Wie Wetterextreme die Aktienmärkte beeinflussen.

NEW BUSINESS - NR. 12, DEZEMBER 2024
Für Anleger ist die Frage spannend, zu welchem Verhalten die Märkte tendieren, wenn Wetterextreme vorhergesagt werden. © Freepik

Im Jahr 2023 verursachten Wetterextreme weltweit Schäden in Höhe von 250 Mrd. Dollar, von denen nur 95 Mrd. versichert waren. Bei aller Tragik ergeben sich für Anleger auch Chancen.

Die Wahrscheinlichkeit für verheerende Naturkatastrophen nimmt immer mehr zu – erst im September wurden Teile Österreichs von katastrophalem Hochwasser heimgesucht. Die Folgen sind menschliche Tragödien und schwere Schäden im Bereich der Infrastruktur. Das Ausmaß extremer Wetterereignisse wie Starkregen, Wirbelstürme oder Überflutungen bekommen immer mehr Menschen leidvoll zu spüren. Nach dem ersten großen Schock und den Aufräumarbeiten geht es oft um die Frage, wie viel Geld für Hilfe bereitsteht und wer für Schäden aufkommt. Versicherungen spielen hier eine entscheidende Rolle, weil sie vor der Herausforderung stehen, hohe Auszahlungen zu leisten.

Doch wer meint, dass Versicherungsgesellschaften deshalb in die Bredouille kommen, der irrt, weiß Hans Selleslagh, Österreich-Sprecher des Online-Brokers Freedom24: „Untersuchungen zeigen, dass diese Unternehmen nach großen Katastrophen zwar geringfügig negative Renditen verzeichnen, die Auswirkungen insgesamt aber weniger gravierend sind, als manche erwarten würden.“ Nach Hurrikans etwa würden die Verluste meist unter einem Prozent liegen, es komme jedoch auf den Schweregrad der Naturkatastrophe an. In der Hurrikan-Saison 2017 etwa führten die Wirbelstürme Harvey, Irma und Maria zu Schäden in Höhe von 125 Milliarden US-Dollar. Während Versicherungs­aktien zunächst aufgrund der Schadensauszahlungen fielen, stiegen die Kurse von Unternehmen wie Home Depot und Lowe’s, die Materialien für den Wiederaufbau lieferten, deutlich an. 

Unwetter im Anmarsch: Welche ­Sektoren sind besonders volatil?
Für Anleger ist die Frage spannend, zu welchem Verhalten die Märkte tendieren, wenn Wetterextreme vorhergesagt werden. Dazu sagt Selleslagh: „An den Aktienmärkten merkt man die Auswirkungen meist rasch. Sektoren, die eng mit der physischen Infrastruktur verbunden sind, wie Energie, Landwirtschaft und Versicherungen, sind in der Regel als erste von Volatilität betroffen. Wenn beispielsweise ein Hurrikan im Golf von Mexiko vorhergesagt wird, können die Ölpreise in die Höhe schnellen, da sich die Produktionsanlagen auf die Schäden vorbereiten. Ähnlich kann es bei Agraraktien zu einer Bewegung kommen, wenn die Gefahr von Ernteschäden besteht.“

Während der Wirbelstürme Harvey und Irma, die die US-Ölproduktion erheblich beeinträchtigten, stieg der Volatilitätsindex beispielsweise stark an, was auf kurzfristig zunehmende Ängste der Investoren hindeutet. Als sich die Schadensschätzungen jedoch zu stabilisieren begannen und geringer ausfielen als erwartet, erholte sich der S&P-500-­Index schnell wieder, was das komplexe Zusammenspiel zwischen Angst einerseits und Erleichterung über Erholung andererseits in der Marktstimmung verdeutlicht. Weil Schäden und Beeinträchtigungen aber meist nicht in wenigen Tagen vorüber sind, sondern im Gegenteil, oft lange nachhallen, haben sie auch langfristige Auswirkungen an den Börsen. „Investoren neigen dazu, extreme Wetterereignisse mit großer Besorgnis zu betrachten, weil sie sich direkt auf Sachwerte auswirken und langfristig Probleme verursachen“, so der Freedom24-Experte. 

Fluch und Segen: Welche Branchen Chancen bieten
Während sich natürlich niemand Unwetter wünscht und diese viel Leid verursachen, ist die statistisch höhere Wahrscheinlichkeit für deren Eintreten im Vergleich zu früheren Jahren mittlerweile ein Fakt. Bestimmte Branchen sind im Zusammenhang mit Naturkatastrophen besonders relevant, weshalb sich auch für Anleger Chancen ergeben, etwa im Bereich Bau und Infrastruktur. „Unternehmen, die sich auf den Wiederaufbau nach Katastrophen spezialisiert haben, verzeichnen oft eine erhöhte Nachfrage.

So kann beispielsweise das Baumaschinenunternehmen Caterpillar nach starken Unwettern in der Regel einen Zuwachs an Aufträgen verzeichnen“, erklärt Selleslagh. Ebenso führt er den Bereich erneuerbare Energien ins Treffen, genauso wie Unternehmen, die an technologischen Lösungen für smarte Infrastruktur und an Frühwarnsystemen für Fluten und Stürme arbeiten. Und auch Versicherungen würden, trotz kurzfristig massiver Zahlungspflichten, Chancen bieten und steigende Nachfrage erfahren, wenn sie etwa ihr Angebot um spezielle Naturkatastrophen-Versicherungen erweitern – seien es Überschwemmungen oder Ernteausfälle nach Dürren. 

Nachhaltigkeit und ESG-Fokus bei ­Investoren hoch im Kurs
Angesichts der Häufigkeit von Wetterextremen werden diese beziehungsweise daraus resultierende Risiken von Investoren immer stärker in ihre Entscheidungen einbezogen. „Investoren suchen verstärkt nach Unternehmen, bei denen Nachhaltigkeit eine gewichtige Rolle spielt“, meint Selleslagh und ergänzt: „Unternehmen, die hohe Standards in den ESG-Bereichen erfüllen, gelten oft als widerstandsfähiger gegenüber den Risiken des Klimawandels. Fonds, die auf ESG-Kriterien basieren, wie der MSCI ESG Leaders Index, haben in den vergangenen Jahren bessere Renditen erzielt als traditionelle Marktindizes“, so Selleslagh abschließend. (BO)