Das Innviertel, noch immer fest mit seiner Landwirtschaft verwurzelt, ist heute Industriestandort, Boomregion, Know-how-Generator, Hightechland. © Innviertel Tourismus
Vom Bauernland zum pulsierenden Industriestandort und zur wirtschaftlichen Boomregion. Die Bezirke Braunau, Ried und Schärding kennen ihre Wurzeln und brausen in die Zukunft.
Daten statt Kohle. Österreichs größtes Rechenzentrum steht ausgerechnet in einem Kohlekraftwerk. Allerdings in einem stillgelegten. Die beiden Kraftwerke Riedersbach I und II im Süden des Bezirks Braunau produzierten bis 2016 aus Steinkohle Strom für die oberösterreichische Energie AG.
Nach dem Aus für die Kohle werden in der zur Gemeinde St. Pantaleon gehörenden Ortschaft nun Daten geschürft. Die deutsche Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) betreibt auf 18.000 Quadratmetern des ehemaligen Kraftwerksgeländes seit dem Herbst 2018 eine Datendrehscheibe für ihre Filialnetze in ganz Europa.
Eine sichere Stromversorgung, der direkte Zugang zu Kühlwasser für die Abwärme der Serverfarm, das Know-how rund um den Standort sowie die Anbindung an das Glasfasernetz der Energie AG hatten die Discounter einst ins tiefste Innviertel gelockt.
Bauernstand und Datenprofis
Der Wandel vom riesigen, rußigen Kohlelager mit einem 191 Meter hohen Abgasschlot zum staubgeschützten Datenhub steht beinahe symbolisch für die Entwicklung des gesamten Innviertels zur Hightechregion. Das einst landwirtschaftlich geprägte Gebiet mit seinem stolzen Bauernstand hat die graue Phase des ersten industriellen Aufschwungs und der ebenfalls folgenden Krisenzeiten längst abgelegt.
Das Innviertel mit den drei Bezirken Braunau, Ried im Innkreis und Schärding sowie seinen mittlerweile rund 220.000 Einwohner:innen, noch immer fest mit seiner Landwirtschaft verwurzelt, ist heute Industriestandort, Boomregion, Know-how-Generator, Hightechland: Silicon Innviertel.
Für diese Entwicklung stehen nicht nur Leitbetriebe der Region wie AMAG, KTM, FACC, Team7, Fill Maschinenbau, Wiesner-Hager, Lohberger, Fischer Ski, Doppler Schirme, die Schwarzmüller-Gruppe und viele andere Traditionsunternehmen des Innviertels, sondern junge Gründer, innovative Handwerker, selbstbewusste Mittelständler, aufstrebende Industriebetriebe und heimatverbundene Produzenten. Die stärksten Branchen sind die Metall- und Kunststoffindustrie sowie die Elektronik. Aber selbst die Bierbrauer – das Innviertel ist mit zehn aktiven Brauereien die am dichtesten besetzte Bierregion der Republik – sorgen permanent für Neuheiten und Erneuerung.
Brummen an Inn und Salzach
Der am lautesten brummende Wirtschaftsmotor des Innviertels ist der Bezirk Braunau mit den wirtschaftlichen Zentren Braunau und Mattighofen. Mittlerweile wandelt sich allerdings beinahe der gesamte Bezirk vom fruchtbaren Bauernland zur nach Arbeitskräften dürstenden Industrieregion. Insbesondere das gesamte Mattigtal und der Süden des Bezirkes, wo sich auch zahlreiche Unternehmen aus dem benachbarten Salzburger Land wie z. B. Palfinger Europe mit eigenen Dependancen niederlassen, bildet eine der Industrie-Hauptschlagadern der Region.
Dabei galt der Bezirk Braunau Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre als angeschlagene Region. Unternehmen steckten in der Krise, wanderten ab, wurden geschlossen. Neben der allgemeinen Trendumkehr in der Wirtschaft sorgten zwei Faktoren für neuen Schwung. Mit der HTL in Braunau – damals mit den beiden Fachrichtungen Nachrichten- und Elektrotechnik – existierte ein produktiver Know-how-Pool, der für Nachschub an jungen Fachkräften und Gründern sorgte.
