Die EZB hat die Zinsen vergangene Woche erstmals seit 5 Jahren gesenkt © APA - Austria Presse Agentur
EZB-Präsidentin Christine Lagarde dämpft nach der Zinswende Erwartungen, dass es rasche weitere Lockerungsschritte geben wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) habe mit der Zinssenkung am Donnerstag zwar die richtige Entscheidung getroffen, sagte Lagarde den Zeitungen "Expansión", "Handelsblatt", "Il Sole 24 Ore" und "Les Echos" in einem am Montag veröffentlichten Interview.
Das heiße aber nicht, dass sich die Zinsen auf einen linearen Abwärtspfad befänden. "Es könnte Zeiten geben, in denen wir die Zinsen wieder beibehalten". Und dies kann Lagarde zufolge auch länger dauern als nur eine Zinssitzung. "Das ist eine Möglichkeit," sagte sie auf eine entsprechende Frage.
Am Donnerstag hatte die Euro-Notenbank erstmals seit fast fünf Jahren wieder die Zinsen nach unten gesetzt. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, wurde um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent gesenkt. Allerdings war die Inflation im Euroraum zuletzt im Mai wieder leicht angestiegen auf 2,6 Prozent von 2,4 Prozent im April. Die EZB strebt 2,0 Prozent als Zielmarke an. Einer der Gründe des Anstiegs: Die Inflation im Dienstleistungssektor hatte sich zuletzt als sehr hartnäckig erwiesen.
Insidern zufolge halten Währungshüter eine erneute Zinssenkung bereits auf der nächsten Zinssitzung am 18. Juli für unwahrscheinlich. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, plädierte am Montag für eine vorsichtige Gangart. Es müsse jeweils datenabhängig von Sitzung zu Sitzung entschieden werden. Der Notenbankchef der Slowakei, Peter Kazimir, erklärte, dass er nicht mit einem weiteren Zinsschritt nach unten im Sommer rechnet. Er lenkte den Blick auf die Zinssitzung am 12. September.
Die EZB benötige mehr Daten zu den Löhnen und zum Wachstum der Unternehmensgewinne und darüber, wie diese einen Teil der Arbeitskosten auffangen, sowie mehr Daten zur Produktivität, sagte Lagarde. "Dies sind wichtige Treiber der Inflation im Dienstleistungssektor, was unsere Schwachstelle ist." Dienstleistungen hatten sich im Mai im Euroraum um 4,1 Prozent verteuert nach 3,7 Prozent im April. Das war der höchste Anstieg seit Jahresbeginn. Sorgen bereitet den Währungshütern auch, dass das Wachstum der Tariflöhne im ersten Quartal mit 4,7 Prozent stärker ausgefallen war als erwartet. Die Notenbank müsse schauen, wie sich die Arbeitskosten entwickelten, sagte Lagarde.
"Und wir müssen sehen, dass die Gewinne weiterhin die Zuwächse auffangen, die bereits da sind." In dem Interview betonte die EZB-Chefin zudem, dass die Notenbank immer noch auf einem restriktiven Kurs unterwegs sei. "Zu allererst, wir haben den restriktiven geldpolitischen Zyklus noch nicht beendet", merkte sie an. Unter dem restriktiven Kurs einer Notenbank wird eine Zinspolitik verstanden, durch die eine Volkswirtschaft gebremst wird. "Wenn man sich die Realzinsen anschaut, befinden wir uns immer noch in einem restriktiven Bereich, und wir müssen so lange wie nötig weitermachen, um die Inflation auf zwei Prozent zurückzuführen," sagte Lagarde.