Arbeitslosenrate erhöhte sich um 0,5 Prozentpunkte auf 6,8 Prozent © APA - Austria Presse Agentur

AMS-Chef Johannes Kopf erwartet einen Rückgang der Arbeitslosigkeit erst im Jahr 2026. Die schwache Wirtschaftsentwicklung lässt in Österreich die Arbeitslosenzahlen seit 2023 steigen. Ende Juni waren 364.419 Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos oder in Schulung gemeldet, davon waren 288.545 arbeitslos und 75.874 in Schulungsmaßnahmen des AMS. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer um 7,8 Prozent gestiegen.

Die Arbeitslosenrate erhöhte sich im Juni um 0,5 Prozentpunkte auf 6,8 Prozent. "Diese Entwicklungen unterstreichen die Relevanz und Notwendigkeit aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren", so Arbeits- und Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ). Der AMS-Verwaltungsrat habe vor kurzem beschlossen, das AMS-Förderbudget "noch 2025 um plus 40 Millionen Euro anzuheben".

"Silberstreif einer Konjunkturerholung" nicht am Arbeitsmarkt spürbar

Die Wirtschaftsforscher von IHS und Wifo haben zuletzt ihre Prognose für Österreichs Wirtschaft nach oben revidiert und erwarten heuer nun kein drittes Rezessionsjahr mehr. "Auch wenn Wirtschaftsforschung und Industrie einen ersten Silberstreif einer Konjunkturerholung am Horizont erkennen wollen, noch sinkt die Beschäftigung und seit April 2023 steigt die Arbeitslosigkeit in Österreich deutlich", kommentierte AMS-Chef Kopf die aktuellen Arbeitsmarktdaten. Die Zahl der unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse für Juni 2025 belief sich laut vorläufiger Prognose des Arbeitsministeriums und des AMS auf 3,982 Millionen und damit um 5.000 weniger als im Juni 2024.

Der AMS-Chef rechnet mit positiven Nachrichten vom Arbeitsmarkt erst im kommenden Jahr. "Nächstes Jahr soll die Wirtschaft wieder wachsen, zumindest über ein Prozent und verbunden mit der demografischen Entwicklung und Arbeitszeitreduktion müsste nächstes Jahr auch die Arbeitslosigkeit wieder sinken", sagte Kopf am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal". Für die Beschäftigtenlage in der heimischen Automobilzulieferindustrie erwartet der AMS-Vorstand aufgrund der schwächelnden deutschen Automobilbranche aber "noch länger keine wirkliche Verbesserung".

Die anhaltende Wirtschaftsflaute macht sich auch bei den Stellenanzeigen bemerkbar. Die von den Unternehmen an das AMS gemeldeten sofort verfügbaren offenen Stellen gingen Ende Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat um 13,8 Prozent auf 84.357 zurück. Der ÖVP-Wirtschaftsbund erfasst in seinem Stellenmonitor alle Jobportale und verzeichnete 162.938 offene Stellen.

Industrie besonders vom Arbeitslosenanstieg betroffen

Besonders vom Anstieg der Arbeitslosigkeit betroffen waren laut AMS im Branchenvergleich einmal mehr die Warenherstellung sowie die Bundesländer Oberösterreich und Salzburg. Den größten prozentuellen Anstieg bei arbeitslosen Menschen und Personen in AMS-Schulung gab es Ende Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat im Gesundheits- und Sozialwesen (+13,6 Prozent) und in der Warenerzeugung/Industrie (+13,2 Prozent). Etwas niedriger fiel der Anstieg im Handel (+10,6 Prozent), Verkehr und Lagerwesen (+8,4 Prozent) und in der Gastronomie und Beherbergung (+7,2 Prozent) aus. Nur einen leichten Arbeitslosenanstieg gab es am Bau (+1,1 Prozent) und in der Arbeitskräfteüberlassung (+0,9 Prozent).

