Grün kommt gut an. Bei der Wirtschaft wie beim Konsumenten. © Fotolia/Valenty
Pflichtübung, Mittel zum Zweck oder schlichtweg Mogelpackung: CSR läuft in der Praxis oft anders ab, als sie eigentlich sollte ...
... Wie Unternehmen Nachhaltigkeit richtig implementieren und warum sie im Kerngeschäft ankommen muss.
Die Begriffe Nachhaltigkeit oder Sustainability gehören in der Wirtschaft schon lange zum gängigen Vokabular. Gutes Tun liegt im Trend und CSR, also die unternehmerische Verantwortung in Bezug auf die Gesellschaft, kommt beim Konsumenten gut an. In der Theorie bedeutet das faire Arbeitsbedingungen, umweltfreundliche Produktionsprozesse und der nachhaltige Umgang mit Ressourcen. Und in der Praxis? Wird Nachhaltigkeit in nationalen und internationalen Unternehmen tatsächlich gelebt? So manche groß angekündigte CSR-Strategie entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Etikettenschwindel. NEW BUSINESS hat mit Nunu Kaller, Konsumentensprecherin der Umweltorganisation Greenpeace Österreich, gesprochen. Die Autorin und Bloggerin erklärt, wie richtige CSR in Unternehmen implementiert werden kann, und nimmt Unternehmen wie Konsumenten in die Verantwortung.
Tu’ Gutes und berichte darüber
Seit dem Geschäftsjahr 2017 sind in Österreich Unternehmen von öffentlichem Interesse, sprich: große kapitalmarktorientierte Unternehmen, Banken und Versicherungsunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, verpflichtet, über ihre Nachhaltigkeitsperformance zu berichten. Doch auch Unternehmen, die keinen Report veröffentlichen müssen, haben erkannt: „Tu’ Gutes und berichte darüber“ kommt beim Konsumenten gut an. Auch bei Bewerbungen haben „grüne“ Unternehmen die Nase vorn: Mehr als die Hälfte der unter 40-jährigen Jobsuchenden legt bei der Wahl eines Arbeitgebers Wert auf eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie. Am wichtigsten sind ihnen der Verzicht auf Kinderarbeit, Senkung der Emissionen sowie umweltgerechtes Verhalten im Alltag. In der Wahrnehmung der Bevölkerung wird Nachhaltigkeit in erster Linie mit Umweltschutz assoziiert. Dabei ist es doch ein sehr breites Thema. Echte CSR besteht aus drei Säulen. Damit ein Unternehmen wirklich nachhaltig wirtschaftet, muss es auf der ökologischen Ebene, auf der sozialen und auch logischerweise auf der ökonomischen Ebene nachhaltig agieren. „Ein Unternehmen kann noch so umweltschützend, sozial und fair sein, wenn es nicht überlebt, hat es auch nichts davon. Diese drei Säulen müssen daher austariert sein“, erklärt Nunu Kaller.
Geht es in erster Linie darum, in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit „grün“ dazustehen, und entpuppt sich die groß angekündigte Nachhaltigkeitsstrategie als reine PR-Maßnahme, wird von Greenwashing gesprochen. „Ein Textilkonzern, der damit wirbt, eine nachhaltige Kollektion zu haben, und gleichzeitig 32 nicht nachhaltige auf den Markt bringt, wird dadurch kein Fair-Fashion-Unternehmen“, erklärt Nunu Kaller. Ist in CSR-Berichten zu lesen, dass ein Unternehmen zehn Bienenstöcke gespendet hat, gleichzeitig aber Milliardenumsätze in der Lederproduktion macht, dann stimmen die Relationen nicht. „Und um die muss es gehen“, so die Autorin.