Dazu kam das persönliche Engagement von einigen mit der lokalen Wirtschaft eng verbundenen Persönlichkeiten wie Herrmann Bachleitner, ehemals Direktor der Oberbank Braunau, Josef Fill, früherer Wirtschaftslandesrat, und Günther Wöss, damals Leiter der Wirtschaftskammer Braunau, die die Idee eines Betriebsansiedelungsprojektes gebaren. Das Ergebnis war die Gründung des TechnoZ Braunau im Jahr 1993, das noch heute für kreatives Networking und branchenübergreifende Zusammenarbeit steht. Zudem gibt es in Schärding eine Zweigstelle, während Ried ein eigenes Technologiezentrum bietet.
Neben Braunau – heute mit den Fachrichtungen Elektronik, Technische Informatik, Mechatronik, Elektrotechnik und Informationstechnologie – gibt es eine HTL mittlerweile auch in Ried für Maschinenbau sowie in Andorf für Kunststoff-, Umwelt-, Maschinen und Fertigungstechnik. Letztere positioniert sich als Andorf Technology School.
Aufbruchstimmung ab den 1990ern
„Der Bezirk Braunau ist seit Anfang der 90er-Jahre österreichweit einer der sich am dynamischsten entwickelnden. Das Bruttoregionalprodukt wächst überproportional schnell. Zum einen befinden sich hier relativ viele international erfolgreiche und bedeutende industrielle Leitbetriebe, zum anderen verleiht ein starker Mittelstand, vielfach Zulieferer der Industriebetriebe, der regionalen Wirtschaft dauerhafte Stabilität und gegenseitigen Know-how-Transfer“, formuliert Klaus Berer, heute Chef der Wirtschaftskammer Braunau: „Forschung und Entwicklung spielen in der Region eine große Rolle.“ KTM-Oberboss Stefan Pierer meint sogar: „Das Innviertel ist das neue industrielle Herz Österreichs.“
Lokale Helden auf der globalen Bühne
Da gibt es die EV Group (EVG), den Technologie- und Marktführer für Präzisionsanlagen und Prozesslösungen zur Waferbearbeitung in der Halbleiterindustrie. Das Unternehmen mit Sitz in St. Florian/Inn beschäftigt knapp mehr als 1.000 Mitarbeitende.
Noch eine Spur größer gibt sich B&R mit den Kernkompetenzen Mess- und Steuerungssysteme sowie Robotik. Das bereits 1979 von den Absolventen der HTL Braunau Erwin Bernecker und Josef Rainer gegründete Unternehmen gehört heute mit seinem mehr als 3.000 Köpfe zählenden Team zum ABB-Konzern. Der Hauptsitz in Eggelsberg fungiert unter dem ABB-Dach als globales Zentrum für Maschinen- und Fabrikautomation, betreibt einen globalen Innovations- und Bildungscampus, in dem Technologien für die Fabrik der Zukunft entwickelt und erprobt werden.
Auf Holz, dem im Übermaß vorhandenen Rohstoff, sowie erstklassiger Technik basiert der Erfolg von Hargassner Heiztechnik in Weng/Innkreis. Das Familienunternehmen ist einer der weltweiten Top-Betriebe im Segment Pellets- und Biomasse-Heiztechnik, forscht und investiert aber auch in die Photovoltaik und Speichertechnik.
Vorreiter bei grüner Energie
Apropos saubere Energie. Die Energiewerkstatt in Friedburg errichtete am Rande des Kobernaußerwaldes bereits 1993 die erste netzgekoppelte Windkraftanlage Österreichs. Heute betreibt das im Jahr 1986 als „Verein zur Förderung Erneuerbarer Energie“ gegründet Unternehmen mehrere Windparks in und außerhalb Österreichs und ist weltweit als Consulter aktiv. Aus der nur wenige Kilometer entfernten Energiewerkstatt Munderfing als Keimzelle entwickelte sich die EWS Consulting. EWS steht für Energie Wind Sonne, das Unternehmen agiert als internationaler Berater in Sachen Sonnen- und Windenergie.
Elektronik und Raumfahrt
Als Komplettanbieter für maßgeschneiderte elektronische Lösungen hat sich Ginzinger electronic systems in Weng/Innkreis etabliert. Das Unternehmen entwickelt für seine Kunden Produktideen zur Serienreife und ist u. a. in den Segmenten Energie-, Medizin- und Transporttechnik aktiv.
Unternehmen aus der Raumfahrt- und der Fahrzeugindustrie zählt Milltech aus St. Marienkirchen/Schärding zu seinen Kunden. Das Unternehmen hat sich auf Hochtechnologie- und Präzisions-Werkzeugbau spezialisiert. In einem ähnlichen Feld ist Faschang Werkzeugbau in Altheim aktiv, wo ganz nebenbei schon einmal die kleinste Spezialschraube der Welt produziert wird. Air Ambulance Technology in Ranshofen arbeitet ebenfalls im Segment Luft- und Raumfahrt.
