Experten zufolge, können Familienunternehmen vor allem mit starken Unternehmenswerten punkten. © Fotolia/BillionPhotos
Seit Jahren sind Familienunternehmen österreichweit nicht nur in der Überzahl, sondern auch überdurchschnittlich erfolgreich. Ein sicheres Erbe für kommende Generationen? Nicht unbedingt.
Red Bull, Swarovski, Novomatic, Spar – Mit diesen Firmennamen wird in erster Linie eine rot-weiß-rote Bilderbuchentwicklung verbunden. Ein anderer gemeinsamer Nenner der weltberühmten Unternehmen ist jedoch weniger bekannt. Sie alle sind Familienunternehmen und stehen damit innerhalb der österreichischen Landesgrenzen bei Weitem nicht alleine da. Laut einer WKO-Analyse aus dem vergangenen Jahr handelte es sich bei rund 157.000 Unternehmen um Familienunternehmen mit knapp 1,8 Millionen Beschäftigten und Umsätzen in der Höhe von etwa 394 Milliarden Euro. Dabei reicht die unternehmerische Bandbreite vom kleinen Handwerksbetrieb bis hin zum weltweit erfolgreichen Großkonzern.
Rückgrat der Weltwirtschaft
Erfolgreiche Familienunternehmen sind sowohl für die globale Wirtschaft als auch für das Wohlergehen der einzelnen Länder von zentraler Bedeutung. „Familienunternehmen sind das Rückgrat der Weltwirtschaft. Global gesehen repräsentieren sie mehr als zwei Drittel aller Unternehmen und schaffen bis zu 80 Prozent aller Arbeitsplätze“, erklärt Erich Lehner, Managing Partner Markets bei der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY und verantwortlicher Partner des EY Entrepreneur Of The Year in Österreich. „Es besteht ein starker Zusammenhang zwischen der Stabilität einer Volkswirtschaft und dem Anteil an Familienunternehmen. Einfach gesagt: Erfolgreiche Wirtschaftsstandorte zeichnen sich durch erfolgreiche Familienunternehmen aus. Durch ihre Langzeitorientierung und ihre tendenziell risikoaversen Wachstumsstrategien sind diese selbst ein ganz entscheidender Stabilisator. Es ist beeindruckend, wie konkurrenzfähig Familienunternehmen auch in Zeiten der Transformation sind“.
Walmart und VW führen Top 500 an – sechs Vertreter mit Sitz in Österreich
Wie die Ergebnisse des Global Family Business Index 2019 von EY und der Universität St. Gallen zeigen, sind auch 2019 die meisten Familienunternehmen im Ranking der weltweiten Top 500 nach Umsatzstärke in Europa und Nordamerika angesiedelt. Die USA stellen nach wie vor die meisten Unternehmen in den Top 10. Fünf Vertreter kommen aus den Vereinigten Staaten. Der Einzelhandelskonzern Walmart führt das Gesamtranking an. Deutschland stellt vier der Top-Ten-Unternehmen, Volkswagen platziert sich direkt hinter Walmart auf Rang 2. Auf Rang 3 liegt Berkshire Hathaway mit Hauptsitz in den USA.
Auch sechs Familienunternehmen aus Österreich haben es 2019 unter die Top 500 geschafft. Die international tätige Holding BENTELER International AG mit Sitz der Konzernspitze in Salzburg belegt als bestplatziertes österreichisches Unternehmen Rang 187. Red Bull mit Hauptsitz in Fuschl am See, der Gaming-Technologiekonzern Novomatic mit Sitz in Gumpoldskirchen, das Bauunternehmen PORR aus Wien, Swarovski mit Sitz in Wattens und die ALPLA Privatstiftung mit Sitz in Hard sicherten sich ebenfalls einen Platz unter den 500 größten Familienunternehmen.