Greenwashing: Die wohlwollende PR-Masche
Woran liegt es, dass manche Unternehmen Vorzeigebeispiele für Nachhaltigkeit, soziale Fairness und Umweltschutz sind, andere wiederum aus der Negativ-PR und miesen Schlagzeilen nicht herauskommen? Die Krux liegt nicht, wie man glauben möchte, in der Branche, sondern im Kerngeschäft eines jeden einzelnen Unternehmens begraben. „Wenn das Kerngeschäft des Unternehmens im Ansatz ein Umweltzerstörendes ist, wird dort Nachhaltigkeit nie funktionieren. Wenn es dein Geschäft ist, möglichst schnell, möglichst viel und möglichst billige Kleidung unter die Leute zu bringen, dann kannst du auch nicht nachhaltig sein. Und dann ist es zwar lobenswert, wenn deine Filialen Ökostrom nutzen, für das Kerngeschäft ist es aber irrelevant“, sagt die Greenpeace-Mitarbeiterin. Dass es auch anders geht, beweisen zahlreiche faire Textilkonzerne, die nicht in Billigstlohnländern produzieren lassen, die auf faire Arbeitsbedingungen setzen und nachhaltig mit Ressourcen und Umwelt umgehen. Womit macht ein Unternehmen seinen Gewinn? Das ist laut der Expertin die bedeutendste Frage. Schwierig haben es Unternehmen, die intern großartig aufgestellt sind und durch sämtliche Abteilungen auf faire und soziale Arbeitsbedingungen setzen, deren Kerngeschäft sich aber nicht mit Nachhaltigkeit vereinbaren lässt. Gerade in der Industrie können nicht alle Kompromisse zugunsten der Nachhaltigkeit ausgehen. Wenn ein Betrieb Komponenten produziert, die nur in riesigen Staudämmen eingesetzt werden, dann ist das immer ein Eingriff in die Natur, zu dem man beiträgt – ein solches Unternehmen wird die ökologische Säule niemals erreichen, auch wenn es versucht, so viele ernst gemeinte nachhaltige Maßnahmen wie möglich zu setzen.
Die Rolle des Konsumenten
Nie zuvor waren Konsumenten so kritisch wie heute. Und nie zuvor konnten sie mehr Informationen einholen wie heute. Nunu Kaller spricht von einer „Holschuld des Konsumenten“, der seine Augen nicht verschließen darf. Dass es vielen Menschen heute nicht mehr gleichgültig ist, woher ihre Kleidung kommt, wie ihre Lebensmittel angebaut werden oder unter welchen Arbeitsbedingungen produziert wird, zeigt die Fülle an Gütesiegeln am Markt. In Zeiten der Verunsicherung durch Fleisch- und Pestizidskandale, der Klimaerwärmung und des Bienensterbens, der Überfischung der Meere und deren Verschmutzung durch Plastikprodukte ist es verständlich, dass Konsumenten nach Orientierung suchen. Die Idee, Menschen durch ein Gütezeichen das Vertrauen zu geben, dass ein Produkt das hält, was es verspricht, macht Sinn. Bereits die Hälfte der Österreicher achtet beim Kauf von Lebensmitteln auf Zertifikate. Jedoch ist nicht jedes Gütesiegel tatsächlich ein Garant für nachhaltige Produktion. „Es gibt leider Gütesiegel, die nicht das halten, was sie vermitteln wollen, weil deren Standards viel zu schwach sind. Wenn ein Gütesiegel für nachhaltigen Fischfang steht, es dafür aber genügt, dass der Aktionsplan der Fischerei besagt, erst in fünf Jahren nicht mehr in einem überfischten Fanggebiet zu fischen, kann man sie doch nicht schon heute mit einem Gütesiegel auszeichnen“, kritisiert Nunu Kaller. Greenpeace hat Gütezeichen für Lebensmittel, die von den zehn größten österreichischen Supermarktketten verwendet werden, auf ihre Vertrauenswürdigkeit untersucht und erst im Februar die Ergebnisse veröffentlicht. Das alarmierende Ergebnis: Ein Drittel der im Handel verbreiteten Gütezeichen ist nicht vertrauenswürdig oder sogar kontraproduktiv für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen. Die besten Noten vergab die unabhängige Umweltschutzorganisation im Bio-Bereich, wo teilweise die nötigen Anforderungen übertroffen wurden. „Die jeweiligen Bio-Eigenmarken der einzelnen Supermärkte sind durchgehend vertrauenswürdig. Der Griff nach Bio-Produkten, die regional erzeugt wurden, ist in jedem Fall die ökologischste Kaufentscheidung, die man im Supermarkt treffen kann“, sagt Nunu Kaller.
