Den geplanten EU-weiten Ausstieg aus russischem Gas sieht Wifo-Chef Gabriel Felbermayr kritisch. Das Herunterfahren auf Null schaffe neue Abhängigkeiten, sagte der Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung der Deutschen Presse-Agentur. "Ein gewisses gemischtes Portfolio sollte es in einer dann hoffentlich herrschenden Nachkriegswelt sein und nicht eines, das sich nur auf amerikanisches Flüssiggas kapriziert", sagte Felbermayr.

Österreich, das im Gegensatz zu Deutschland noch russisches Gas erhält, setze offenkundig auf Zeit und mittelfristig auf ein Ende des Krieges. "Viele hoffen, dass 2027 der Ukraine-Krieg längst vorbei ist und dass man einen neuen Modus vivendi hat", sagte Felbermayr. Der Forscher hält es für falsch, Österreich angesichts hoher Importanteile von russischem Gas eine Abhängigkeit zu unterstellen. "Im Sommer 2022 hat das Land bewiesen, dass es seine Speicher ohne russisches Gas füllen kann."

Im vergangenen Jänner lag der Anteil russischen Gases beim Import nach Österreich bei knapp 50 Prozent. "Was wir alle nicht wollen, ist, dass der Kreml mit dem Gasverkauf hohe Devisen einnimmt", sagte Felbermayr. Deshalb sei er nach wie vor für einen Import-Zoll auf russisches Gas, der den Rohstoff bei Neuverträgen mit Moskau unattraktiver machen würde.

Nicht zuletzt angesichts der EU-weit sehr gut gefüllten Gasspeicher - in Österreich sind die Speicher immer noch zu 67 Prozent gefüllt (März 2022: 12 Prozent) - sieht Felbermayr kaum eine Gefahr für rasant steigende Gaspreise. Das Preisniveau liege nur noch bei etwa dem doppelten Wert wie vor dem Ukraine-Krieg. "Viel weiter kann der Preis nicht mehr sinken, aber er wird auch keine ähnlichen Sprünge hinlegen wie 2022."

Dass die Industrie ihrerseits keine Konzepte für einen Ausstieg aus dem Gas parat habe, liege zum Teil daran, dass die fossilen Brennstoffe nicht teuer genug seien, präzisiert Felbermayr am Freitag im Ö1-Mittagsjournal. "Und was ganz wichtig wäre in Europa: Gas wird nachhaltig sehr teuer bleiben und immer teurer werden. Das muss die Industrie verstehen aber auch politisch in aller Klarheit gesagt werden, damit es sich auch rechnet, aus diesen Technologien auszusteigen." Es fördere nicht den Willen zum Umstieg, wenn jeder glaube, es wäre genügend Gas zu einem entsprechenden Preis vorhanden.

(APA)