"Der überdurchschnittliche Anstieg im Gesundheits- und Sozialbereich hat vor allem statistische Gründe", hieß es vom AMS auf APA-Anfrage. Neben der stark steigenden Beschäftigung wegen des höheren Pflegebedarfs steige die Beschäftigung auch, weil immer mehr Pflege- und Gesundheitseinrichtungen, die bisher von der öffentlichen Hand geführt wurden, ausgegliedert werden. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden in der Statistik nicht mehr als öffentlich Bedienstete gezählt werden, sondern der Branche Gesundheits- und Sozialwesen zugerechnet, erklärte das AMS. Folglich sei auch die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich um 4,5 Prozent (+14.355 Personen) gestiegen.

Arbeitsmarktlage auch im Tourismus angespannt

Auch die heimischen Tourismusbetriebe agieren angesichts der Wirtschaftsflaute bei ihrer Personalpolitik laut Arbeitsmarktservice zurückhaltend. "Trotz gestiegener Nächtigungszahlen spüren wir noch keine echte Erholung am touristischen Arbeitsmarkt. Wir sehen bei den Tourismusbetrieben nach zwei Jahren Rezession Zurückhaltung und Vorsicht bei der Personalplanung", wird Kopf in einem heute veröffentlichenveröffentlichten AMS-Spezialbericht zitiert. Die Arbeitslosigkeit im Tourismus sei in der Sommersaison um 10,2 Prozent und im Winter um 7,5 Prozent im Vergleich zur entsprechenden Saison im Vorjahr gestiegen. Die heimischen Tourismusbetriebe sind stark von ausländischen Arbeitskräften abhängig. Laut AMS sinkt der Anteil der österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger an den im Tourismus-Beschäftigten seit Jahren. In den vergangenen zehn Jahren ging er um ein Viertel auf 41,3 Prozent zurück, während fast 60 Prozent der Beschäftigten aus dem EU-Raum und Drittstaaten kommen.

Den höchsten Anstieg von Arbeitslosen und Schulungsteilnehmern verzeichnete Oberösterreich (+13,2 Prozent), gefolgt von Salzburg (+12,8 Prozent), Vorarlberg (+10,5 Prozent), Tirol (+10,1 Prozent) und Steiermark (+8,0 Prozent). Etwas niedriger fiel das Plus in Niederösterreich (+6,7 Prozent), Wien (+6,2 Prozent), Burgenland (+5,7 Prozent) und Kärnten (+4,9 Prozent) aus. Die mit Abstand höchste Arbeitslosenrate wurde Ende Juni im Bundesländervergleich in Wien mit 11,4 Prozent registriert, gefolgt von Burgenland (6,1 Prozent), Niederösterreich (6 Prozent), Steiermark (5,9 Prozent), Kärnten (5,8 Prozent), Vorarlberg (5,7 Prozent) und Oberösterreich (4,9 Prozent). Niedriger war die Arbeitslosenquote in den Tourismus-Hochburgen Salzburg (3,8 Prozent) und Tirol (3,7 Prozent).

Zahlreiche Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit gefordert

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch forderte in einer Aussendung "sofortige Maßnahmen gegen steigende Arbeitslosigkeit, anhaltende Insolvenzwelle und wachsenden Druck auf den Sozialstaat". Für SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch braucht der heimische Arbeitsmarkt "Beschäftigungsförderung, Qualifizierung und Wirtschaftswachstum".

Bei jungen Arbeitslosen wünscht sich WKÖ-Generalsekretär Jochen Danninger einen Fokus auf Qualifizierungsmaßnahmen, etwa in Form der arbeitsplatznahen AQUA-Ausbildungen. Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, pocht erneut auf eine Attraktivierung von Vollzeitarbeit. AK-Präsidentin Renate Anderl drängte auf eine verstärkte Qualifizierungsoffensive für junge Menschen und gezielte Projekte zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.