Österreichische Familienunternehmen wachsen über dem globalen Durchschnitt
Die enge Verflechtung von Familien und Unternehmenssphäre birgt sowohl zahlreiche Chancen und Herausforderungen als auch zukunftsbedrohende Risiken. Dennoch sehen sich heimische Familienunternehmen im internationalen Vergleich gut aufgestellt und blicken äußerst positiv in die Zukunft.
Laut der Family Business Survey 2018 der Unternehmensberatung PwC sind 82 Prozent der österreichischen Familienunternehmen laut eigenen Angaben im vergangenen Jahr gewachsen. Ein Viertel der Unternehmen konnte sogar ein zweistelliges Wachstum verzeichnen. Österreichische Familienunternehmen sind im Vergleich zur Family Business Survey 2016 nicht nur stärker gewachsen, sondern liegen auch über dem globalen Durchschnitt (2016 waren es nur 60 Prozent; global sind es 69 Prozent).
Die Untersuchungen im Rahmen der Studie zeigten auch, dass unter jenen Unternehmen, die über eine gute strategische Planung verfügen, überdurchschnittlich viele ein zweistelliges Wachstum verzeichnen können. In Österreich haben 64 Prozent der Unternehmen einen mittelfristigen, ausformulierten Strategieplan, nur neun Prozent verzichten gänzlich darauf. „Die Veränderungsgeschwindigkeit im Unternehmensumfeld ist höher als je zuvor“, erklärt Rudolf Krickl, Partner bei PwC Österreich. „Für Familienunternehmen ist es unverzichtbar, die zwei immanenten Kernelemente – Eignerstrategie und Unternehmensstrategie – zusammenzubringen, um die inhärenten Vorteile familiengeführter Unternehmen nutzen zu können.“
Starke Werte trotzen dem Wettbewerb
Die Family Business Survey 2018 kommt zu dem Schluss, dass stark von Werten geprägte Unternehmenskulturen einen Wettbewerbsvorteil bieten – drei Viertel (75 Prozent) der Unternehmen weltweit sind dieser Ansicht. Genau diesen sollten Familienunternehmen sich zunutze machen. Immerhin 86 Prozent der österreichischen Familienunternehmen sind sich ihrer für das Unternehmen vereinbarten Werte und Ziele bewusst, 61 Prozent haben diese Werte oder eine Unternehmensphilosophie auch verschriftlicht. „Die Botschaft ist eindeutig: Unternehmenswerte im Alltag aktiv zu leben, fördert Gepflogenheiten, die sich unter dem Strich bezahlt machen“, so Krickl. „Die Verpflichtung zu eindeutig formulierten Werten kann für Familienunternehmen als eine Art innerer Kompass dienen, um die Herausforderung der technologischen und wettbewerbsorientierten Disruption zu umschiffen. Die Studie zeigt allerdings ganz klar, dass die Werte von Familienunternehmen nicht einfach Familienwerten gleichzusetzen sind. Unternehmenswerte sollten klar definiert und formuliert sein und regelmäßig im Diskurs mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern weiterentwickelt werden.“
Family Business in der Praxis
Ein Familienunternehmen, dessen zukunftsorientierte Strategie mehr als hundert Jahre überdauern konnte, haben wir im niederösterreichischen Karlstein gefunden. Zur Herstellung feinmechanischer Geräte und Uhren gründete Franz Pollmann im Jahr 1888 einen kleinen Handwerksbetrieb. Was vor über 130 Jahren mit der Uhrenerzeugung begann, entwickelte sich seit den 1970er-Jahren kontinuierlich hin zur Herstellung hochkomplexer elektromechanischer Baugruppen für die Automobilindustrie. Heute ist Pollmann Weltmarktführer bei Schiebedach-Kinematiken sowie Türschloss-Gehäusen und sieht sich auch für den Zukunftsmarkt Elektromobilität bestens aufgestellt.
Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Die beiden Cousins und geschäftsführenden Gesellschafter Robert und Markus Pollmann führen das Familienunternehmen mittlerweile in vierter Generation. Seit 2015 stehen ihnen Herbert Auer (CEO) und Christian Schreiberhuber (CFO) als internationale Geschäftsführer zur Seite. Die familiäre Eigentümerstruktur spiegelt sich für Herbert Auer vor allem im partnerschaftlichen, aber dennoch professionellen Miteinander wider: „Wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis auf Augenhöhe, das von starkem gegenseitigen Respekt und einem intensiven Austausch geprägt ist“, erklärt der CEO. „Robert und Markus Pollmann sind sehr gute Sparring Partner, sowohl, was die unmittelbare Lösungsfindung betrifft, als auch für die langfristige strategische Planung, da jeder seine persönlichen Stärken miteinbringen kann und wir uns dadurch gut ergänzen.“
Einen besonderen Benefit sieht Herbert Auer aber auch in den kürzeren Entscheidungswegen. „Meiner Meinung nach, liegt ein sehr großer Vorteil darin, dass Entscheidungen in Familienunternehmen schneller getroffen werden als in anderen Unternehmen. Darüber hinaus nehmen die Themen Langfristigkeit und Nachhaltigkeit eine übergeordnete Rolle ein. Zwei Faktoren, die für mich nicht nur die wichtigsten Assets eines Familienunternehmens darstellen, sondern die ich auch in meiner Arbeit persönlich sehr schätze.“
Der Mensch im Mittelpunkt
Auch wenn die ganzheitliche Strategie im Hause Pollmann weit über einzelne Projekte, Business Cases und Units hinausgeht, müssen auch die Unternehmenszahlen den gesteckten Zielen entsprechen. „Ist dies nicht der Fall, kann auch ein Familienunternehmen keine langfristigen Erfolge verbuchen“, erklärt Herber Auer. „Was ich bei Pollmann jedoch sehr stark bemerke ist, dass der Mensch bzw. jeder einzelne Mitarbeiter sowie der persönliche Kontakt noch mehr im Mittelpunkt stehen.“ In den meisten Fällen sind Familienunternehmer bzw. die Eigentümer in der unmittelbaren Umgebung des Betriebs aufgewachsen und nach wie vor wohnhaft. Dadurch ist ihre soziale Verantwortung gegenüber der Region und ihren Bewohnern stärker ausgeprägt. Personalentscheidungen werden demnach überlegter getroffen und individuellen Situationen stärker angepasst.“
Wertvolle Unternehmenskultur
Einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil sichert sich das Unternehmen Pollmann, wie vom PwC-Experten Rudolf Krickl empfohlen, durch eine werteorientierte Unternehmenskultur. „Was in unserer Familie gilt, soll gleichermaßen für das Unternehmen gelten. Ehrlichkeit, Fairness und Loyalität bestimmen das Miteinander an allen Standorten. Wir sorgen dafür, dass der Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin von Respekt und Achtsamkeit getragen wird“, erklären Markus und Robert Pollmann im umfangreichen Code of Conduct des Unternehmens. „Im Hause Pollmann verfügen wir über ein sehr klares Regelwerk, das auf den sieben Säulen ‚Kompetent‘, ‚Umfassend‘, ‚Perfekt‘, ‚Gemeinsam‘, ‚Motiviert‘, ‚Nachhaltig‘ und ‚Weltweit‘ basiert“, führt Herbert Auer weiter aus. „Dieser Code of Conduct gilt für alle Mitarbeiter – von den Eigentümern über die Chefetage bis zur Produktion – und wird bei uns auch von allen Beteiligten tagtäglich umgesetzt. Dabei behalten wir neue Entwicklungen stets im Blick, um auch unsere Werteskala laufend dem Puls der Zeit anzupassen.“
Offenheit mit Vorbildfunktion