Auffällig ist der hohe Anteil an Unternehmen aus dem Sektor Automatisierung wie beispielsweise Abitron (Altheim), Faschang Service & Management (Geinberg, IT), Merlin Technology (Tumeltsham), AGS-Engineering (Aurolzmünster, Elektronik), Siba System Integration (St. Willibald, Intralogistik), Sensonic (Schärding, IT), Arcon (Altheim), Linke automation systems (Ostermiething, Software), LARsys-Automation (Hochburg-Ach), Melkus Mechatronik (Moosdorf), RSF Elektronik (Tarsdorf) und Steiner Automation (Hochburg-Ach).
Dazu gesellen sich zahlreiche Softwareschmieden wie RZL Software (Tumeltsham), Infotech EDV (Ried), und troii Software (Braunau, Elektronisches Fahrtenbuch). Mit Top-Elektronik überzeugen z. B. auch Audio Mobil Elektronik (Ranshofen, Fahrzeug-Connectivity, -Infotainment), View Promotion (Friedburg, KI, Aufzugmanagement), AMO (St. Peter/Hart, Messtechnik, Optik) und Ocilion IPTV Technologies (Ried, Entertainment).
Spezialistenvielfalt
Hochspezialisierte Mittelständler-Unternehmen mit rund 100 oder mehr Mitarbeiter:innen agieren im Innviertel zuhauf. Das Spektrum reicht vom Metallverarbeiter Primatech (St. Marienkirchen), F&S Bondtec (Braunau, Drahtbondtechnologie), KED-Engineering (Braunau, Ingenieurbüro), Promotech (Schalchen, Kunststoff- und Metallverarbeitung), Hertwich Engineering (Braunau, Anlagenbau, Recycling), Borbet (Ranshofen, Alufelgen) bis hin zum Aluminium-Veredler HAI Hammerer Aluminium Industries (Ranshofen). Die Wirtschaft im Silicon Innviertel ist vielfältig und bunt. (ALS)
INFO-BOX
Das Innviertel in Zahlen
• Bezirk Braunau
110.000 Einwohner, Veränderung:
2002–2022: 13,4 %, 2021/ 2022: 1,2 %;
7.000 Betriebe, 45.425 Beschäftigte, Veränd.: 2021/ 2022: 2,9 %, Arbeitslosenquote: 4,4 %, Erwerbsquote: 77,6 %
Städte: Braunau/Inn: 17.500 EW, Mattighofen: 7.300 EW, Altheim: 5.000 EW
• Bezirk Ried
62.300 Einwohner, Veränderung:
2002–2022: 6,7 %, 2021/ 2022: 0,6 %;
4.100 Betriebe, 28.001 Beschäftigte, Veränd.: 2021/ 2022: 2,6 %, Arbeitslosenquote: 3,3 %, Erwerbsquote: 82,4 %
Städte: Ried/Innkreis: 12.500 EW
• Bezirk Schärding
57.500 Einwohner, Veränderung:
2002–2022: 1,0 %, 2021/ 2022: 0,1 %;
3.700 Betriebe, 23.780 Beschäftigte, Veränd.: 2021/ 2022: 2,7 %, Arbeitslosenquote: 3,4 %, Erwerbsquote: 77,6 %
Städte: Schärding/Inn: 5.200 EW
Weiterführende Infos zum Innviertel
Initiative Lebensraum Innviertel: www.innviertel.at
Hotspot Innviertel: innviertel.core-smartwork.com
Leader Region Innviertel: mitten-im-innviertel.at
Wirtschaftspark Innviertel: www.wirtschaftspark-innviertel.at
Bildungsregion Innviertel: www.bildung-ooe.gv.at/Ueber-uns/bildungsregionen/Bildungsregion-Innviertel.html
Regionalmanagement OÖ/Innviertel-Hausruck: www.rmooe.at/kontakt/innviertel-hausruck
Innviertel Tourismus: www.innviertel-tourismus.at | www.oberoesterreich.at/service/reise-ideen/artikel/detail/2610/das-innviertel.html
TechnoZ Innviertel: www.tzi.at
Ausbildung im Innviertel: www.innviertel.at/aktuelles/bildungskatlog
Bierregion Innviertel: bierregion.at
Wie´s Innviertel schmeckt Regionalvermarkter: wiesinnviertelschmeckt.at
Inn-Salzach EUREGIO: inn-salzach-euregio.at