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Österreichs Wirtschaft stagniert heuer und wird auch kommendes Jahr nur um rund anderthalb Prozent wachsen. Selbst dann werde die Wirtschaftsleistung pro Kopf aber 1,5 Prozent unter jener vor Corona liegen. Das seien "sechs verlorene Jahre" sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Mittwoch bei der Vorstellung der Sommerprognose von Wifo und IHS. In der Eurozone werde die Wirtschaftsleistung hingegen 3 Prozent über jener des Jahres 2019 liegen.

Wirtschaftswachstum als Lösung der heimischen Probleme zeichnet sich aber nicht ab. Die beiden Wirtschaftsforschungsinstitute haben am Mittwoch zum vierten Mal in Folge ihre Prognose für 2024 gesenkt, auf 0,0 (Wifo) oder 0,3 Prozent (IHS). Aussagekräftiger als der Unterschied zwischen den beiden Instituten sei aber der Abstand zum Durchschnitt der Eurozone, wo das Wachstum bei 0,9 Prozent liege, sagte IHS-Chef Holger Bonin. Zwar sinkt auch die Inflation, auf voraussichtlich heuer 3,2 (IHS) bis 3,4 Prozent (Wifo), sie bleibt damit aber deutlich über dem Euro-Schnitt. Die Arbeitslosigkeit steigt um einen halben Prozentpunkt auf 6,9 Prozent.

Felbermayr ortet eine "enorm hohe Verunsicherung" von Haushalten und Unternehmen als zentrale Ursache für die schlechte Entwicklung der Wirtschaft. Zwar seien die Konsumausgaben gestiegen, was den Absturz der Wirtschaft in eine Rezession verhindere, wie IHS-Chef Holger Bonin sagte. Aber die Haushalte würden vor allem den Kauf langfristiger Konsumgüter verschieben, die Sparquote ist über 10 Prozent gestiegen, Bonin spricht hier von einem "Vorsichtssparen". "Die Menschen haben mehr Geld und geben trotzdem weniger für den Urlaub aus", vergleicht Felbermayr. Verunsichernd wirken würden der Inflationsschock, Angst vor einem Jobverlust, aber auch die Politik habe ihren Anteil, weil sie zur künftigen Entwicklung, etwa zum Umstieg auf Elektromobilität oder zum Ausstieg aus fossilen Heizungen keine klaren Signale aussende.

Besonders schlecht geht es der Industrie, die unter den im Vergleich der Euroländer hohen Lohnabschlüssen, der starken Bürokratie, aber auch unter handelspolitischen Unsicherheiten leide. In Summe investiere die Wirtschaft sehr wenig, das mache ihm Sorgen, so Felbermayr. "Wir müssen mehr über die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und insbesondere der Industrie sprechen". Im Vergleich zu den 13 wohlhabenden EU-Ländern seien die Lohnstückkosten in Österreich seit 2019 um 11 Prozentpunkte stärker gestiegen. Auch im Vergleich zu Deutschland, wo in der Krise traditionell Lohnzurückhaltung geübt werde, seien sie um 9 Prozentpunkte mehr gestiegen.

Angesichts der schwachen Wirtschaft und der intensiven Ausgleichsmaßnahmen der heimischen Politik in der Zeit hoher Inflation steigt das Defizit heuer auf 3,0 (IHS) bis 3,2 Prozent (WIfo). Felbermayr erwartet auch bis 2028 keinen Rückgang unter 3 Prozent. Felbermayr wie auch Bonin fordern von der Regierung ein Sparpaket ein, auch wenn sie es vor der Wahl nicht mehr für realistisch halten. Aber mittelfristig sei es unerlässlich, sind sich die beiden einig, auch wenn es die Konjunktur belasten werde. Zwar seien Einsparungen bei den Ausgaben, etwa im Bereich Verwaltung, Gesundheit, Pflege oder Pensionen wichtiger, sie würden aber lange dauern. Daher plädiert Felbermayr für eine Inflationsanpassung der Mineralölsteuer, um kurzfristig das Defizit ausgleichen zu können. Auch Bonin sieht als letzte Maßnahme die Erhöhung gewisser Verbrauchssteuern als eine Möglichkeit.

Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) wünscht sich angesichts der wenig erfreulichen Prognose eine "differenzierte Betrachtung" der wirtschaftlichen Lage Österreichs. Er verweist darauf, dass IHS und Wifo "mit einer positiven Entwicklung im 2. Halbjahr 2024 und einer spürbaren Konjunkturbelebung im nächsten Jahr" rechnen und verweist auf Regierungsmaßnahmen, die dazu beitrügen.

SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter schreibt in einer Aussendung, "noch nie hat eine Regierung so viel Steuergeld ausgegeben und so schlechte Ergebnisse erzielt". Matznetter fordert einen "Kassasturz" und warnt vor einem "schwarz-blauen Sparpaket" für die Zeit nach der Wahl.

FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger wirft der Regierung einen "fortschreitenden Verarmungsprozess bis tief in den Mittelstand hinein" vor, sie hinterlasse "soziale Unsicherheit und einen gigantischen Schuldenberg". Kassegger fordert eine Verlängerung des Strompreiskosten-Ausgleichsgesetzes 2022, um insbesondere die energieintensive Industrie zu unterstützen. Außerdem erinnert er an die FPÖ-Forderungen nach einer Verringerung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, Energie und Treibstoffe sowie der Mineralölsteuer.

NEOS-Budget- und Finanzsprecherin Karin Doppelbauer geißelt eine "unsägliche Gießkannenpolitik der Regierung" und fordert eine Ausgabenbremse, um die "ohnehin schon angespannte Situation nicht auch noch durch Wahlzuckerln zu verschlimmern".

(APA)