Bemühungen um Mercosur-Deal gehen weiter © APA - Austria Presse Agentur

Der Abschluss des umstrittenen Handelsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay ist weiter ungewiss. Während in Europa vor allem Frankreich und Österreich die Mauer machen, zeigt sich Brasilien optimistisch, den Deal noch heuer über die Bühne zu bekommen. "Die Grundstimmung ist positiv, man möchte abschließen", berichtete der Wirtschaftsdelegierte in Brasilien, Günther Sucher, im APA-Interview.

Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva glaube "an einen Abschluss im November, und was Lula sagt, zählt normalerweise", sagte Sucher. Die anderen Länder des Mercosur-Staatenbundes würden dabei nicht bremsen. Sucher gibt allerdings zu bedenken: "Ob es sich zeitlich ausgeht, ist eine politische Frage." Lula erklärte zuletzt, nun sei die EU am Zug, die Verhandlungen abzuschließen.

Mit dem Abkommen würde eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Einwohnern entstehen. Es soll vor allem Zölle abbauen und damit den Handel ankurbeln. Seit 2019 liegt das fertig ausgehandelte Abkommen allerdings auf Eis. Der Vertrag ist sowohl in Südamerika als auch in Europa - wie vor allem in Österreich oder Frankreich - umstritten. Einige Länder wollen ihre Märkte schützen, andere befürchten die Aufweichung von Arbeits- oder Umweltstandards.

Die Befürchtungen aus der heimischen Landwirtschaft, von Billigfleisch aus der Region überschwemmt zu werden, kann Sucher nicht nachvollziehen. Dabei verweist der Wirtschaftsdelegierte auf die in dem Abkommen ausverhandelte Quoten, beispielsweise bezüglich Rindfleisch. Davon würden mit dem Abkommen 99.000 Tonnen pro Jahr zoll-gesenkt oder -frei in die EU gelangen - auf Österreich gemünzt wäre das "ein Steak pro Jahr" (220 Gramm), so Sucher.

Auch die Sorgen betreffend der Arbeits- oder Umweltstandards hält Sucher für "übertrieben". So müssten alle Lebensmittel, die in die EU importiert werden, ohnedies strengste Importrichtlinien einhalten. Das Abkommen würde zudem eine "Stärkung der Arbeitnehmerrechte" in diesen Ländern bedeuten. In Brasilien sei in den vergangenen Jahren schon einiges reguliert worden, "was die Umsetzung in die Praxis betrifft, ist eine andere Frage", räumte Sucher ein.

Ein Scheitern des Abkommens wäre auf jeden Fall eine "vertane Chance" für die EU und bringe Wettbewerbsnachteile, schätzt der Wirtschaftsdelegierte. China habe bereits die USA und die Europäische Union überholt und sei jetzt wichtigster Handelspartner Brasiliens.

Luft nach oben sieht Sucher auch in den Handelsbeziehungen zwischen Österreich und Brasilien. Neuesten Schätzungen zufolge dürfte das südamerikanische Land heuer drei Prozent Wirtschaftswachstum verzeichnen - nicht außerordentlich, aber stabil. Chancen für österreichische Unternehmen ortet der Wirtschaftsdelegierte im Bereich Wohnbau, Infrastruktur sowie Umweltinfrastruktur.

Im vergangenen Jahr exportierte Österreich Waren im Wert von gut einer Milliarde Euro nach Brasilien, importiert wurden Waren im Wert von 380 Mio. Euro. Im Ländervergleich ist der Export allerdings gering: 2023 gingen gerade einmal 0,5 Prozent der heimischen Exporte nach Brasilien.

"In Summe glaube ich, dass Brasilien mittelfristig zunehmend ein wichtiger Partner wird - rein aufgrund der Rohstoffproduktion", betonte Sucher. Das Land verfüge weltweit über die achtgrößten Rohstoffvorkommen und ist mittlerweile der achtgrößte Erdölproduzent - 2040 soll es schätzungsweise bereits auf Platz fünf liegen.

Um Lateinamerika mehr in den Mittelpunkt zu rücken, veranstaltet die Wirtschaftskammer am heutigen Montag den Latin America Day. Dabei werden mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Österreich und über 20 lateinamerikanischen Staaten erwartet. Analysen des International Trade Center (ITC) weisen laut WKÖ für heimische Unternehmen in den Ländern Lateinamerikas ein zusätzlich nutzbares Exportpotenzial von rund 2,8 Mrd. US-Dollar (2,58 Mrd. Euro) aus.