Ex-Siemens-Österreich-Chef Hesoun hat Ideen für leichtere KV-Gespräche © APA - Austria Presse Agentur
Wie viele Wirtschaftsbereiche hat auch die Elektro- und Elektronikindustrie neben dem Fachkräftemangel vor allem mit gestiegenen Kosten zu kämpfen - für Material, Energie und Personal. Der Fachverband Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) verhandelt seinen neuen Kollektivvertrag zwar erst ab März - die wegweisenden Metaller beginnen schon bald -, doch Obmann Wolfgang Hesoun zeichnete am Dienstag einen Weg zu neuen Lösungen. Diese seien dringend nötig, sagte Hesoun.
Es gehe darum, Einmalzahlungen auch aus Arbeitnehmersicht attraktiv zu machen, um die Belastung für die Unternehmen zu senken, sagte der als SPÖ-nahe geltende Ex-Manager von Siemens Österreich, der etwa auch Chef der Industriellenvereinigung (IV) in Wien oder Aufsichtsratschef der Casinos Austria ist. Die Thematik sei bei den zuständigen Stellen auch seitens der Wirtschaftskammer - dort ist Hesoun nicht nur FFEI-Obmann sondern auch Vizepräsident und Finanzreferent - schon länger adressiert.
Die Idee der Einmalzahlungen soll es grundsätzlich ermöglichen, unter der Inflation abzuschließen, aber mit dieser über ein Jahr gesehen trotzdem einen realen Kaufkraftanstieg zu erzeugen. Die Regierung würde solche Einmalzahlungen steuerfrei ermöglichen. Doch die Arbeitnehmervertreter würden im nächsten Jahr von einer geringeren Basis verhandeln müssen - und die Arbeitnehmenden übers ganze Erwerbsleben verlieren. Die Gewerkschaft lehnt deshalb Gespräche über solche Modelle kategorisch ab.
Hesoun kann die Sorge der Gewerkschaft verstehen, sieht aber Möglichkeiten, die Vorbehalte zu durchbrechen. Daher fordert er die Arbeitnehmervertreter dazu auf, über Modelle zu beraten, bei denen die Arbeitnehmer aus Hesouns Sicht nicht draufzahlen würden. Das sei lösbar. So würde die Einmalzahlung ganz zum Schluss, also nach zwölf Monaten, kurz vor den nächsten KV-Verhandlungen in den existierenden KV einbezogen. "So verringert sich die Absprungbasis nicht", sagte Hesoun.
Zum zweiten, komplexeren Nachteil von Einmalzahlungen bezogen auf die Sozialversicherung sagte Hesoun, dass es eine Lösung für das entstehende Delta braucht, um bei Pensionen anderer keinen Nachteil zu schaffen. Schließlich fließen bei geringeren KV-Erhöhungen geringere Abgaben in die Sozialversicherung.
"Ein grundsätzliches Ausschließen, überhaupt darüber zu verhandeln, wenn man berücksichtigt, dass negative Effekte nicht wirksam werden, geht natürlich nicht", sagte Hesoun in Richtung Gewerkschaften. "Aber es kann natürlich keine Lösung nur zu Lasten der Arbeitnehmer stattfinden. Wir müssen versuchen, Nachteile zu eliminieren."
Grundsätzlich gehe es in der derzeitigen Gesamtsituation um den Erhalt der Kaufkraft durch gezielte Maßnahmen, nicht um flächendeckende wie zum Beispiel Einmalzahlungen. "Es geht um Maßnahmen, die uns auch in den nächsten Verhandlungen mit Sozialpartnern in die Lage versetzen, vielleicht etwas niedrigere Niveaus an Abschlüssen tätigen zu können, ohne dass die Mitarbeiter weniger netto zur Verfügung haben", forderte Hesoun. Einmalzahlungen seien zwar "unter vernünftigen Ideen geboren, aber im Zusammenhang mit Kollektivvertragsverhandlungen haben sie nicht funktioniert, weil sie nicht in das KV-Schema gepasst haben".
Beim FEEI gab es zuletzt (März 2023) eine KV-Steigerung von 9,9 Prozent. Ein ähnlich hoher Abschluss würde die Unternehmen 2024 unter erheblichen Druck setzen, so Hesoun. "Unternehmen stellen sich die Frage, ob es sich überhaupt noch rentiert, in Österreich zu investieren. Wirtschaftsräume wie die USA oder Asien locken mit enormen Wirtschaftshilfen und haben eine weitaus unternehmensfreundlichere Struktur mit beispielsweise rascheren Genehmigungsverfahren. Das gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit und mittelfristig den Wohlstand in unserem Land."
Das Jahr 2022 war für die Branche, die derzeit unter einer Eintrübung leidet, wirtschaftlich noch erfolgreich. Ausgehend von einer bereits steigenden Produktion (+17,1 Prozent) im Vergleichszeitraum 2021, schloss die abgesetzte Produktion 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit einem Wert von 23,34 Mrd. Euro, was eine erneute Steigerung von 15,7 Prozent bedeutet. Sämtliche bedeutende Sparten verzeichneten dabei beachtliche Zuwächse, wobei die Sparte Elektronische Bauelemente mit 31,1 Prozent die stärkste Steigerungsrate aufwies.
Sowohl Auftragseingänge (+16,8 Prozent) als auch Umsätze (+18,8 Prozent) stiegen deutlich. Die Beschäftigtenzahl stieg um 4,7 Prozent auf knapp 72.000. Die Exportquote blieb konstant auf hohen 84,2 Prozent. Der Umsatz, der 2022 im Ausland erwirtschaftet wurde, betrug 22,74 Mrd. Euro. "Angesichts der vielfältigen Krisen ist das eine höchst erfreuliche Entwicklung und zeigt die Krisenfestigkeit dieser wichtigen Branche", sagte FEEI-Geschäftsführerin Marion Mitsch.