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Ein Konzept für die Krise(n).

NEW BUSINESS - NR. 3, APRIL 2021
Wird die Leistung im Zeitverlauf betrachtet, wird deutlich, wie gut das Unternehmen oder die Organisation reagiert und in welcher Phase es noch Verbesserungsbedarf gibt. © Fraunhofer

Klimawandel und Digitalisierung haben das Thema Resilienz in die öffentliche Diskussion gerückt. In der Pandemie wird die organisatorische Widerstandskraft erneut auf die Probe gestellt.

Das Thema Resilienz wurde in den vergangenen Jahren häufig im Zusammenhang mit Herausforderungen wie Klimawandel oder öffentliche Sicherheit diskutiert. Durch die Covid-19-Pandemie ist der Begriff abermals in den Blickpunkt gerückt. Wie können Wirtschaft, Staat und Gesellschaft solche extremen Herausforderungen und Krisen meistern? Und was könnte man aus der aktuellen Situation für die Bewältigung künftiger Krisen lernen? „Souveränität und Resilienz in zentralen, strategisch wichtigen Technologiebereichen sind essenzielle Eckpfeiler, um die Versorgung mit wichtigen Gütern, die Stabilität von Lieferketten und damit die Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen zu sichern“, erklärt Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer. „Denn der Indikator dafür, ob und wie Organisationen und Gesellschaften kritische Situationen technologisch, sozial und wirtschaftlich souverän meistern, ist ihre Resilienz. Fraunhofer legt hierfür nun ein ganzheitliches Kompetenz­angebot vor, das praxisnahe Lösungen im Lichte der aktuellen Pandemie und zukünftiger Krisen offeriert.“

Was macht das Thema eigentlich so komplex?
Ein auch langfristig erfolgreiches Resilienzkonzept beinhaltet viel mehr als nur die Fähigkeit, Schocks und Krisen mit einer gewissen Robustheit zu begegnen und danach schnell wieder den alten Zustand herzustellen. Ziel ist es vielmehr, während einer Krise die Kernfunktionen in Bereichen wie Wirtschaft, Gesundheits- oder Bildungswesen aufrechtzuerhalten sowie aus den Erfahrungen zu lernen und dementsprechend gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Voraussetzungen hierfür sind aus Sicht der Autorinnen und Autoren der Studie drei wesentliche Kompetenzen. Erstens müssen Organisationen oder Unternehmen in der Lage sein, schnell und agil auf Störereignisse zu reagieren. Zweitens sollten sie Warnzeichen oder Indikatoren für das Aufziehen von Krisen frühzeitig erkennen und schnell Gegenmaßnahmen einleiten. Und drittens ist es entscheidend, kontinuierlich aus Krisen zu lernen und diese Erkenntnisse in innovative Maßnahmen und dynamische Strukturen zu verwandeln. Jakob Edler vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI, einer der Autoren der Studie, fasst zusammen: „Resilienz bedeutet, schnell und flexibel auf Schocks und Krisen zu reagieren und sich mittels Innovation an neue Situationen anzupassen.“

Transformation aktiv mitgestalten
Edler weist zudem auf die Rolle von Entwicklungen wie Digitalisierung und Energiewende hin: „Diese tiefgreifenden Transformationsprozesse müssen wir aktiv gestalten und dabei die Resilienz von Anfang an mitdenken“. Gerade die Digitalisierung erhöht die Komplexität der Systeme und damit die Gefahr von Störungen. Durch Kaskadeneffekte könnten aus begrenzten regionalen Störfällen ernste systemische Bedrohungen werden. Um dies zu verhindern, fordert das Fraunhofer-Konzept ein tiefgehendes und ganzheitliches Verständnis der eigenen Strukturen. Das gilt für Unternehmen ebenso wie für Behörden oder Einrichtungen der lebenswichtigen Bereiche wie Gesundheitswesen, Energie- und Wasserversorgung. Erst eine tiefe Analyse aller Strukturen und Arbeitsabläufe bringt die verborgenen Schwachstellen und Risiken an den Tag. Entscheidend dabei: Die technische Betrachtung allein genügt nicht. Eine nachhaltige, systemische Resilienz berücksichtigt immer auch den menschlichen Faktor. Die Technik muss robust und die Mitarbeitenden müssen auf Störfälle vorbereitet sein. „Wir nutzen systemische Ansätze, um die Resilienz sowohl von einzelnen Organisationen als auch beispielsweise von komplexen Lieferketten und ganzen Volkswirtschaften holistisch zu betrachten. Die Erkenntnisse daraus tragen zu deren Stärkung bei“, erklärt Florian Roth, Projektleiter am Fraunhofer ISI.

Bessere Resilienz, bessere Wettbewerbsfähigkeit
Nach Überzeugung der Forscherinnen und Forscher zahlen sich Investitionen in Resilienz auch ökonomisch aus. Unternehmen, die proaktiv und flexibel agieren, meistern nicht nur Krisen viel besser sondern flexibilisieren auch ihre Geschäftsprozesse und stärken ihre Innovationsfähigkeit. „Politik und Wirtschaft haben mittlerweile erkannt, dass Resilienz ein zentrales Element der strategischen Planung sein muss. Wer jetzt schnell und entschlossen Prozesse und Infrastrukturen resilient gestaltet, der hat auch klare Wettbewerbsvorteile“, sagt Stefan Hiermaier vom Fraunhofer Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI.
Von dieser Einsicht können auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) profitieren. Speziell für sie haben Fraunhofer-Forschende das kostenlose Onlinetool Fraunhofer Resilience Evaluator (FReE) entwickelt. Unternehmen können mithilfe eines webbasierten, interaktiven Fragebogens ihre Resilienzfähigkeiten erfassen, analysieren und visualisieren. Auf dieser Basis lassen sich konkrete technische oder organisatorische Maßnahmen entwickeln, um die Resilienz weiter zu verbessern. (BO)
www.emi.fraunhofer.de