Future of Work

NEW BUSINESS Guides - BILDUNGS- & KARRIERE-GUIDE 2022
Lebenslanges Lernen betrifft alle – künftig noch mehr als schon heute. © Gerd Altmann/Pixabay

Kimberly Maucher-Lynch, Head of Talent Acquisition EMEA bei Workday, im Gespräch mit Peter Sany, Executive Advisor von Zoom und ange­sehener Vordenker der digitalen Transformation ...

... über Internal Sourcing und Upskilling als Strategien gegen den Fachkräftemangel.

Kimberly Maucher-Lynch: Der Fachkräftemangel in Österreich erreichte 2022 laut einer Studie von EY einen Höchststand: 83 Prozent der Unternehmen haben aktuell erhebliche Schwierigkeiten, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Bei fast vier von zehn Unternehmen verursacht der Fachkräftemangel bereits Umsatzeinbußen. Es stellt sich für mich die Frage: Ist dies nur auf die demografische Entwicklung zurückzuführen, eine unmittelbare Folge der Pandemie und/oder müssen die Unternehmen wirklich komplett umdenken und ihre Recruiting-Strategien ändern? Herr Sany, wie schätzen Sie das ein?

Peter Sany: Ich bin davon überzeugt, dass sich die Unternehmen verändern müssen, und diese Veränderung bietet auch Chancen. Die Bedürfnisse vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ändern sich: mehr Selbstorganisation, Arbeitszeitverkürzung, um mehr Zeit für Angehörige und Hobbys zu haben, sowie mehr Empathie und Verständnis von den Vorgesetzten. Aber wie sieht die Realität aus in vielen KMU? Bezahlt wird die Arbeitszeit, die Diskussionen gehen um Macht versus Freiheiten, und man beklagt den Fachkräftemangel, ohne aktiv gegenzusteuern.

Maucher-Lynch: Das sehe ich genauso: Mehr Selbstbestimmung und ­Selbstorganisation für Mitarbeitende bringen bessere Ergebnisse und mehr Zufriedenheit. Es braucht einen Kulturwandel in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden. Menschen suchen Jobs mit Sinn und Sicherheit und wünschen sich eine Arbeitsumgebung auf Augenhöhe, in der sie so akzeptiert werden, wie sie sind – Stichwort Diversität und Inklusion. Wenn diese Voraussetzungen fehlen, ist die Wechselbereitschaft höher.

Sany: Es ist ein Faktum, dass es bis zu vier Jahresgehälter kosten kann, wenn eine gute Mitarbeiterin oder ein guter Mit­arbeiter kündigt. Deshalb ist die ständige Weiterentwicklung der eigenen Belegschaft im Unternehmen unabdingbar, denn Menschen bleiben eher in einem Unternehmen, das Lernmöglichkeiten und Karrierechancen bietet.

Maucher-Lynch: Laut einem Bericht des Weltwirtschaftsforums werden bis 2025 fünfzig Prozent aller Beschäftigten umgeschult werden müssen. Das Tempo, mit dem diese Entwicklung fortschreitet, erfordert eine Höher- oder Umqualifizierung durch lebenslanges Lernen. Mit Maßnahmen wie Upskilling und Reskilling haben Unternehmen eine große Chance, ihren eigenen Talentpool zu stärken. Und das Internal Sourcing wird zunehmend nicht nur auf feste Vollzeitstellen ausgerichtet sein, sondern auch auf flexible Projektarbeit.

Sany: Ganz genau, aber das kontinuierliche Lernen betrifft nicht nur die sogenannten White-Collar-Arbeitsplätze, sondern alle Jobs: Monotone, physisch anstrengende und zum Teil auch gefährliche Arbeiten werden immer mehr durch digitale Lösungen und Roboter erledigt. In allen Berufen geht es nicht mehr um Work-Life-Balance, sondern um ein Leben, das mental und physisch gesund ist und Freude macht. Abschließend: Wie sehen meine Empfehlungen für Unternehmen aus?

Erstens: Zufriedene, engagierte und vernetzte Mitarbeitende können von überall aus groß­artige Arbeit leisten. Zweitens: eine Plattform bereitstellen, die die Führung einer mobilen Belegschaft ermöglicht. Und drittens: Unternehmen müssen proaktiv Vertrauen aufbauen, indem sie Feedback hören, transparent kommunizieren und Ergebnisse liefern. (RNF)


INFO-BOX
Über die Gesprächspartner
Als Head of Talent Acquisition Sales EMEA bei Workday setzt sich Kimberly Maucher-Lynch leidenschaftlich für die zukünftige Arbeitswelt ein. In den letzten 20 Jahren hat sie die Rekrutierung von Talenten, die Nachfolge von Führungskräften, die Gewinnung von Kandidat:innen und die Transformation des Personalwesens in Technologies- und Pharma-Unternehmen vorangetrieben. ­Darüber hinaus fördert sie Sozial-Entre­preneure als Mentorin und Coach. 

Peter Sany ist Executive Advisor beim Technologieunternehmen Zoom Video Communications sowie Unternehmer und Berater mit einem einzigartigen Erfahrungsschatz. Er verfügt über zwölf Jahre Erfahrung als geschäftsorientierter CIO und als Vorstandsmitglied in großen multinationalen Unternehmen in der Pharma-, Telekommunikations- und Finanzbranche.