Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) will die Kritik des gewerkschaftsnahen Momentum Instituts, wonach es bei den Coronahilfen für Unternehmen zu massiven Überförderungen gekommen sei, so nicht gelten lassen. "Einzelfälle gibt es wahrscheinlich in beide Richtungen", sagte Brunner im ORF-"Mittagsjournal". Wenn Unternehmen etwas zu Unrecht bekommen hätten, werde man das zurückverlangen.

Das Momentum Institut hat sich die EU-Beihilfentransparenzdatenbank und die Jahresabschlüsse von österreichischen Unternehmen angesehen und kommt zu dem Schluss, dass vor allem Österreichs Gastronomie und Hotellerie viel zu hohe Coronahilfen erhalten haben. Viele Unternehmen hätten dadurch sogar ihre Gewinne steigern können, sagen die Momentum-Ökonomen und empfehlen eine Sondersteuer ("Überförderungsabgabe"), um diese Gewinne wieder abzuschöpfen.

"Wir haben uns 502 Unternehmen genauer angeschaut und es zeigt sich, dass über 367 Unternehmen Gewinne geschrieben haben", sagte Momentum-Ökonom Oliver Picek im ORF-"Morgenjournal". Ausgewertet wurden die Jahresabschlüsse für das Jahr 2020. "Das deutet stark auf Überförderung hin", so Picek.

Es sei möglich, dass es in einzelnen Monaten zu Überförderungen gekommen sei, räumte der Finanzminister ein, "aber wichtig ist schon, sich den gesamten Zeitraum anzusehen, und hinter jedem dieser Betriebe stehen ja auch Arbeitsplätze, die man retten musste." Bisher habe man von mehr als 1.200 Unternehmen freiwillig insgesamt rund 15 Mio. Euro zurückerhalten, die zu viel an Förderungen ausbezahlt worden seien. Eine Sondersteuer, wie sie Momentum fordert, lehnt Brunner ab. "Ich bin für Steuersenkungen und nicht für zusätzliche Belastungen."

Für die Wirtschaftskammer sind die Momentum-Zahlen weder nachvollziehbar noch repräsentativ. "Momentum führt 367 Betriebe an, die Gewinne erzielt hätten. Zur Relation: Nach uns vorliegenden Zahlen haben mindestens 150.000 heimische Betriebe Wirtschaftshilfen erhalten", heißt es aus der WKÖ. "Aufgrund der hohen Betroffenheit des Tourismus dürften unserer Schätzung nach rund 38.000 Förderwerber aus dem Tourismus kommen." Die raschen Wirtschaftshilfen seien nicht nur notwendig gewesen, um die Liquidität und Existenz der Betriebe zu sichern, sondern damit auch tausende Arbeitsplätze.

Neue Zahlen zu den Coronahilfen sind in die Datenbank der EU-Kommission Ende Dezember 2021 eingespielt worden. Es zeigt sich laut "Standard" (Donnerstagausgabe), dass auch Branchen gefördert wurden, die gar nicht in der Krise waren - etwa ein Supermarkt, eine Drogeriekette und Elektrohändler. Auch hätten jene Unternehmen besonders hohe Zuschüsse bekommen, die ihre wirtschaftlichen Aktivitäten über mehrere Gesellschaften betreiben.

Untersucht wurden von Momentum nur Unternehmen, die höhere Förderungen bekommen haben, weil staatliche Hilfen erst ab 100.000 Euro veröffentlicht werden müssen. Auch die geförderte Kurzarbeit ist in die Berechnungen nicht eingeflossen. Das Momentum-Institut empfiehlt die Einführung einer Sondersteuer ("Überförderungsabgabe"), um überhöhte Förderungen wieder in den Staatshaushalt zurückzuführen. "Mit Steuergeld steigende Gewinne zu subventionieren, geht eindeutig am Zweck vorbei."

Der Momentum-Forderung nach einer Sonderabgabe schloss sich auch der stv. SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried an. "Während viele kleine und mittlere Betriebe noch immer auf Unterstützung warten, haben manche Große mit den Hilfen aus Steuergeld das Geschäft ihres Lebens gemacht - auch jene mit guten Kontakten zur ÖVP", so Leichtfried. Die Regierung müsse die Coronahilfen sofort umstellen. "Es wäre nie so weit gekommen, hätte die Regierung nicht das Epidemiegesetz ausgehebelt", sagte Leichtfried laut Mitteilung. "Man hätte ein einfaches, klares Modell schaffen können, in dem alle Unternehmen eine großzügige Akontozahlung erhalten, aber am Ende des Jahres bei der Einkommenssteuererklärung abgerechnet wird."

Der Wifo-Ökonom Werner Hölzl betonte gegenüber dem "Kurier" (Donnerstagausgabe), dass man für präzise Modellrechnungen Informationen zu allen Unternehmen bräuchte, Daten für kleinere und mittlere Betriebe aber dem Datenschutz unterliegen würden und daher nicht in der Transparenzdatenbank erfasst seien. "Wir hoffen, dass die Wissenschaft in Zukunft zur Klärung solcher Fragen wieder besseren Zugang zu Daten bekommt", sagte Hölzl. "Dann werden gewisse Debatten vielleicht weniger heftig ausgetragen, weil sie auf einer rationalen Basis stehen." Bisherige Analysen von Förderungen würden darauf hindeuten, dass es "in den meisten Fällen nicht zu einer Überförderung gekommen sein dürfte", so Hölzl.

Für die KPMG-Steuerberaterin Verena Trenkwalder, Präsidentin der Steuerberater in Oberösterreich, ist es "keine Frage, dass manche überfördert und manche unterfördert wurden". So sei der Umsatzersatz im November 2020, der 80 Prozent des ausgefallenen Umsatzes ersetzt habe, "wirklich ein bisschen schiefgegangen", sagte Trenkwalder dem ORF-Radio. "Das war sicher zu hoch."

Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria beurteilt die Coronahilfen als grundsätzlich richtig. Dass geförderte Unternehmen hohe Gewinne einfahren, zeige aber, dass es die Regierung nicht geschafft habe, ihre Hilfsmaßnahmen richtig aufzustellen. Im Gegensatz dazu seien etwa in Deutschland die Kurzarbeitszahlungen beim Umsatzersatz gegengerechnet worden. "Eine rechtlich einwandfreie Rückforderung der ja zu Recht erhaltenen Corona-Hilfen wird nur schwer umzusetzen sein", sagte Agenda-Ökonom Marcell Göttert dem "Standard".

(APA)