Wissen ist Macht – auch im digitalen Zeitalter. Um im Facility-Management der Zukunft zu reüssieren, müssen eingeschlagene Kurse neu ausgerichtet werden. © creativeart/Freepik
Facility-Management in Zeiten großer Veränderungen
Das Geschäft mit Dienstleistungen rund ums Gebäude der Zukunft ist überproportional von der Digitalisierung betroffen. Hunderttausende Jobs werden sich dem digitalen Wandel und anderen neuen Gegebenheiten anpassen müssen.
Moderne Gebäude brauchen viel Betreuung. Damit Österreichs Immobilien funktionieren und betriebsbereit sind, arbeiten rund 250.000 Menschen tagein/tagaus daran, dass alles funktioniert und sauber ist. Die Arbeiten beginnen bei der Reinigung von Böden, Fenstern und Einrichtungen und reichen bis zur Wartung von Systemen, z. B. Beleuchtung, Heizung und Raumklima oder IT, Sicherheitsanlagen sowie komplizierten Zugangssystemen zu Gebäuden und Räumen.
Damit dies alles funktioniert, werden diese Leistungen von der Immobilienwirtschaft – z. B. Immobilienverwaltungen – gemanagt. Durch den Zuwachs an Gebäuden und die immer aufwendigeren Einrichtungen steigt die Wirtschaftsleistung der ganzen Branche in ganz Europa schneller als die Gesamtwirtschaft. Mehr als zwölf Milliarden Euro erwirtschaftet die Facility-Service-Branche (FS-Branche) in Österreich jedes Jahr.
Vorboten der Digitalisierung
Im Bereich der FS hat die Digitalisierung schon lange Einzug gehalten. Kameras spielen dabei sehr oft eine Rolle. Sicherheitspersonal wird automatisch bei unüblichen Bewegungen oder Stillstand eines Gegenstands (z. B. einem abgestellten Trolley) alarmiert. Die laufende Überwachung in und um Gebäude wird automatisiert, sodass Personal vor Ort eingespart werden kann. Die regelmäßige Reinigung von WC-Anlagen in bestimmten Zeitintervallen kann entfallen, wenn diese nicht benutzt werden. Nach einer vorgegebenen Anzahl von Nutzern wird das Personal automatisch gerufen. Das optimiert die Auslastung des Reinigungspersonals und reduziert die Kosten massiv.
Chancen versus Herausforderungen
Neue Technologien unterstützen die Unternehmen und deren Mitarbeiter. Untersuchungen aus den USA zeigen, dass fast 50 Prozent der Jobs innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre automatisiert werden könnten. Das Bild für die FS-Branche ist noch drastischer: In der amerikanischen FS-Branche sind sogar 68 Prozent jener Arbeitsplätze, bei denen noch operative Arbeit durchgeführt wird, betroffen. Alexander Redlein, Professor für Immobilien und Facility-Management an der TU Wien: „Durch die zunehmende Digitalisierung verändert sich das Kerngeschäft und dadurch auch der Bedarf nach Infrastruktur und Services. Vor allem die Nachfrage nach Services steigt. Das bedeutet höhere Kosten, die nur durch ein effizientes Management eingefangen werden können. Neue Technologien ermöglichen z. B. ständige Kommunikation der Anlagen mit dem Servicepersonal, das dadurch rascher auf den Bedarf reagieren kann. Die Jobs der Zukunft werden ganz anders aussehen als heute. Wie auch eine WIFO-Studie besagt, ist ständige Weiterbildung absolut essenziell. Nur so ist es als Individuum, als Unternehmen und auch als Staat möglich, aus der Digitalisierung einen Erfolgsfaktor zu machen.“
Reinigungspersonal zu 65 Prozent von Automatisierung betroffen
Was das Automatisierungspotenzial in Europa und Österreich betrifft, wurden in den letzten zwei Jahren verschiedenste Zahlen geschätzt: Sie reichen von zwölf bis 54 Prozent. Das IHS hat sich die Automatisierungswahrscheinlichkeit bestimmter Tätigkeiten für Österreich genauer angesehen. Die TU Wien hat anhand dieser Studie herausgefunden, dass die FS-Branche besonders stark betroffen sein wird. Mehr als 40.000 Beschäftigte im Facility-Service fallen in die höchste Risikogruppe. Für fast 200.000 weitere Personen im FS besteht mittleres Automatisierungsrisiko. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass diese Jobs alle wegfallen, aber sie werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit ändern. Redlein: „Nach dieser Untersuchung liegt beim Reinigungspersonal das Automatisierungsrisiko bei über 65 Prozent. Die Reinigungskraft der Zukunft ist also mehrheitlich ein Roboter. Der Einsatz wird in fünf bis zehn Jahren rentabel sein. Aber schon jetzt ändert sich das Tätigkeitsspektrum. Inspektionen durch Mitarbeiter werden immer mehr durch Sensorik ersetzt, die kontinuierlich Daten erfasst und so ungewünschte Änderungen sofort erkennen und das Personal verständigen kann. Es zeigt sich eine Entwicklung hin zu Service-on-demand, wodurch die Effektivität stark gesteigert werden kann.“
Neue Technologien bedeuten auch neue Arbeitsplätze
