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Helmut Leopold, Head of Center for Digital Safety & Security am AIT Austrian ­Institute of ­Technology © AIT

Das AIT Austrian Institute of Technology hat sich in den letzten Jahren auf die Industrialisierung der Quantenkommunikation fokussiert. Bald wird die Marktreife entsprechender Anwendungen erreicht.

Im Februar demonstrierten das AIT ­Austrian Institute of Technology und der Konsortialpartner X-Net Services GmbH gemeinsam mit dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie (BMK) als Early Adopter die Zukunft hochsicherer Behördenkommunikation auf Basis von quantengesicherter Kryptografie, der modernsten Kommunikations- und Verschlüsselungstechnologie der Welt.

Im Rahmen einer Livedemonstration wurden Nachrichten über einen Chat zwischen dem AIT und dem BMK ausgetauscht. Helmut Leopold, Head of ­Center for Digital Safety & Security am AIT Austrian Institute of Technology, spricht im Interview über die Hintergründe und die Rolle Österreichs auf diesem Gebiet.

Herr Leopold, Quantenkryptografie klingt noch immer nach Zukunftsmusik. Das ist sie aber nicht mehr, oder?
Nachdem die österreichische Spitzengrundlagenforschung im Bereich der Quantenkommunikation zu einem Nobelpreis von Prof. Anton Zeilinger geführt hat, hat sich das AIT in den letzten zehn Jahren auf die Industrialisierung dieser Spitzentechnologie erfolgreich fokussiert. So können wir heute bereits in den großen europäischen Strategieprogrammen zur Sicherstellung einer nachhaltigen Datensouveränität lauffähige Hightech-Systeme demonstrieren – z. B. in EuroQCI, bei dem der Aufbau einer Quantenkommunikationsinfrastruktur für hochsichere Behördenkommunikation innerhalb der EU adressiert wird, sowie auch in IRIS2, bei dem es um den Aufbau eines europäischen Satelliten-Kommunikationssystems auf dieser neuen Technologiebasis geht. Hier werden bereits Quantentechnologie-Komponenten made in Austria eingesetzt. Das Ziel ist es, eine hochsichere und moderne Technologie zur abhörsicheren Verschlüsselung der Datenkommunikation als auch der gespeicherten Daten in Europa zu realisieren.

Lässt sich mit möglichst einfachen Worten erklären, wie Quantenverschlüsselungsverfahren arbeiten?
Für die Quantenverschlüsselung wird ein faszinierendes physikalischen Phänomen im Bereich von Licht bzw. Lichtteilchen (Photonen) genutzt. Die Besonderheit ist, dass zwei Photonen miteinander auf eine bisher noch unerklärbare Weise verbunden sind – man nennt diesen physikalischen Effekt Quantenverschränkung. Zur Verteilung der Photonen werden entweder Satelliten oder Glasfaser-Infrastrukturen verwendet, um die Lichtteilchen auf mehrere Standorte zu verteilen. Auf diese Weise können gleichzeitig an mehreren Stellen – auch über große Distanzen hinweg – abhörsichere Schlüssel für die Absicherung von Daten generiert werden. 

Eine weitere Besonderheit dieser Technologie besteht darin, dass es einer unbefugten Person nicht möglich ist, den Zustand eines dieser Photonen zu messen (abzuhören), da eine Messung ohne bemerkbaren Einfluss physikalisch nicht mehr möglich ist. Damit hält die Quantenverschlüsselung – im Gegensatz zu heutigen Verschlüsselungsverfahren – auch der Bedrohung einer möglichen Entschlüsselung durch künftige Quantencomputer stand. 

In der IT heißt es, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Quantenkommunikation soll aber absolut sicher sein. Wie ist das möglich?
Bei der Quantenverschlüsselung werden Schlüssel nicht einfach zu mehreren Standorten übertragen, sondern sie entstehen gleichzeitig an mehreren Standorten durch die Verteilung der Lichtteilchen. Dieses Prinzip birgt zwei wesentliche Vorteile: Einerseits können auf diese Weise generierte Schlüssel nicht – auch nicht durch einen Quantencomputer – geändert werden. Dies im Gegensatz zu Schlüsseln, die auf Basis heutiger Sicherheitsmethoden generiert wurden, um Daten zu sichern. Diese Schlüssel könnten durch einen künftigen Quantencomputer in kürzester Zeit berechnet werden, was zu einer Entschlüsselung der damit gesicherten Daten führen würde.

Darüber hinaus ist es durch physikalische Grundprinzipien in der Quantenverschlüsselung nicht mehr möglich, die an mehreren Standorten gleichzeitig stattfindende Schlüsselgenerierung unbemerkt abzuhören. Dadurch erreicht man eine beweisbar sichere Verschlüsselungstechnik.

