++ ARCHIVBILD ++ Auch Regeln für Stahlhandel bleiben weiter Thema © APA - Austria Presse Agentur
Der Kompromiss im Zollkonflikt zwischen der EU und den USA wird nach Einschätzung des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart treffen. "Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle", sagte Merz am Montag nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Berlin. In ganz Europa gab es Kritik an dem Deal und Rufe nach Nachverhandlungen.
Laut Merz bleiben die Auswirkungen nicht auf Deutschland und Europa begrenzt. "Wir werden auch in Amerika die Folgen dieser Handelspolitik sehen." Es werde nicht nur eine höhere Inflationsrate geben, sondern auch eine Beeinträchtigung des transatlantischen Handels insgesamt, sagte der Kanzler. "Diese Zölle sind auch nach meiner festen Überzeugung nicht im Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika." Das werde die Zeit zeigen.
Merz: Mehr war offensichtlich nicht zu erreichen
Die EU und die USA hatten sich darauf geeinigt, dass der Zollsatz auf die meisten Importe bei 15 Prozent liegen soll. Das soll auch für Autos, Halbleiter und Pharmaprodukte gelten. Für bestimmte Güter wie Aluminium und Stahl sollen die Zölle unverändert 50 Prozent betragen.
"Ich bin mit diesem Ergebnis nicht zufrieden im Sinne von "das ist jetzt gut so"", betonte Merz. Aber: "Mehr war offensichtlich nicht zu erreichen." Merz dankte ausdrücklich der EU-Kommission für ihre unermüdlichen Verhandlungen mit der US-Regierung. "Ich persönlich habe nicht mehr erwartet als dieses Ergebnis. Aber noch einmal: Dieses Ergebnis kann uns nicht zufriedenstellen, aber es war in der gegebenen Situation das Beste, was zu erreichen war."
Französischer Industrieminister: Nicht das Ende der Geschichte
Auch aus Frankreich kamen negative Reaktionen. Bis zum formellen Abschluss eines Rahmen-Handelsabkommens mit den USA könnten nach Einschätzung des dortigen Industrieministers Marc Ferracci noch Monate vergehen. "Das ist nicht das Ende der Geschichte."
Es müsse mehr getan werden, um die Handelsbeziehungen der EU mit den USA wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sagte Ferracci dem Radiosender RTL. Frankreichs Europaminister Benjamin Haddad wiederum kritisierte das gesamte geplante Abkommen. "Das von der Europäischen Kommission mit den USA ausgehandelte Handelsabkommen wird den von erhöhten US-Zöllen bedrohten Wirtschaftsakteuren zwar vorübergehende Stabilität bringen, ist aber unausgewogen", schrieb er online. Zu den Vorteilen zählten Ausnahmen für wichtige französische Wirtschaftszweige wie die Spirituosenbranche.
"Wir erreichen hier Zollhöhen, die wir so noch nie gesehen haben", sagte der deutsche Industrie-Lobbyist Wolfgang Niedermark in Berlin zu Journalisten. Dies sei ein Schlag ins Kontor und kein guter Tag für die Wirtschaft. "Wir rechnen mit deutlichen Wachstumseinbußen für unsere Industrie." Europa sei nicht in einer guten Verhandlungsposition gewesen und müsse seine Wettbewerbsfähigkeit dringend stärken, um bessere Ergebnisse erzielen zu können, so der Vertreter des BDI. Der Deal gebe nur eine vermeintliche Sicherheit, auch wenn er für einige Branchen Vorteile bringe und insgesamt eine Eskalation im Handelsstreit vermieden worden sei.
Berlin setzt auf Nachverhandlungen
Deutschland sieht nach der Grundsatzeinigung zwischen der EU-Kommission und den USA weiter Gesprächsbedarf bei den Zöllen für Stahl- und Aluminiumprodukte. "Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass zum Beispiel im Bereich Stahl und Aluminium, wo derzeit ja noch der Zollsatz auf 50 Prozent weiter bestehen bleiben soll, dass wir da Bedarf sehen, da weiter zu verhandeln", erklärte Vize-Regierungssprecher Sebastian Hille am Montag in Berlin. Die EU-Kommission habe sich da schon optimistisch geäußert. Dieser Bereich werde besonderes Augenmerk erhalten. Insgesamt werde die nun anstehende detaillierte Ausarbeitung der Vereinbarung von der Europäischen Kommission mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung vorangetrieben.
"Diese Gespräche werden wir mit Nachdruck begleiten", hatte Austro-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) zum Thema Stahl und Alu bereits vorher mitgeteilt. Unabhängig von weiteren Details des Deals stehe für ihn fest, "dass die vom Deal besonders negativ betroffene Branchen gezielte Unterstützungsmaßnahmen von Seiten der Europäischen Union brauchen, um trotz massiver Belastungen wettbewerbsfähig zu bleiben und Arbeitsplätze zu sichern."
Bei dem Handelsabkommen müsse man die Realitäten anerkennen, sagte er auch zu Kritik aus der Wirtschaft. Aus diesen Kreisen habe er den Satz gehört: "Wenn man einen Tsunami erwartet und es gibt nur ein Unwetter, dann ist man zufrieden", zitierte Hille. "Das zeigt einen Realitätssinn auf Seiten der Wirtschaft."
Sefkovic: "Das ist das beste, was wir erreichen konnten"
EU-Handelskommissar Maros Sefkovic sprach hingegen in Brüssel vor Medien von einem "Durchbruch". In einem Satz zusammengefasst bringe das Abkommen neue Stabilität und öffne Türen für die weitere strategische Zusammenarbeit. Er betonte, dass das Ergebnis für beide Seiten funktioniere und sicherstelle, dass der transatlantische Handel weitergehe. Zur Kritik aus vielen Mitgliedstaaten, das Abkommen habe Nachteile für die EU, betonte der zuständige Kommissar: "Wir haben alles gegeben." Ein Deal sei besser als ein Handelskrieg. "Das ist das beste, was wir erreichen konnten." Jobs in der EU seien gerettet worden. Es öffne sich ein neues Kapitel nicht nur in den Handelsbeziehungen mit den USA, sondern in der gesamten strategischen Zusammenarbeit.
Einigung
Die USA und die EU hatten am Sonntag nach monatelangen harten Verhandlungen die Einigung auf ein Handelsabkommen verkündet, das nach Angaben von US-Präsident Donald Trump 15 Prozent Zoll auf Produkte aus der EU vorsieht. Trump zufolge gilt der Zollsatz von 15 Prozent auch für die Einfuhr europäischer Autos. Die EU verpflichtete sich auch zu zusätzlichen Investitionen in den USA in Höhe von 600 Mrd. Dollar (510 Mrd. Euro) und zu Energiekäufen im Wert von 750 Mrd. Dollar.
Zölle auf US-Autos sinken gegen null
Die Europäische Union senkt laut Angaben eines EU-Vertreters die Importzölle für Autos aus den USA auf 2,5 Prozent, berichtete Reuters. Das sei Teil der Vereinbarung, auf die sich die EU und die USA am Sonntag geeinigt hätten. "Wir sind bereit, auf null zu gehen", sagte eine EU-Beamtin laut dpa. Voraussetzung sei allerdings, dass die Vereinigten Staaten sich allerdings, dass die Vereinigten Staaten sich an ihren Teil der Vereinbarung halten und die aktuell fällig werdenden US-Zölle auf Autoimporte aus der EU von aktuell 27,5 auf 15 Prozent senken.