Bonin sieht US-Zollpolitik als "größeres Risiko" © APA - Austria Presse Agentur
IHS-Chef Holger Bonin erwartet durch den Chipmangel in der deutschen Autoindustrie heuer keine größeren Auswirkungen auf Österreichs Wirtschaft. "Für dieses Jahr wird es nicht mehr viel ausmachen", sagte Bonin am Mittwoch. Negativ könnte es sich nächstes Jahr auswirken, ein "direkter Effekt" sei derzeit schwer vorauszusagen. Das Institut für Höhere Studien (IHS) prognostizierte zuletzt ein Wirtschaftswachstum in Österreich heuer von 0,4 Prozent und für 2026 von 0,9 Prozent.
Die Materialknappheit bei den deutschen Herstellern von elektronischen und optischen Produkten hat sich spürbar erhöht. 10,4 Prozent der Unternehmen meldeten im Oktober Engpässe, nach 7,0 Prozent im Juli und 3,8 Prozent im April. "Der Chipmangel in der Industrie nimmt zu", teilte das Münchner Ifo-Institut am Mittwoch mit.
US-Zollpolitik als "größeres Risiko" für Österreich und Europa
Für Bonin ist die US-Zollpolitik "das größere Risiko" für Österreichs und Europas Wirtschaftsentwicklung im kommenden Jahr. Die EU hat den USA im Rahmen des Zolldeals auch 600 Mrd. Dollar (516 Mrd. Euro) zusätzlicher Investitionen in den Vereinigten Staaten zugesichert sowie versprochen, deutlich mehr US-Flüssigerdgas, -Öl und -Kernbrennstoffe zu kaufen. Es sei offen, wie die Trump-Administration reagieren werde, wenn sich Europa nicht an die Versprechen halte, sagte der IHS-Direktor im Klub der Wirtschaftspublizisten.
Für Österreichs Regierung sieht Bonin viele "große Baustellen". Die Arbeitslosenquote sei "verhältnismäßig hoch". "Das Budgetdefizit wird uns weiter beschäftigen." Auch die Inflationsrate in Österreich werde im kommenden Jahr mit prognostizierten 2,4 Prozent über dem Eurozonenschnitt liegen. "Wir können uns nicht zurücklehnen", warnte der IHS-Chef. Das jährliche Produktionspotenzial in Österreich liege nur mehr bei 0,8 Prozent, nach über 1 Prozent in den 2010er-Jahren. "Ein wesentlicher Faktor" dafür sei die Alterung der Gesellschaft und das seit Jahrzehnten immer schwächer ausfallende Produktivitätswachstum. Europa müsse seinen Fokus auf Wirtschaftsbereiche mit kooperativen Vorteilen gegenüber den USA und China legen, etwa im Bereich Dekarbonisierung, Klimaschutz und Haustechnik.
IHS-Chef: Mehr Echtzeitdaten für Konjunkturforschung notwendig
Für die Konjunkturforschung in Österreich wünscht sich der IHS-Chef detailreichere Unternehmens- und Haushaltsbefragungen sowie Echtzeitdaten, etwa von privaten Energieunternehmen. Österreichs Wirtschaft schrumpfte 2023 und 2024 weniger stark als gedacht. Ende September korrigierte die Statistik Austria die BIP-Daten der beiden Vorjahre, dadurch änderte sich auch die Prognosegrundlage für die Wirtschaftsforscher des IHS und Wifo. Weil die wirtschaftliche Volatilität stärker zugenommen hat, unter anderem wegen des US-Zollstreits, will das IHS die jährliche Mittelfristprognose nun öfters aktualisieren und möglicherweise verschiedene Szenarien bei der Konjunkturprognose inkludieren.