ÖVP zurückhaltend, NEOS kritisch © APA - Austria Presse Agentur
Nachdem er am Montag mit Überlegungen, die Inflation über staatliche Eingriffe bei Lebensmittelpreisen einzudämmen, aufhorchen ließ, ist SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer am Dienstag nicht wesentlich konkreter geworden. Er habe "kein Modell im Kopf", sagte er im Ö1-Mittagsjournal. Der Koalitionspartner NEOS reagierte ablehnend, die ÖVP schloss ein Eingreifen zumindest nicht aus.
Ausgeschlossen hat Marterbauer, die Lebensmittelpreise über eine Mehrwertsteuersenkung zu drücken - das gebe die aktuelle Budgetlage nicht her. Am Montag hatte er im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" Preiseingriffe als "zentral in einer Teuerungskrise" bezeichnet. Konkret nannte er Spanien als Vorbild.
Auch im Ö1-Interview meinte Marterbauer, er wolle sich internationale Beispiele ansehen. Mit Blick auf die Koalitionspartner ÖVP und NEOS zeigte er sich zuversichtlich, dass man eine Lösung finden werde. Seine Verantwortung als Finanzminister sei, auf die Gefahr der anziehenden Inflation hinzuweisen.
ÖVP zurückhaltend, NEOS kritisch
Vom größten Koalitionspartner ÖVP kam immerhin kein direktes Nein. "Wenn es aufgrund der aktuellen weltpolitischen Bedrohungslage zu stark ansteigenden Preisen kommt, treffen wir Gegenmaßnahmen", las das ORF-Radio ein Statement aus der Parteizentrale vor. "Hohe Inflationsraten, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, belasten die Menschen und die Wirtschaft, und werden nicht akzeptiert." ÖVP-Bauernbundchef und -Parlamentarier Georg Strasser warnte allerdings am Nachmittag schriftlich vor einem Verzerren des Marktes durch "künstliche Preiseingriffe": "Wer an der Preisschraube dreht, ohne auf die realen Kosten zu schauen, gefährdet die Versorgungssicherheit im Land."
Am Dienstagnachmittag betonte dann noch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP): "Internationale Beispiele zeigen, dass staatliche Preiseingriffe bei Lebensmitteln negative Folgen haben können. Ungarn hat mit dem Preiseingriff für enorme Engpässe und leere Regale gesorgt, weil niemand zu den Preisen geliefert hat. Die aktuelle Preisdebatte darf jedenfalls nicht auf dem Rücken der Landwirtschaft ausgetragen werden, denn die heimischen Bäuerinnen und Bauern sind bereits heute einem hohen Kostendruck ausgesetzt."
Wenig Freude haben die NEOS mit dem Vorschlag des Finanzministers. "Der wichtigste Eingriff der Politik in den Markt ist hier aus unserer Sicht, endlich für mehr Wettbewerb und Transparenz zu sorgen und den Reformmotor in den nächsten Gang zu schalten", heißt es in einem Statement gegenüber der APA. "Staatliche Brotpreise werden dieses Problem nicht lösen können."
FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz freute sich darüber, dass Marterbauer eine "langjährige freiheitliche Forderung" aufgreift. Da aber noch kein konkreter Vorschlag des Finanzministers auf dem Tisch liegt, könne man diesen auch nicht beurteilen, so Schnedlitz: "Wenn er sinnvoll ist, werden wir uns einbringen." Wie so oft stecke aber der "Teufel im Detail".
Handelsvertretungen dagegen
Im Lebensmittelhandel stößt die Idee, die andere EU-Länder in der Inflationskrise umsetzten, auf Ablehnung. Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) verweist in einer Aussendung auf Preissteigerungen "in der Landwirtschaft, der Verarbeitung, der Logistik sowie auf den internationalen Rohstoffmärkten". Zudem würden staatliche Vorgaben und höhere Löhne die Kosten für die Supermärkte in die Höhe treiben, was sich wiederum in den Preisen spiegle.
Auch der Handelsverband sprach sich am Dienstag "vehement" gegen staatliche Preiseingriffe aus. Die Umweltschutzorganisation WWF forderte hingegen Maßnahmen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln, um gegen die Teuerung vorzugehen. Auch dafür sprach sich der Bauernbund aus. Zudem brauche es "mehr Kostentransparenz entlang der Wertschöpfungskette". Strasser: "Solange entlang der Wertschöpfungskette so wenig Transparenz darüber herrscht, wer wie viel vom Kuchen bekommt, brauchen wir nicht über staatliche Markteingriffe diskutieren."
Unterstützung aus eigenen Reihen
Die Arbeiterkammer (AK) nannte den Vorschlag ihres frühen Chefökonomen Marterbauer "sinnvoll" und fordert "eine Preisdatenbank, ein wirksames Preisgesetz und eine unabhängige Anti-Teuerungskommission". Ähnlich wie Lebensmittelhandelsbranche, Handelsverband und Bauernbund wurde auch auf das Problem der sogenannten territoriale Lieferbeschränkungen hingewiesen. Diese von bestimmten großen Herstellern auferlegte Beschränkungen in der EU machen es Einzelhändlern schwer oder unmöglich, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in einem anderen weiterzuverkaufen. Dies kann dazu führen, dass für das gleiche Produkt, in Österreich höhere Preise gefordert werden als beispielsweise in Deutschland.
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian fordert eine "schlagkräftige Anti-Teuerungskommission. (...) Das würde den Staatshaushalt nicht belasten, wäre aber ein wirksames Mittel, um ungerechtfertigte Preiserhöhungen, die wir alle leider alltäglich beobachten müssen, zu verhindern", so der Gewerkschaftschef am Dienstag via Aussendung. SPÖ-Niederösterreich-Chef Sven Hergovich begrüßte den "Vorstoß" des Finanzministers ebenso in einer Stellungnahme. "Lebensmittel dürfen kein Luxus sein", monierte Hergovich.
Marterbauer hatte im Interview mit der Zeitung "Salzburger Nachrichten" ("SN") auf "stark gestiegene" Nahrungsmittelpreise verwiesen. "Die unteren Einkommensgruppen geben die Hälfte für Wohnen, Haushaltsenergie und Nahrungsmittel aus. Da dürfen die Preise nicht in diesem Ausmaß steigen, sonst müssen wir überlegen, wie wir eingreifen", wird der Minister von der Zeitung zitiert. Mit den Koalitionspartnern wolle er "gemeinsam diskutieren und schauen, wie wir zu Lösungen kommen", die alle drei vertreten könnten.