Netzausbau hinkt jenem der erneuerbaren Energien hinterher © APA - Austria Presse Agentur

Der Umbau des Energiesystems schreitet voran, doch mit dem Ausbau von Wind und Photovoltaik alleine ist es nicht getan. Es fehlt die systemische Betrachtung, die Energiewende "muss anders und besser koordiniert werden", sagte der APG-Chef, Gerhard Christiner, im Gespräch mit der APA. Der Netzausbau hinkt jenem der Erneuerbaren hinterher, langwierige Genehmigungsverfahren, Verzögerungen bei wichtigen Gesetzen und mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung hemmen den Fortschritt.

Die Energiewende sei hierzulande bisher mit einem starken Fokus auf die Erzeugungsseite betrachtet worden, oberste Priorität sei es gewesen, fossile Kraftwerke abzuschalten. "Das ist aber nur ein Teil der Energiewende, in Wirklichkeit muss man sich die gesamte Wertschöpfungskette anschauen", so der Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers Austrian Power Grid (APG). Dabei gehe es neben der erneuerbaren Erzeugung auch um die Netzinfrastruktur, Speicher und die Digitalisierung des Systems.

Neues Regierungsprogramm stimmt optimistisch

"Wenn man betrachtet, was im Regierungsprogramm steht, kann man zumindest optimistisch sein", sagte Christiner. Die schwarz-rot-pinke Koalition habe verstanden, dass ein "weiter wie bisher" nicht machbar sei. Zentral im Regierungsprogramm sei demnach die Kosteneffizienz: An den bereits gesetzten Klima-Zielen, etwa der Klimaneutralität bis 2040, sei nicht geschraubt worden, aber die Frage der Leistbarkeit stehe über allem, so der APG-Vorstand. Das sei auch wichtig, denn für die Energiewende sind enorme Investitionen notwendig. Der Übertragungsnetzbetreiber geht von Gesamtkosten in Höhe von über 100 Mrd. Euro aus.

Doch auch das Ungleichgewicht zwischen dem Ausbau der Erneuerbaren und jenem der Netze verursacht massive Kosten. Die fehlende Netzinfrastruktur führt dazu, "dass wir die Mengen an erneuerbarem Strom teilweise nicht ins Netz integrieren können", sagte der APG-Chef. Um Überlastungen zu reduzieren, werden dann sogenannte Redispatch-Maßnahmen notwendig. Im Schnitt seien "über die letzten zehn Jahre knapp 100 Mio. Euro pro Jahr" für solche Markteingriffe ausgegeben worden - Kosten, die über die Stromrechnung am Ende wieder von Kundinnen und Kunden bezahlt werden müssen.

APG wünscht sich Koordinierungsstelle für Energiewende

Um den Ausbau der Netzinfrastruktur, der Erneuerbaren und der Speicher sowie deren Digitalisierung besser aufeinander abzustimmen, wünscht sich die APG eine koordinierende Stelle. Christiner sprach dabei von einem "Energiewende-Koordinator", etwa im neuen Wirtschaftsministerium. "Eine Kompetenz, die nicht nur die Erneuerbaren im Fokus hat, sondern das System als Ganzes, die auch die ökonomische Komponente mit hinein nimmt", so der APG-Chef.

Ein wichtiger Hebel beim Netzausbau sei auch die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Kritik an der Verfahrensdauer gibt es auch beim Erneuerbaren-Ausbau, bis der Bau einer neuen Stromleitung genehmigt sei, dauere es allerdings noch einmal deutlich länger. "Das Problem ist, es gibt keine Priorisierung", sagte Christiner. In der österreichischen Ausgestaltung des UVP-Gesetzes (Umweltverträglichkeitsprüfung) seien die verschiedenen Teilbereiche, wie etwa Klimaschutz, Artenschutz, Bodenschutz, gleich gewichtet. "Man kann Projekten, die dem Klimaschutz dienlich sind, ein überragendes öffentliches Interesse zugestehen - und den Mut braucht es jetzt", so der APG-Vorstand.

Wichtige Gesetze sollen noch heuer im Sommer kommen

Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen passen, schnellere Genehmigungsverfahren für Energieprojekte soll etwa das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) bringen, einen modernen Rahmen soll der Strommarkt mit dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) bekommen. "Diese beiden Gesetze sind unabdingbar", sagte Christiner. Sie hätten bereits 2024 beschlossen werden sollen, doch es fehlte die für Energiegesetze notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat. Die schwarz-rot-pinke Koalition will beide Gesetze noch im heurigen Sommer verabschieden.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Akzeptanz der Bevölkerung für neue Leitungen und Strommasten. "Meine Erfahrung ist, bei Infrastrukturprojekten, da braucht es Leadership, auch von politischer Seite", so der APG-Vorstand. Projekte seien demnach dann am besten umsetzbar, wenn die Landesregierung hinter dem Vorhaben steht und sich regional dafür einsetzt. "Wir können nicht sagen, wir wollen grünen Strom aber wir wollen keine Windräder und PV-Anlagen und keine Stromnetze. Die Energiewende wird sichtbar sein, das ist absolut klar", sagte Christiner.