Unternehmensstrategie top down
Möchte ein Unternehmen tatsächlich nachhaltig(er) wirtschaften, hat das Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen. „Richtige CSR ist nach innen gerichtet. Alle Abteilungen müssen sich anschauen, was bei ihnen wie rennt“, erklärt Nunu Kaller. Es ist nötig, eine Stelle zu schaffen, an der alle Fäden zusammenlaufen. „CSR muss von oben kommen. Und durchgesetzt werden. Es muss durch die gesamte DNA, durch alle Abteilungen eines Unternehmens gehen.“ Kann oder möchte ein Unternehmen sich keinen eigenen CSR-Beauftragten leisten, helfen zahlreiche Beratungsstellen. Wie ernst es Unternehmen mit der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie ist, erkennt die Konsumentensprecherin schon daran, wo die jeweiligen CSR-Verantwortlichen im Unternehmen angesiedelt sind. Sind sie eine Stabstelle der Geschäftsführung – gut. Gehören sie zur Unternehmenskommunikation – dann ist laut Nunu Kaller Vorsicht geboten. Zu oft hat sie in Aussendungen über Aktionspläne gelesen, welche Ziele in fünf bis zehn Jahren erreicht werden wollen, die niemals eingehalten wurden. „Wenn ein Unternehmen Schritte in die richtige Richtung setzen möchte, muss man ihm auch Zeit lassen, diese umzusetzen. Das sind langwierige Prozesse. Externe Beobachter können dabei helfen, zu analysieren, ob diese Schritte tatsächlich in die richtige Richtung gehen. Dann ist es auch nicht nötig, zu sagen: ‚Das geht nicht schnell genug.‘ Aber es müssen die richtigen und große Schritte sein.“ Nicht weit genug gehende Schritte sind für die Konsumentensprecherin jene, die wie schon beschrieben nicht ins Kerngeschäft eines Unternehmens dringen. „Das A und O ist das Kerngeschäft. Es ist ein schöner Zusatz, wenn ein Automobilkonzern Gehörlose in der Produktion beschäftigt, deswegen kann er seinen Diesel aber nicht als nachhaltig verkaufen.“
Abschließend stellt sich die Frage, ob es möglich ist, gut und gleichzeitig nachhaltig zu wirtschaften? „Ich bin davon überzeugt, dass es geht“, sagt Nunu Kaller. „Es gibt zahlreiche Vorzeigebeispiele. Es ist sicher nicht einfach, aber es funktioniert.“ (MW)
BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
• Nachhaltigkeit, engl. Sustainability
Der Begriff bezieht sich auf eine Form des Wirtschaftens, die möglichst lange mit endlichen Ressourcen umgeht. Der Begriff wurde 1713 erstmals von Freiherr Carl von Carlowitz verwendet, der damit dem bereits seit dem 12. Jahrhundert bekannten Prinzip „Pflanze einen Baum für jeden Baum den du fällst“ einen Namen gab.
• Unternehmensverantwortung, engl. Corporate(Social)Responsibility, CSR oder CR
Bezeichnet die unternehmerische Verantwortung für jeden Einfluss, ob positiv oder negativ, den Entscheidungen oder Aktivitäten auf Gesellschaft und Umwelt haben oder haben können. Die EU-Kommission definierte 2011 CSR als die „Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“ und stellte damit klar, dass CSR keine „freiwillige Maßnahme“ ist, sondern das Kerngeschäft und seine Auswirkungen betrifft. Dennoch kommt es durch das Wort „Social/Sozial“ immer noch zu Missverständnissen, weshalb zur Verdeutlichung vielfach nur mehr CR, Corporate Responsibility, oder international auch „Responsible Business Conduct, RBC“ und „Corporate Sustainability, CS“ verwendet wird.
WICHTIGE ADRESSEN
• Denkstatt:
Nachhaltige Entwicklung und Klimawandel; Ressourcenmanagement; ethische Berufspraxis; gemeinsame Wertschöpfung; Energiethemen von Beschaffung bis hin zur Verwendung. Unternehmen, die dabei Unterstützung suchen, sind hier genau richtig. www.denkstatt.at
• Greenpace Österreich:
Die HP der globalen Umweltorganisation informiert unter anderem über die zahlreichen internationalen Kampagnen und Berichte zum Schutz der Umwelt. Aktuell: Gütezeichen-Guide für Lebensmittel.
www.greenpeace.org
• nachhaltigkeit.at:
Das Nachhaltigkeitsportal des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus berichtet über Strategien und Projekte. Hier finden Sie ebenfalls Informationen zum TRIGOS, Österreichs Auszeichnung für Wirtschaften mit Verantwortung.
www.nachhaltigkeit.at
• respACT:
Österreichs führende Unternehmensplattform für verantwortungsvolles Wirtschaften. Informiert, vernetzt und treibt CSR in Österreich als Themenführer voran.
www.respact.at