Menschen mit Behinderungen in den Büroalltag zu inkludieren hat zahlreiche Vorteile. © Freepik
Mythen und Unachtsamkeiten erschweren den Büroalltag für Menschen mit Behinderungen. Doch man kann Inklusion auch als Chance gegen den Fachkräftemangel sehen.
Die Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsalltag stellt ein wichtiges und für alle Seiten förderliches Anliegen dar. Andreas Gnesda und Oliver Bertram, beide CEOs von teamgnesda, beschäftigen sich im Rahmen ihrer Projekte intensiv mit der Frage der baulichen Barrierefreiheit in Unternehmen.
Auf welchem Stand befindet sich die Barrierefreiheit in Österreichs Büros derzeit? Welche einfachen Maßnahmen sind sofort oder mit wenig Aufwand umsetzbar? Antworten auf diese und weitere Fragen, die Barrierefreiheit im Arbeitsumfeld aufwirft, werden unter anderem in Kooperation mit Robert Öllinger von myAbility Social Enterprise GmbH behandelt und Lösungen erarbeitet.
Unterschiedliche Beeinträchtigungen
Grundsätzlich bedeutet Barrierefreiheit, dass Menschen mit Behinderungen nicht daran gehindert werden, ihr Leben gleichberechtigt, selbstbestimmt und unabhängig zu leben und an der Gesellschaft teilzuhaben. Laut der letzten Erhebung der Bundesanstalt Statistik Austria leben in Österreich 18,4 Prozent der Menschen mit einer Behinderung.
Den größten Anteil stellen aber laut Statistik Austria mit 14,1 Prozent Mobilitätsbehinderungen dar, drei Prozent leben mit einer Sehbehinderung. Vollständige Barrierefreiheit stellt aufgrund der Vielfalt der Beeinträchtigungen eine Herausforderung dar; dennoch können durch kontinuierliche Verbesserungen und Anpassungen erhebliche Fortschritte in Richtung einer inklusiveren und zugänglicheren Umgebung erreicht werden.
Inklusion ist ein Mehrwert
Menschen mit Behinderungen in den Büroalltag zu inkludieren hat zahlreiche Vorteile. Einerseits bringen sie bestimmte Kompetenzen in ein Team, die Menschen ohne Behinderungen häufig fehlen. „Um mein Leben so leben zu können, wie ich das möchte, muss ich stets sehr lösungsorientiert und kreativ denken. Das sind gefragte Kompetenzen auch am Arbeitsmarkt“, so Öllinger. Die Gesellschaft besteht nicht aus Normtypen, daher ist es ratsam, innerhalb von Unternehmen ebenfalls auf diverse Teams zu achten und so Wettbewerbsvorteile zu generieren.
„Auch der aktuelle War for Talents verdeutlicht die Bedeutung der Inklusion. Die Arbeitslosenrate unter Menschen mit Behinderungen ist doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Behinderungen. Es zahlt sich hier absolut aus, als Arbeitgeber:in offen zu sein und Chancen zu geben, da ein echtes Potenzial für den Arbeitsmarkt besteht, besonders in Zeiten des Fachkräftemangels. Inklusion ist kein Mehraufwand, sondern ein Business Case“, meint Andreas Gnesda.
Häufige Mythen wie beispielsweise der besondere Kündigungsschutz für Menschen mit Behinderungen schrecken Firmen oftmals ab. Jedoch tritt dieser erst nach vier Jahren in Kraft. Darüber hinaus gibt es auch Lohnförderungen und eine Einstellungspflicht von Menschen mit Behinderungen. Ab 25 Mitarbeiter:innen muss auch zumindest ein Mensch mit Behinderung angestellt werden.
Quick Wins und häufige Fehler
„Bei unseren Projekten wird die Barrierefreiheit von Beginn an mit eingeplant, so können große Anpassungen bzw. Mehrkosten vermieden werden. Wir arbeiten dabei im direkten Austausch mit Unternehmen wie myAbility und haben Mitarbeiter:innen, die sich speziell mit barrierefreien Leitsystemen beschäftigen“, so Bertram.
„Es gibt entgegen der häufigen Annahme, dass Barrierefreiheit kompliziert und teuer sein muss, zahlreiche Maßnahmen, die bereits die Barrierefreiheit erhöhen, aber kaum einen Aufwand darstellen“, so Robert Öllinger. Glasflächen stellen häufig für Menschen mit Sehbehinderungen ein Problem dar. Anhand von zwei kontrastierenden Farben, die mittels Streifen, Logos oder ähnlichem an Glasflächen angebracht werden, werden sie auch für Menschen mit Sehbehinderungen gut sichtbar.
Negative Auswirkungen durch laute Umgebungen können für Menschen mit Hörbehinderungen einfach mit speziellen Akustikpanelen oder spezifischen Vorhängen minimiert werden. „Davon profitieren natürlich alle im Büro. Auch bei Menschen ohne Behinderungen erhöht sich dadurch die Aufmerksamkeit“, so Öllinger.
Durch das Vermeiden von Stolperfallen wie frei liegenden Kabeln im Büro wird die Barrierefreiheit ebenfalls einfach erhöht. Öllinger warnt außerdem vor dem Bau von Rollstuhlrampen mit falschen Steigungswinkeln oder ohne Zwischenpodeste. Farben haben ebenfalls eine große Bedeutung, auf die teamgnesda im Rahmen seiner Beratung hinweist. „Hier sollte immer auf eine möglichst hohe Kontrastierung von Räumen und Möbeln, beziehungsweise Türen geachtet werden“, rät Oliver Bertram.
Auch Stehtische sollten nicht die einzige Option in Besprechungszimmern oder Kaffeeküchen darstellen. „Am besten ist, man hält sich an Ö-Normen und fragt dann aber unbedingt auch betroffene Menschen selbst. Man sollte sich hier nicht einfach auf die eigene Einschätzung verlassen“, mahnt Öllinger.
Inklusive Arbeits- und Feierkultur
Am bedeutsamsten und absolut kostenfrei ist aber die Kultur im Büro. Indem auf eine barrierefreie Besprechungskultur geachtet wird und immer nur eine Person spricht, während alle anderen zuhören, wird Menschen mit Behinderungen ermöglicht, dank Dolmetscher:innen ebenfalls an einem Gespräch teilzuhaben. „Auch der After-Work-Drink sollte nicht in einem Raum im 1. Stock ohne Stufen stattfinden, wenn man Menschen mit Behinderungen im Team hat. Hier kann man einfach überlegen, wie man solche Events für alle im Team zugänglich macht“, erklärt Öllinger abschließend. (BS)