Nach einer über zehn Jahre andauernden Börsenparty haben panikartige Verkäufe den Österreichischen Aktienindex (ATX) auf den niedrigsten Stand seiner Geschichte gedrückt. © Jack Moreh/Freerangestock.com
Die Corona-Pandemie zieht ihre Spuren durch die Weltwirtschaft und damit auch die Aktienmärkte. Zertifizierte Finanzplaner erläutern die aktuelle Situation aus Beraterperspektive.
Unternehmen kündigen der Reihe nach Gewinnwarnungen an, ganze Wirtschaftszweige wie der Tourismus und die Gastronomie sind lahmgelegt, Lieferketten sind beeinträchtigt, Sparmaßnahmen stehen allerorts an der Tagesordnung: Mittlerweile ist klar, dass Covid-19 wirtschaftliche Einbußen mit sich bringt, über das Ausmaß herrscht noch große Verunsicherung. Letztere ist bekanntlich Gift für die Aktienmärkte und das Herdenverhalten von Investoren eine der größten Gefahren einer jeden Krise. Die Auswirkungen zeigen sich in Form von Börsen-Sinkflügen und angesichts der Schlagzeilen in den Medien liegt die Annahme nahe, dass Investoren um ihr Vermögen fürchten müssen: Wie können sie ihr Geld sichern? Wird die Altersvorsorge beeinträchtigt? Machen Verkäufe Sinn? Wie kann man von der Krise profitieren? Vier Experten der heimischen Finanzplaner-Community sprechen Klartext und bringen Licht ins Dunkel.
Investieren beinhaltet mehr als nur Aktienanlagen
„Die Corona-Krise betrifft vor allem die Aktienmärkte. Aktien sind eine Anlageform mit größeren Schwankungen nach oben und unten. Wichtig ist in Zeiten wie diesen, einen kühlen Kopf zu bewahren und keine Panikverkäufe zu Tiefstständen zu tätigen, sondern den Finanzexperten zu vertrauen. Krisen bringen immer auch viele Chancen mit sich“, so Eva-Maria Weidl, Finanzberaterin aus Salzburg und Vorstandsmitglied des Verbandes Financial Planners. Auch Guido Küsters, ebenfalls Vorstandsmitglied und Finanzplaner in Österreich und Deutschland, vertritt eine ähnliche Sichtweise: „Gute Finanzberater planen mit dem Blick aufs Ganze. Ein breit gestreutes Vermögen beinhaltet neben Aktien und Anleihen beispielsweise auch Immobilien und Versicherungsleistungen.“ Seine Kunden würden die derzeitigen Turbulenzen als das sehen, was sie sind: eine Panikreaktion. Küsters zufolge würden über kurz oder lang wieder rationale Überlegungen eine entscheidende Rolle spielen – trotz des unstreitigen Rückgangs der Wirtschaftsleistung bleibe dieser vorübergehend und auf Dauer würden wieder starke Unternehmen über die Wirtschaft sowie den Anlageerfolg entscheiden.
Kunden weitgehend entspannt
In jedem Fall sei es laut Sonja Ebhart-Pfeiffer, Vorstandsmitglied des Verbandes Financial Planners und Finanzberaterin bei der FiNUM.Private Finance AG, bei Aktien-Investments wesentlich, einen langfristigen Anlagehorizont zu verfolgen. Dann sei man auch von Ereignissen wie Corona weniger betroffen. „Für einen Investor, der auf 10 oder 15 Jahre Geld anlegt, wirkt sich die Entwicklung vom Frühjahr 2020 wahrscheinlich nur marginal aus, vor allem, wenn man monatlich anspart“, so die Spezialistin. Solange keine wirtschaftlichen und politischen Systeme umgekrempelt werden würden, sei Corona zwar eine ernste Krise – auf die die Börsen reagieren – aber kein strukturelles Problem. Auch die Kunden würden das weitgehend so sehen und die große Panik bliebe aus, aktive Anrufe gäbe es wenige. „Ein guter Finanzberater sollte seine Kunden allerdings proaktiv kontaktieren, sie auch emotional abholen und ihnen nun zur Seite stehen“, ist sich Ebhart-Pfeiffer sicher.
Von der Krise profitieren
Insbesondere rational denkende Kunden mit Liquiditätsbeständen könnten sich die Situation zunutze machen und die Gelegenheit für günstige Zukäufe nutzen. „Meine Empfehlung ist es, nicht die gesamte Liquidität in einem Brocken in den Markt zu werfen, sondern häppchenweise zu verteilen“, sagt Ebhart-Pfeiffer. Auch Daniel Drißner, Vorstandsmitglied des Verbandes Financial Planners und Finanzberater bei RAETIKON.invest in Vorarlberg, rät Investoren, die Füße still zu halten: „Anleger sollten gemeinsam mit ihrem Finanzberater ruhig und besonnen die persönlichen Veranlagungsstrategien verfolgen, gegebenenfalls überprüfen und die gefallenen Kurse selektiv für mögliche Zukäufe nutzen. Denn bei einer strategischen Veranlagung ist die Zeitspanne und weniger der Zeitpunkt entscheidend.“
Zudem sind sich alle Vorstandsmitglieder einig, dass Verbraucher die aktuell schwierige Situation zum Anlass nehmen sollten, um einen „Finanzcheck“ zu machen. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich nämlich, wie stabil die eigenen Finanzanlagen sind. „Machen Sie eine Liste – Ihr Haus, andere vermietete Immobilien, Versicherungs- und Pensionsleistungen, Wertpapiere und so weiter – und überprüfen Sie, wo Sie wirklich verloren haben, aktuell und über die letzten Jahre. Sie werden sehen, dass die Verluste in den seltensten Fällen vermögensbedrohend sind. Ein guter Finanzplaner sorgt dafür, dass Sie Ihr Vermögen breit streuen, sodass Sie sich in der nächsten Krise gut beraten und sicher fühlen, falls dies aktuell noch nicht so ist“, so Küsters abschließend. (BO)