Claus J. Raidl ist gestorben (Archivbild) © APA - Austria Presse Agentur
Der ehemalige Top-Manager Claus Raidl ist am Dienstag nach schwerer Krankheit im Alter von 82 Jahren gestorben. Das teilte die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) am Dienstag in einer Aussendung mit. Das 1942 geborene ÖVP-Urgestein war aus der Stahlbranche sowie als Präsident des Generalrates der OeNB bekannt. Raidl setzte sich noch im bereits fortgeschrittenen Alter international weiterhin für den Standort Österreich ein. Die politischen Spitzen der Republik kondolierten.
"Das Ableben von Claus J. Raidl macht mich tief betroffen", teilte Bundespräsident Alexander van der Bellen in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA mit. "Er hat während seiner langen und erfolgreichen Laufbahn als Wirtschaftsmanager Österreichs Wirtschaftspolitik und die heimische Industrie nachhaltig geprägt - dabei hatte er mehr als nur einmal schwierige Aufgaben zu meistern."
Geboren in der Obersteiermark
Raidl prägte die österreichische Industrie und Wirtschaftspolitik über viele Jahrzehnte. Vor allem der Stahlindustrie der Region um seinen Geburtsort Kapfenberg in der Steiermark war er eng verbunden. Nach dem Studium der Handelswissenschaften und einigen Stationen im Banken- und Versicherungsbereich wechselte er 1986 zur damaligen VOEST-ALPINE, wo er Finanzvorstand und später Vorstandsvorsitzender des Konzerns war.
Von 1991 bis 2010 war Raidl Vorstandsvorsitzender der Böhler-Uddeholm. Von 2007 bis 2010 war Raidl zudem Mitglied des Vorstandes der voestalpine AG. Von September 2008 bis Ende August 2018 stand er als Präsident dem Generalrat der OeNB vor.
Raidl hat laut voestalpine-Kondolenzaussendung begonnen als Böhler-Uddeholm-Chef und dann in der Voest "die erfolgreiche Restrukturierung der österreichischen Stahlindustrie ab den 1980er-Jahren entscheidend mitgeprägt". Damit habe Raidl "maßgeblichen Anteil an der erfolgreichen Neupositionierung dieses für unser Land so wichtigen Industriebereichs", so dessen langjähriger Weggefährte Wolfgang Eder, nunmehriger voestalpine-Aufsichtsratschef.
"Große Persönlichkeit"
"Claus J. Raidl hat in seinen beiden Amtsperioden eine international besonders anerkannte und moderne Notenbank geformt", erinnert der nunmehrige OeNB-Präsident Harald Mahrer an seinen Vorgänger. Raidl sei "in jeder Hinsicht ein Vorbild" und in der Notenbank "mehr als ein Aufsichtsratsvorsitzender" gewesen. "Er war eine große Persönlichkeit und unterstützte mit seinen weitreichenden Kenntnissen und Erfahrungen das Direktorium der OeNB", so Mahrer. "Seinem Leadership zu folgen, hieß ans Ziel kommen."
Raidl setzte sich auch noch im fortgeschritteneren Alter international für den Standort Österreich ein, war er doch Sprecher der früheren Organisation "21st Austria", die in den Welt-Finanzmetropolen auftrat, um Investoren für heimische, börsennotierte Firmen zu gewinnen. "Österreich positioniert sich dabei als EU-Land, das regional - also in Ostmitteleuropa und am Balkan - aber auch innerhalb der Union durchaus eine Rolle spielt", sagte Raidl dazu seinerzeit der APA in New York City.
Großkoalitionär und Antifaschist
Das wortgewaltige ÖVP-Urgestein war auch Vizepräsident des Europäischen Forum Alpbach. Dort sagte Raidl einmal anlässlich der Eröffnung: "Dogmen muss man immer hinterfragen." Politisch galt Raidl - dann doch recht dogmatisch - als überzeugter Großkoalitionär. Einen frischen Wind verbreiteten seiner Ansicht nach die NEOS, wie er hin und wieder als Seitenhieb bemerkte, doch blieb er seiner ursprünglichen, konservativen politischen Überzeugung stets treu.
Raidl war laut dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) bis kurz vor seinem Tod dort ein aktiver Vizepräsident. "Claus Raidl war ein großer Unterstützer des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes. Er war ein Brückenbauer und aufrechter Antifaschist", so DÖW-Stiftungsratsvorsitzender Michael Häupl, der frühere Wiener SPÖ-Bürgermeister, in einer Aussendung. DÖW-Leiter Andreas Kranebitter: "Raidl beeindruckte neben seiner fachlichen Expertise durch seinen menschlichen Umgang."
Zu den Aufgaben des DÖW sagte Raidl anlässlich des 60. Gründungsjubiläums der Organisation: "Für die Vergangenheit sind wir einfach ein historischer Leuchtturm. Wenn man etwas braucht, dann kommt man zu uns. Und was die aktuelle Situation betrifft, braucht man uns - und jetzt sag ich dazu: leider - auch."
Herz für Forschung
Für Bundeskanzler Karl Nehammer war "Raidl nicht nur ein herausragender Manager und Visionär, sondern auch stets ein sehr politischer Mensch und kritischer Geist. Sein Wort hatte Gewicht", schrieb der ÖVP-Chef auf "X".
Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP) erinnerte auch an Raidls Einsatz für den Forschungsstandort Österreich: "Ohne ihn wäre die Entwicklung und das Gedeihen des Spitzenforschungsinstituts ISTA in dieser Form nicht möglich gewesen. Vor allem die Ausbildung durch Forschung in einer besonderen Innovationsumgebung war ihm ein Anliegen." ÖVP-Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher: "Mit Claus Raidl verliert Österreich einen Wohltäter, der Zeit seines Lebens immer auch ein offenes Ohr für soziale Fragen hatte." Für den designierten Nationalbankgouverneur sei er persönlich ein "wertvoller, weiser und humorvoller Ratgeber" gewesen.