Die Europäische Kommission stellt schätzungsweise 655 Millionen Euro für Forschung und Innovation im Bereich der Robotik zur Verfügung. © Gerd Altmann/Pixabay
Neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Big Data und 5G treiben die Förderprogramme weltweit an. Wie deren Ziele aussehen und was sich daraus ableiten lässt ...
... hat die International Federation of Robotics Anfang Juni in ihrem Bericht „World Robotics R&D Programs“ zusammengefasst und veröffentlicht.
Die Förderprogramme der einzelnen Länder sind sehr unterschiedlich, was auf den jeweiligen nationalen Besonderheiten und der Historie beruht“, warnt Prof. Dr. Jong-Oh Park, stellvertretender Vorsitzender des IFR-Forschungskomitees und Mitglied des Vorstands der International Federation of Robotics (IFR). „Daher sehen wir, dass der strategische Fokus der Forschungsförderung in den führenden Robotiknationen sehr unterschiedlich gesetzt wird.“
China, Japan und Korea liegen vorn
Der strategische Plan „Made in China 2025“ dient als Blaupause für die Modernisierung der Fertigungskapazitäten der chinesischen Industrie. Dazu gehören fortschrittliche Roboter unter den zehn wichtigsten Kernindustrien. Der Entwicklungsplan für die Roboterindustrie legt Chinas Ziele für das Jahr 2020 wie folgt fest: drei bis fünf weltweit wettbewerbsfähige Roboterhersteller etablieren, die Schaffung von acht bis zehn Industrieclustern, 45 Prozent Marktanteil für Chinas High-End-Roboter im Inland und die Erhöhung der Roboterdichte in China auf 100 Roboter pro 10.000 Arbeiter. Das statistische Jahrbuch „World Robotics“ der IFR zeigt, dass China bereits im Jahr 2018 eine Roboterdichte von 140 Einheiten pro 10.000 Arbeiter in der verarbeitenden Industrie erreicht hat. Im Jahr 2019 investierte die chinesische Regierung 577 Millionen US-Dollar in die Entwicklung intelligenter Roboter.
Die neue Roboterstrategie in Japan ist eine Schlüsselpolitik der Wachstumsstrategie der Abenomics. Das Budget 2019 für Roboterforschung wurde auf 351 Millionen US-Dollar erhöht, mit dem Ziel, Japan zum weltweiten Innovationszentrum für Roboter zu machen. Der Aktionsplan umfasst sowohl die Industrie als auch wichtige Dienstleistungssektoren wie das Gesundheitswesen, die Landwirtschaft und die Infrastruktur. Laut dem statistischen Jahrbuch „World Robotics“ der IFR ist Japan weltweit die Nummer eins der Industrieroboterhersteller. Im Jahr 2018 betrug der Anteil an den globalen Lieferungen 52 Prozent.
Der „Intelligent Robot Development and Supply Promotion Act of Korea“ zielt darauf ab, die Roboterindustrie in Korea als Kern der vierten industriellen Revolution zu entwickeln. Der 2019 veröffentlichte „3. Basisplan für intelligente Roboter“ fördert die systematische Auswahl und Konzentration vielversprechender öffentlicher und privater Sektoren. Schwerpunkte sind: produzierendes Gewerbe, ausgewählte Bereiche der Serviceroboter (einschließlich Gesundheitswesen und Logistik), neue Schlüsselkomponenten und Robotersoftware. Das Budget für 2020 beträgt 126 Millionen US-Dollar. Das statistische Jahrbuch „World Robotics“ der IFR weist für 2018 für Südkorea einen Rekordbestand von rund 300.000 Industrierobotern aus (+ 10 Prozent). Innerhalb von fünf Jahren hat das Land die Zahl der Industrieroboter in Betrieb verdoppelt. Nach Japan und China stand das Land 2018 an dritter Stelle.
655 Millionen Euro für Europas Forschung
Die von „Horizont 2020“, dem achten Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union, finanzierten Robotikprojekte repräsentieren eine Vielzahl von Forschungs- und Innovationsthemen – von der industriellen Fertigung über den Einsatz im Handel und Gesundheitssektor bis hin zur Robotik für Transport, den Agrar- und Ernährungssektor und den privaten Bereich. Die Europäische Kommission stellt während der siebenjährigen Laufzeit schätzungsweise 655 Millionen Euro für Forschung und Innovation im Bereich der Robotik zur Verfügung. Das Arbeitsprogramm 2018 bis 2020 fokussiert auf die Digitalisierung der Industrie durch Robotik, Robotikanwendungen in vielversprechenden neuen Bereichen und Robotikkerntechnologien wie KI und Wahrnehmung, kognitive Mechatronik, sozial kooperative Mensch-Roboter-Interaktion und modellbasierte Design- und Konfigurationswerkzeuge mit einem Gesamtbudget von 145 Millionen Euro.