Warum ist es schon heute wichtig, sich mit Quantenkryptografie auseinanderzusetzen? Quantencomputer, die einmal alle aktuellen Verschlüsselungsverfahren knacken könnten, stellen zum jetzigen Zeitpunkt doch noch keine Gefahr dar, oder?
Für Hochsicherheitsanwendungen sind drei grundlegende Elemente wichtig: Erstens ist es wichtig, sich frühzeitig mit der Industrialisierung einer Technologie zu beschäftigen. Es braucht Hersteller und damit Produkte made in der EU, die marktreif sind. Zweitens müssen diese Produkte durch entsprechende Behördenprozesse zertifiziert und zugelassen werden. Drittens braucht es für den Betrieb dieser modernen Hochtechnologie sowohl Erfahrung als auch Qualifikationen, um die neue Verschlüsselungstechnologie in verschiedene Anwendungen einbauen und effektiv betreiben zu können. Zusätzlich muss in der EU ein entsprechendes Ökosystem von Herstellen, Zulieferern, Betreibern und Anwendern nachhaltig etabliert werden. Dies ist das Ziel von entsprechenden Horizon- und Digital-Europe-Programmen der EU. 

Da heutige Verschlüsselungsverfahren durch Quantencomputer bedroht sind, besteht die Gefahr, dass auch in der Zukunft heute gespeicherte Daten nachträglich entschlüsselt werden können. Auch das ist ein wesentlicher Grund, warum wir möglichst frühzeitig Quan­ten­computer-sichere Verschlüsselungssysteme einsetzen sollten.

Welche Rolle spielen Österreich im Allgemeinen und das AIT im Speziellen bei der Forschung auf diesem Gebiet und beim Erreichen der Marktreife entsprechender Technologien?
Das AIT hat es erfolgreich geschafft, die Grundlagenforschungsergebnisse, die auf der langjährigen erfolgreichen Finanzierung in Österreich basieren, in modernste Digitaltechnologien zu entwickeln. Dazu war ­höchste Engineering-Kompetenz notwendig, um ­sowohl Photonik und Quantentechnologien auf Chipebene zu integrieren als auch komplexe Steuerungssoftware für die Quantentechnologie-Geräte zu entwickeln. Beides hat das AIT erfolgreich zu einem führenden Know-how- und Technologielieferanten in der EU gemacht.

So bauen die Strategieprogramme der Europäischen Kommission, Industrieprogramme der europäischen Industrie und viele Pilotprojekte der EU auf Know-how und Technologiemodulen des AIT auf, welche durch nationale Förder- und Finanzierungprogramme, wie KIRAS des BMF, als auch im Rahmen des Digital-Europe-Programms in Österreich hin zu konkreten Anwendungen entwickelt werden.

Wie sehen Ihre nächsten Ziele bzw. Meilensteine aus? 
Im Zuge des nationalen Digital-Europe-Programms werden im Projekt QCI-CAT in den nächsten zwei Jahren konkrete Sicherheitsanwendungen für Behörden und Kritische-Infrastruktur-Betreiber entwickelt. Im Kontext der Eagle-1- und IRIS2-Programme der ESA ist geplant, bis 2025 den ersten Testsatelliten mit AIT-Technologie in die Umlaufbahn zu bringen. Die strategische Planung in der EU geht von einem Programm bis 2030 aus, um eine EU-weite Infrastruktur zu etablieren.

Wann wird es so weit sein, dass diese Verschlüsselungstechnologien auf dem freien Markt verfügbar sein und flächendeckend zum Einsatz kommen werden?
Marktreife Sicherheitsanwendungen werden in den nächsten zwei Jahren europaweit entwickelt werden. Europäische Hersteller und Zulieferer von Produkten arbeiten intensiv an entsprechenden Lösungen, um diese in den nächsten Jahren einsatzbereit auf den Markt zu bringen. Um die notwendige Satelliten- und Glasfaserinfrastruktur für die Absicherung von Behördenkommunikation sowie von kritischen Infrastrukturen europaweit aufzubauen, ist derzeit eine Planung bis 2030 vorhanden. 

Wird das noch rechtzeitig sein, um den potenziellen Schaden durch die mögliche Dechiffrierung von verschlüsselten Informationen durch Quantencomputer zu verhindern?
Es ist ein gewisser Technologie-Wettlauf im Gange, aber auch die Quantencomputer-Community braucht noch ihre Zeit, um wirklich leistungsfähige Quantencomputer auf den Markt zu bringen. Neben dieser speziellen Verschlüsselungstechnologie ist es aber mindestens ebenso wichtig, das allgemeine Sicherheitsbewusstsein für unsere digitalen Systeme in der Wirtschaft als auch in der Öffentlichkeit laufend zu steigern und die Weiterentwicklung von Sicherheitstechnologien für die Datensouveränität unserer Wirtschaft, aber auch für unsere Gesellschaft als Grundlage für unsere Demokratie nachhaltig sicherzustellen. (red./PR)

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