Da sich Pollmann in einer geografischen Randlage befindet, war man seit Anbeginn der Unternehmensgeschichte gezwungen, neue Wege zu gehen und neue Ideen zu entwickeln und dabei eigenständiges Know-how aufzubauen. „Dem haben wir zu verdanken, dass wir heute über ein sehr breites Kompetenzprofil inkl. eigenem Werkzeug- und Anlagenbau verfügen“, so Auer. „Die Familie Pollmann war und ist sehr offen gegenüber neuen Entwicklungen und damit ein Vorbild für alle Mitarbeiter. Einer der Eigentümer beispielsweise ist ein Elektromobilitätspionier der ersten Stunde und auch privat seit Jahren ausschließlich mit elektrischen Antrieben auf der Straße unterwegs. Das macht ihn nicht nur zu einem fachlichen Experten in Theorie und Praxis sondern auch zu einem Innovationstreiber für das Unternehmen.“
Für die Zukunft gerüstet
Wie die Entwicklung der Weltwirtschaft zeigt, steht die komplette Unternehmenslandschaft gerade im digitalen Zeitalter vor radikalen Umbrüchen. Zweifel, dass ein starker Traditionsgedanke, wie jener eines Familienunternehmens, der Bereitschaft zur Veränderung im Weg stehen könnte, sind in diesem Zusammenhang keine Seltenheit. „Ich denke, dass gerade Unternehmen, die bereits in der vierten Generation erfolgreich sind – im Fall von Pollmann sogar zwei Weltkriege überstanden haben –, es gewohnt sind, sich zu verändern und sich neuen Gegebenheiten, Trends und Entwicklungen auf den internationalen Märkten anzupassen“, hält Herbert Auer den Skeptikern entgegen. „Bei Pollmann bereiten wir uns bereits seit vielen Jahren auf das digitale Zeitalter vor und haben, wie bereits erwähnt, auch den Trend zur Elektromobilität früh erkannt und in unser Leistungsportfolio integriert. Darüber hinaus investieren wir jährlich hohe Beträge, um am Ball und damit fit für die Zukunft zu bleiben.“
Kommenden Generationen legt Herbert Auer daher nahe, sowohl den Mut zu haben, innovative Ideen und Werte miteinzubringen, als auch die langjährigen Erfahrungen aus der historischen Unternehmensentwicklung zu berücksichtigen. „Mit einem gesunden Mix aus ‚alt‘ und ‚neu‘ ist auch die nächste Generation gut beraten, wenn sie an vergangene Erfolge anknüpfen möchte.“ (BO)
INFO-BOX
Facts & Figures
• Laut EU-Definition (Familienunternehmen i. w. S.) ist ein Unternehmen ein Familienunternehmen, wenn sich die Mehrheit der Entscheidungsrechte im Besitz der Eigentümerfamilie (Gründer, Erwerber, Kinder, Erben etc.) befindet und mindestens ein Vertreter der Familie oder der Angehörigen an der Leitung des Unternehmens beteiligt ist.
• Die Definition der Familienunternehmen i. e. S. folgt ebenfalls der EU-Definition, es sind hier jedoch ausschließlich Unternehmen mit mehr als einem Beschäftigten enthalten.
• In Österreich sind 51 % der Unternehmen Familienunternehmen i. e. S., diese beschäftigen fast zwei Drittel der Beschäftigten und erwirtschaften 57 % der Umsätze.
(Quellen: WKO, KMU Forschung Austria 2017)
INFO-BOX
Pollmann International
Pollmann ist ein weltweit an vier Standorten agierendes Familienunternehmen im Automotive-Segment mit 130 Jahren Erfahrung. Der Spezialist für die Produktion von hochkomplexen mechatronischen Baugruppen in hoher Stückzahl ist von der Entwicklung über Prototypen, Werkzeugbau oder Automatisierungsanlagen bis zur Serienreife rund um den Globus für seine Kunden wertvoll. Mit dem Anspruch „Prozessinnovation und Bauteilpräzision“ kann Pollmann seine Kunden an den Automotive-Hotspots in Europa, Amerika und Asien betreuen und das eigene Entwicklungs- bzw. Produktions-Know-how flexibel ins Spiel bringen. Pollmann International beschäftigt heute mehr als 1.700 Mitarbeiter und erzielte 2017 einen Umsatz von mehr als 170 Mio. Euro.
www.pollmann.at