Deutschland unterstützt im Rahmen seiner Hightech-Strategie den Einsatz neuer digitaler Technologien in Wirtschaft und Verwaltung. Das Programm „PAiCE“ mit einem Förderbudget von 50 Millionen Euro über fünf Jahre legt den Schwerpunkt auf die Entwicklung digitaler Industrieplattformen sowie auf die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die diese Plattformen nutzen. Die Robotikprojekte konzentrieren sich insbesondere auf die Schaffung von Plattformen für Servicerobotiklösungen in den verschiedenen Anwendungsbereichen wie Service, Logistik und Fertigung. Deutschland ist der fünftgrößte Robotermarkt der Welt und Nummer eins in Europa, gefolgt von Italien und Frankreich. Im Jahr 2018 stieg die Zahl der verkauften Roboter um 26 Prozent auf fast 27.000 Einheiten – ein neuer Allzeitrekord. Österreich wird in dem Bericht nicht explizit erwähnt.
Anstieg in Folge in den USA
Die National Robotics Initiative (NRI) in den USA wurde mit Unterstützung der US-Regierung ins Leben gerufen, um Robotik-Grundlagenforschung zu fördern. Die Hauptziele sind Grundlagenwissenschaft und -technologien sowie integrierte Systeme, die nötig sind, um die Vision von allgegenwärtigen kollaborativen Robotern zu verwirklichen, die Menschen in jedem Aspekt des Lebens unterstützen. Darüber hinaus wird in NRI-2.0 die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Industrie, gemeinnützigen und anderen Organisationen gefördert. Das Budget des NRI betrug im letzten Jahr 35 Millionen Dollar. Zusätzliche Mittel für die Robotik zur Anwendung in der Verteidigung und in der Weltraumtechnik werden durch das Verteidigungsministerium und das Marsexplorationsprogramm bereitgestellt. Gemäß dem statistischen Jahrbuch „World Robotics“ sind die Roboterinstallationen in den Vereinigten Staaten im achten Jahr in Folge gestiegen und haben 2018 einen neuen Höchststand erreicht. Bei den jährlichen Installationen hat das Land den dritten Platz vor der Republik Korea eingenommen.
Mangel an Aus- und Weiterbildungsangeboten
„Regierungen und Unternehmen weltweit sollten sich darauf konzentrieren, die nötigen Kompetenzen für den Umgang mit Robotern und smarten Automatisierungssystemen zu vermitteln“, sagt Milton Guerry, Präsident der International Federation of Robotics. „Das ist nötig, um das Potenzial dieser Technologien voll auszuschöpfen. Die konjunkturelle Erholung in der Nach-Corona-Zeit wird die Nachfrage nach Robotik beschleunigen. Es bedarf politischer sowie privatwirtschaftlicher Strategien, um den Weg zu einer automatisierteren Wirtschaft für die Beschäftigten zu ebnen.“
Ähnlich argumentiert auch Saadia Zahidi, Expertin für Bildungs-, Gender- und Beschäftigungsinitiativen beim World Economic Forum: „Aktuell gehen nur sehr wenige Länder offensiv daran, ihr Bildungssystem an das Automatisierungszeitalter anzupassen. Die erfolgreichen Staaten fokussieren seit Langem auf die Entwicklung des Humankapitals. Einige nordeuropäische Länder sowie Singapur führen die vermutlich am sinnvollsten Versuche zur Arbeitswelt der Zukunft durch.“
Laut dem von der Economist Intelligence Unit (EIU) veröffentlichten „Automation Readiness Index“ betreiben nur vier Länder eine ausgereifte Bildungspolitik, die den Herausforderungen einer automatisierten Wirtschaft bereits gerecht wird. Südkorea führt dieses Ranking an, gefolgt von Estland, Singapur und Deutschland. Länder wie Japan, die USA und Frankreich werden als entwickelt eingestuft – China rangiert hier, anders als bei seinem Entwicklungsplan für die Roboterindustrie, noch als Schwellenland.
Einstellungspolitik ändern
Als kurzfristige Strategie auf Unternehmensebene könnte ein Wechsel der Einstellungspolitik eine Option sein, meinte Dr. Byron Clayton als CEO von Advanced Robotics for Manufacturing (ARM) beim letzten IFR-Round-Table 2019 in Chicago: „Wenn Sie keine erfahrenen Mitarbeiter finden können, müssen Sie Ihr Augenmerk auf die Qualifikationen der Bewerber richten anstatt auf ihre Berufsbezeichnung.“ Man müsse auf das Potenzial der Bewerber setzen. „Wenn Sie keine erfahrenen Mitarbeiter finden können, müssen Sie eben jemanden einstellen, der in der Lage ist, den Job zu erlernen.“
Das Thema „Next Generation Workforce – Upskilling for Robotics“ wird auch von Experten bei dem IFR-Executive-Round-Table am 9. Dezember auf der weltweit führenden Messe für smarte Automation und Robotik automatica in München diskutiert. (BS)
www.ifr.org