Derzeit existieren kaum Untersuchungen zu den diversen neuen Arbeitsplätzen, die durch die Digitalisierung entstehen werden. Manche Theorien gehen davon aus, dass die neuen Technologien die menschliche Arbeitskraft unterstützen und so die Gesamtproduktivität und damit auch die Löhne erhöhen werden. Durch mehr Einkommen soll die Nachfrage nach neuen Produkten ansteigen, wodurch die Gesamtwirtschaft angekurbelt wird. Redlein: „Tatsache ist, dass derzeit nicht klar ist, welche Jobs verschwinden und welche neu geschaffen werden. Die FS-Branche wird auf alle Fälle überdurchschnittlich von der Digitalisierung betroffen sein. Unsere Aufgabe ist es nun, sowohl die Unternehmen als auch die Menschen auf diese neue Situation vorzubereiten.“
Neue Aufgaben für Immobilientreuhänder
Bauen wird immer teurer. Das liegt teilweise an laufend neuen Vorschriften und Normen, andererseits aber auch an innovativen Anlagentechniken, die das Leben und Arbeiten in modernen Gebäuden angenehmer und einfacher machen. Immobilientreuhänder tragen als Bauträger eine große Verantwortung, damit die Gebäude der Zukunft wirtschaftlich angemessen und optimal auf die jeweiligen Bedürfnisse der Bewohner zugeschnitten sind. Immobilienverwalter haben in weiterer Folge den Betrieb der Gebäude zu überwachen und eine Verfügbarkeit aller Räume zu gewährleisten. Die Digitalisierung spielt daher auch für Immobilientreuhänder eine immer wichtiger werdende Rolle, die auch das Berufsbild der Bauträger, Verwalter oder auch Immobilienmakler sukzessive verändert.
Michael Pisecky, Fachgruppenobmann der Immobilientreuhänder in der Wiener Wirtschaftskammer: „Die Digitalisierung kann uns helfen, effizienter und damit günstiger zu bauen. Das kommt durch niedrigere Benützungskosten allen Bewohnern zugute. Auch im Betrieb – also durch eine Optimierung der Abläufe z. B. durch Roboter – sehe ich einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Für die Hausverwaltungen, die den Betrieb der Gebäude managen müssen, bedeutet dies eine enorme Umstellung. Diese ist aber – ebenso wie im FS – eine große Chance. Zentraler Punkt bei der Digitalisierung ist und bleibt die Ausbildung. Die Zeiten ändern sich derzeit so schnell, dass eine laufende Weiterbildung zur Selbstverständlichkeit werden wird.“
Coworking und Wellbeing sind die nächsten Trends im FM
Das IFM der TU Wien hat schon vor sieben Jahren bei seinem alljährlichen Kongress das Thema Workplace-Management als wichtigen Trend im FM platziert. Heute ist es das Thema auf allen internationalen Kongressen und verhilft FM zu einer ganz anderen Reputation, wie Pat Turnbull und Chris Hood in ihrem Vortrag am IFM-Kongress im November zeigten.
Da immer mehr Personen Einzelunternehmer sind, bietet ihnen neue Büroformen nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern auch die Möglichkeit, sich zu vernetzen. Und diese Büroformen wachsen äußerst stark. Gerade Start-ups nutzen sie gern, da sie ihnen ein Sorglospaket bieten und die Start-ups sich auf den Aufbau ihres Unternehmens konzentrieren können. Laut Chris Hood haben „45 Prozent der Nutzer schon Aufträge durch das Netzwerk erhalten und 39 Prozent haben im Netzwerk Mitarbeiter gefunden. Das fördert das Netzwerk und erhöht die Produktivität. Die Büros sind einfach, bieten aber eine Community, die gemeinsam Probleme löst.“ Die beiden Vortragenden zeigten, dass auch in den USA immer mehr Wert auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter gelegt wird und sogar eigene Standards dafür entwickelt wurden. Das umfasst die Bereiche Luft, Wasser, Licht, Ernährung, Fitness, Komfort und „Mind“. Denn Arbeitsplätze nehmen Einfluss auf die Produktivität (bis zu sieben Prozent Steigerung sind möglich), die Mitarbeiterzufriedenheit, die Abwesenheitsquote und die Gesundheitskosten und ermöglichen Vernetzung.
Raus aus alten Mustern
Der zehnte IFM-Kongress zeigte, dass die Vorstände und Geschäftsführer FM heutzutage vielmehr als Möglichkeit sehen, neue Mitarbeiter einfacher anwerben zu können und bestehende an das Unternehmen zu binden und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern, als es rein auf Kosteneinsparung zu reduzieren. Auch zeigte sich, dass Digitalisierung nicht nur durch PropTech möglich ist, sondern viele Lösungen schon jetzt zur Effektivitätssteigerung eingesetzt werden können. Die Betonung liegt auf Effektivität, sprich auf der Nutzung neuer Technologien, um neue Abläufe zu ermöglichen. Das bringt nicht nur dem Dienstleister Vorteile, sondern auch dem Kunden.
Reine Effizienzsteigerung reicht nicht mehr, sonst endet man im Kostenwettbewerb ohne Differenzierung zu den anderen Anbietern. Damit die Facility-Manager diese Möglichkeiten nutzen können, müssen sie aber ihren Komfortbereich verlassen und sich mit den neuen Themen neue Arbeitsplatzwelten und Digitalisierung beschäftigen und nicht nur die Technik und Kostensenkung im Fokus haben. (BO)