Jeder zweite reicht nicht

NEW BUSINESS Export - NB EXPORT 2/2021
Die Klimaschutzziele der Wirtschaft sind wenig ambitioniert. © Sarah Richter/Pixabay

In einer Analyse untersuchte die Boston Consulting Group, ob sich die 100 größten Unternehmen Österreichs ein Klimaschutzziel gesetzt haben und wie diese Ziele konkret aussehen ...

... Das Ergebnis ist ernüchternd.

Die Hälfte der 100 größten österreichischen Unternehmen hat sich ein umfassendes Klimaschutzziel gesetzt. Nur acht der führenden Wirtschaftsbetriebe streben Netto-Null-Emissionen an. Und rund ein Zehntel reduziert Emissionen ausreichend, um das Pariser 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Das sind die Ergebnisse der Analyse „Wege zum Klimapfad: Wo Österreichs Unternehmen in Bezug auf Klimaschutz stehen“ der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG).

„Österreich will bis 2040 klimaneutral werden. Unternehmen stellen bei der Erreichung dieses Zieles einen zentralen Hebel dar, da die Wirtschaft ihre Emissionen in den vergangenen Jahrzehnten im zweistelligen Bereich gesteigert hat“, sagt Roland Haslehner, BCG-Senior-Partner und Co-Autor der Studie. „Es ist nicht annähernd ausreichend, wenn jede zweite Firma umfassende Klimaschutzziele hat. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, können wir die Wende schaffen.“

Österreichs Unternehmen sind zu wenig ambitioniert
In der Analyse untersucht BCG, ob sich die 100 größten Unternehmen Österreichs ein Klimaschutzziel gesetzt haben – und welche Qualität diese Ziele haben. Ein Klimaschutzziel gilt dann als umfassend im Sinne der Studie, wenn das genaue Ausmaß der Emissionsreduktion angegeben und bis zu einem exakt definierten Zeitpunkt angestrebt wird. Weiters muss die Reduktion sowohl die eigenen direkten Emissionen als auch die indirekten Emissionen der Energielieferanten umfassen.

Etwas weniger als die Hälfte der untersuchten österreichischen Unternehmen hat sich ein solches Klimaschutzziel gesetzt. Blickt man auf die Qualität der gesteckten Ziele, wird jedoch deutlich, dass die Wirtschaft den Klimaschutz noch zu wenig ambitioniert angeht: Acht von 100 Unternehmen streben Netto-Null-Emissionen an. Das bedeutet, dass durch die Aktivität des Unternehmens keine zusätzlichen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, weil sie vermieden oder zu 100 Prozent abgebaut werden. 

Weitere 19 Firmen mit Klimaschutzziel wollen ihre Emissionen zwar reduzieren, aber nicht vollständig neutralisieren. 21 Unternehmen wollen „klimaneutral“ werden, wobei klimaschädliche Gase nicht notwendigerweise am Ort der Entstehung bekämpft, sondern z. B. durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten kompensiert werden.

„Dieser Mechanismus verhindert im schlimmsten Fall notwendige Innovationen bei der Entwicklung von CO₂-neutralen Produkten oder Technologien“, gibt Sabine Stock, BCG-Partner und Co-Autorin der Studie, zu bedenken. „Nur wenn Emissionen vermieden oder in Kohlenstoffsenken effektiv abgebaut werden, gelangen tatsächlich weniger Treibhausgase in die Atmosphäre, und wir kommen beim Klimaschutz voran.“

Dass österreichische Unternehmen beim Klimaschutz zu wenig ambitioniert sind, zeigt auch die Tatsache, dass nur 13 Prozent der untersuchten Unternehmen Emissionen ausreichend reduzieren, um den Pariser 1,5-Grad-Pfad zu unterstützen. Rund die Hälfte der Unternehmen mit Emissionsreduktionsziel plant, ihren Ausstoß von Treib­hausgasen um weniger als 2,25 Prozent jährlich zu senken – und damit nur etwa um die Hälfte der 4,5 Prozent pro Jahr, die für die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius notwendig sind.

Vier Schritte in Richtung systematischer Klimaschutz
Unternehmen können Klimaschutz in vier Schritten zielführend umsetzen. „Die Betriebe sollten in einem ersten Schritt detaillierte Klimaschutzziele entwickeln. Diese Ziele dienen als Leitbild für die strategische Stoßrichtung der Maßnahmen“, erläutert Haslehner.

In einem zweiten Schritt können die Klimaschutzziele in ihrer Qualität präzisiert werden. Eine reine Kompensation der Emissionen reicht bei Weitem nicht aus. „Eine klare Reduktion muss das oberste Ziel der Unternehmen sein. Ausschließlich die danach verbleibenden und nicht vermeidbaren Emissionen sollten Gegenstand der Kompensation sein“, so Haslehner.

Die gesetzten Ziele sollten dann in einem weiteren Schritt durch eine externe Organisation, z. B. die „Science-based Targets“-Initiative, validiert werden. „Das erlaubt es den Unternehmen, die eigenen Ambitionen objektiv einzustufen und zu bestätigen, letztlich auch gegenüber externen Stakeholdern“, sagt Stock.

In einem vierten und letzten Schritt garantiert regelmäßiges Monitoring eine Qualitätssicherung. „So können im Falle einer Abweichung frühzeitig Maßnahmen entwickelt werden, um die Zielerreichung langfristig sicherzustellen. Das alles muss eigentlich sofort passieren, denn der Weltklimagipfel hat einmal mehr gezeigt, dass die Unternehmen umgehend und zielorientiert handeln müssen“, so Stock. „Der Weg in die Netto-Null-Zukunft ist eine Herausforderung, aber auch eine große Wachstumschance in neuen Produktbereichen, gerade für innovative Firmen, wie wir sie in Österreich haben“, schließt Haslehner. (RNF)