne Politikerin Gabi Moser. Daran erinnerte heute Parteichef Werner Kogler. "Ohne dich hätte es diesen Prozess wahrscheinlich nie gegeben. Danke Gabi", so Kogler.
Großes Medieninteresse zum Prozessstart
Den Prozesstag heute eröffnete die Berichterstatterin des OGH-Senates. Sie führte aus, dass Grasser der Vorwurf der Untreue und Korruption als unmittelbaren Täter betreffe. Grasser habe in Wien und an anderen Orten seine Befugnisse wissentlich zum Schaden der Republik missbraucht. Der Start des Verfahrens am Donnerstag begann im Wiener Justizpalast unter großem Medieninteresse. Auf den Zuschauerrängen blieben noch einige Plätze leer. Der Berufungsprozess am OGH ist für insgesamt vier Tage anberaumt. Für den Hauptangeklagten Grasser geht es um viel, er wurde im Dezember 2020 zu acht Jahren Haft verurteilt, sein damaliger Freund und Lobbyist Meischberger erhielt sieben Jahre.
Die Verhandlung am OGH ist der (vorläufige) Schlussstrich unter einen Immobiliendeal, der seit nunmehr 21 Jahren die Republik beschäftigt. Damals gingen die rund 60.000 Bundeswohnungen um 961 Mio. Euro an ein Konsortium rund um die Immofinanz, der unterlegene Bieter CA Immo hatte gerade einmal 1 Mio. Euro weniger für die Wohnungen geboten. Dass diese Privatisierung möglicherweise geschoben war, stellte sich ein paar Jahre später heraus, als bekannt wurde, dass zwei Grasser-Freunde - Meischberger und Hochegger - bei dem Immofinanz-Deal 9,6 Mio. Euro an Provision mitgeschnitten hatten. Die Frage lautete danach: Hatte Grasser seinen Freunden, die die Immofinanz berieten, verraten, wie hoch das Angebot für einen Zuschlag sein müsse und damit die Republik geschädigt? Der Ex-Finanzminister verneint das bis heute.