Preis-Spitze noch nicht erreicht © APA - Austria Presse Agentur

2024 war für Goldinvestoren ein ausgesprochen gutes Jahr: Mit rund 2.620 Dollar je Feinunze (etwa 31,1 Gramm) ist das Edelmetall um knapp 27 Prozent mehr wert als zu Jahresbeginn. "Wir hatten mit unserem Goldpreismodell letztes Jahr 2.660 Dollar prognostiziert", freut sich Goldexperte Ronald Stöferle über seine Beinahe-Punktlandung. "Ich kann mir vorstellen, dass wir die 3.000 Dollar im nächsten Jahr sehen", sagte Stöferle im Gespräch mit der APA.

Den bisherigen Höhepunkt von rund 2.790 Dollar je Feinunze (etwa 31,1 Gramm) erreichte der Goldpreis Ende Oktober kurz vor der Präsidentenwahl in den USA. "Unser langfristiges Kursziel, und das haben wir ja schon 2020 verkündet und dafür viel Kritik eingeheimst, ist 4.800 US-Dollar - und da bleiben wir ganz klar drauf", sagt Stöferle, dessen Anlage- und Vermögensverwaltungsgesellschaft Incrementum mit Sitz in Liechtenstein jedes Jahr ihren in der Branche sehr beachteten Report "In Gold We Trust" publiziert.

Langfristiger Kaufkraft-Erhalt als zentrale Rolle von Gold

Trotz des derzeitigen Höhenfluges von Gold gilt: "Gold wird einen nicht von heute auf morgen reich, aber auch nicht arm machen", so Stöferle. "Die zentrale Rolle von Gold ist der langfristige Kaufkrafterhalt und die Kaufkrafterhöhung über lange Zeiträume. Wieso? Weil der Goldbestand jedes Jahr lediglich mit 1,5 Prozent anwächst."

Anders als klassische Rohstoffe, die verbraucht werden, sei Gold ein Bestandsgut, erklärte Stöferle. Derzeit betrage der Bestand rund 215.000 Tonnen, und jedes Jahr kämen etwa 3.600 Tonnen dazu. "In Relation zum gesamten Bestand, der im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende aus dem Boden geholt wurde, ist die jährliche Förderung sehr gering."

Bitcoin-Wert in einem Jahr mehr als verdoppelt

Ähnlich sei es bei der Kryptowährung Bitcoin, die Gold nachempfunden sei und auch nicht beliebig inflationiert werden könne. Das sei zwar auch z.B. bei Oldtimern, Rolex-Uhren, alten Weinen und Gemälden so - "aber die sind nicht liquide, die sind nicht fungibel, die sind nicht teilbar, und da gibt es keinen richtigen globalen Markt dafür." Deshalb falle die Wahl der Investoren neben Gold zunehmend auch auf Bitcoin. Der Wert eines Bitcoin hat sich seit dem 1. Jänner dieses Jahres von gut 44.000 Dollar (42.166 Euro) auf zuletzt knapp 94.000 Dollar mehr als verdoppelt. Mitte Dezember wurden sogar mehr als 106.000 Dollar pro Bitcoin bezahlt.

"Gold und Bitcoin haben sehr ähnliche Eigenschaften und wir sehen sie eher als verwandt an und nicht als Gegenspieler", sagte Stöferle. "Satoshi Nakamoto, wer immer das auch war, hat Gold und unser Geldsystem sehr, sehr gut verstanden." (Nakamoto ist das Pseudonym der Person oder Gruppe von Personen, die die Bitcoin-Kryptowährung erfunden haben.)

"Der Wert ist immer subjektiv"

Den Einwand, dass Bitcoin "nichts Reales" sei und deshalb von einem Tag auf den anderen wertlos werden könnte, lässt Stöferle nicht gelten. "Als alter Österreicher muss ich sagen: Der Wert ist immer subjektiv." Stöferle spielt damit auf die Österreichische Schule der Nationalökonomie an, zu deren zentralen Merkmalen die subjektive Werttheorie gehört. Demnach kann der Wert von Gütern nicht objektiv bestimmt werden, sondern ergibt sich aus den individuellen Präferenzen und Entscheidungen der Konsumenten. "Was ist der Wert eines van Gogh oder eines Rembrandt-Gemäldes, einer Nvidia-Aktie oder einer Immobilie im 1. Bezirk? So viel, wie die Leute bereit sind zu zahlen." Die Welt werde immer weniger physisch. "Immer mehr Wert findet eigentlich in der digitalen Welt statt, wieso sollte es bei Währungen nicht auch so sein?"

Dass Bitcoin verboten werden könnte, glaubt Stöferle nicht. "Das ist jetzt alles aus der Welt." Mit der Zulassung von Bitcoin-ETF durch die US-Börsenaufsicht SEC seien Bitcoin in die Reihe der klassischen Finanzassets aufgestiegen. "Als Portfolio-Manager hat man jetzt kein Risiko mehr, Bitcoin ins Depot zu legen für seine Kunden." Auch dass der künftige US-Präsident Donald Trump von einer strategischen Bitcoin-Reserve spreche, sei "ein absoluter Meilenstein". Stöferles Kollege Mark Valek, der sich bei Incrementum auf Bitcoin spezialisiert hat, hält einen Kursanstieg von Bitcoin auf 180.000 Dollar in den nächsten zwei Jahren für möglich.

Keine Kannibalisierung

Dass sich Gold und Bitcoin gegenseitig das Wasser abgaben könnten, sieht Stöferle nicht, denn die Käuferschichten seien sehr unterschiedlich. Auch Aktien seien nicht der Konkurrent von Gold, sondern eher der Bondmarkt. Die Nachfrage nach Gold sei derzeit sehr von den Zentralbanken getrieben, die knapp 30 Prozent der jährlichen Förderung aufsaugen würden. Die globale Assetmanagement-Branche habe derzeit ein Volumen von rund 128 Billionen US-Dollar. "Da ist die Gold-Allokation irgendwo zwischen einem und zwei Prozent und Bitcoin wahrscheinlich ein Zehntel davon." Umschichtungen seien daher eher von der Bond-Seite zu erwarten.