Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz gibt sich abwartend © APA - Austria Presse Agentur

Vor den Anfang August drohenden deutlich höheren US-Zöllen steigt die Nervosität. Die EU spielt laut Diplomaten ein wesentlich umfangreicheres Paket mit möglichen Gegenmaßnahmen durch, die sich auch gegen amerikanische Internet-Riesen richten könnten. Sollte es mit den USA nicht wie geplant bis Ende Juli eine Verständigung geben, seien immer mehr EU-Staaten bereit, härter zurückzuschlagen, hieß es von den Diplomaten.

Dazu gehöre auch Deutschland, das sich bisher zurückhaltender gab als das kleine Österreich oder das mächtige Frankreich. "Es wird keinen Deal um jeden Preis geben", hatte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) zuletzt gesagt. Doch der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will eine Eskalation im Handelsstreit vermeiden, der sich schon seit dem Frühjahr hinzieht. EU-Gegenmaßnahmen soll es demnach nicht vor dem 1. August geben und nur, wenn die Gespräche scheitern.

Thema bei Deutschland-Besuch Macrons

Merz hat sich am Wochenende laut Regierungssprecher Stefan Kornelius eng mit der EU-Kommission abgestimmt. "Die Verhandlungen sind intensiv, sie liegen federführend bei der Kommission, da belassen wir es." Die deutsche Bundesregierung stehe hinter den Vorschlägen der Kommission. Das Thema werde auch beim Deutschland-Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Mittwoch angesprochen.

Was bisher geschah

Lange sah es so aus, als ob Europa mit pauschalen Zöllen von zehn Prozent auf Exporte in die USA davonkommen könnte. US-Präsident Donald Trump drohte zuletzt aber mit 30 Prozent ab August. Ein solches Niveau würde laut EU-Handelskommissar Maros Sefcovic den gegenseitigen Handel weitgehend zum Erliegen bringen. Diplomaten zufolge hat er den 27 EU-Staaten am Freitag einen ernüchternden Bericht seiner jüngsten USA-Reise gegeben. Ein Diplomat sagte, es scheine kaum Spielraum zu geben, die noch höheren Sonderzölle für einzelne Branchen - 50 Prozent auf Stahl und Aluminium sowie 25 Prozent auf Autos - wegzubekommen oder massiv zu senken. Auch die Idee eines Verzichts auf weitere Zölle nach einer Verständigung sei in Washington abgelehnt worden.

Die EU hatte ein erstes Paket mit Gegenmaßnahmen auf einen Warenkorb von US-Exporten im Volumen von 21 Milliarden Euro geschnürt. Dies ist aber noch bis zum 6. August ausgesetzt. Ein zweites Paket, das sich auf US-Güter im Wert von 72 Milliarden Euro bezieht, wird derzeit abgestimmt. Im Raum steht nun auch, US-Dienstleistungsfirmen anzugehen. Sie könnten bei Investitionen behindert werden oder schwieriger an öffentliche Aufträge kommen. Frankreich setzt sich seit längerem für diese härtere Gangart ein, die manche Beobachter als "nukleare Option" bezeichnen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuletzt gesagt, dies sei für außergewöhnliche Situationen vorgesehen. "Hier sind wir noch nicht."

Weitere Verschiebung nicht ausgeschlossen

US-Finanzminister Scott Bessent, der eine wichtige Rolle in den Verhandlungen mit der EU spielt, sagte in einem CNBC-Interview, es gehe eher um die Qualität von Handelsdeals als die Geschwindigkeit. "Wir werden nichts überstürzen, nur um einen Deal zu machen." Trump werde entscheiden, ob die Frist von Anfang August angepasst werden müsse. Weil aber nicht alle Sonderzölle der USA ausgesetzt sind, würde eine abermalige Verschiebung die europäische Industrie viel Geld kosten. In der Bundesregierung hieß es deswegen zuletzt, die Wirtschaft dringe auf eine schnelle Lösung, auch wenn sie mit Nachteilen verbunden sei.