Hohe Mieten trotz Regulierung © APA - Austria Presse Agentur
Wien gilt international als Vorzeigemetropole in Sachen leistbares Wohnen - wegen des streng geregelten Richtwertmietzinses für Altbauwohnungen und des hohen Anteils an sozialem Wohnbau in Form von Gemeindebauten und gemeinnützigen Wohnungen. Dieser Ruf bröckelt. An die hohe Inflation gekoppelt gingen die einst günstigen Altbaumieten in den vergangenen Jahren massiv nach oben. Gleichzeitig werde Wohnraum zusehends zur Handelsware, kritisiert "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz".
Die Sozialwissenschafterin Sarah Kumnig, die am Institut für Raumplanung an der TU Wien tätig ist, sieht leistbares Wohnen laut Pressetext vom Dienstag unter Druck. Trotz des sozialen Wohnbaus und der Mietpreisregulierung im Altbau werde "auch in Wien das Wohnen immer teurer", hält sie fest. In der Bundeshauptstadt seien rund 80 Prozent des Wohnungsbestands Mietwohnungen - beinahe die Hälfte (43 Prozent) sozialer Wohnbau und ein Drittel (33 Prozent) private Miete.
Altbaumieten um etwa 45 Prozent teurer als vor zehn Jahren
Zwei Drittel der Wohnungen würden als "Altbau" gelten, also sich in Gebäuden befinden, die vor 1953 errichtet wurden und somit vorwiegend dem Richtwertmietzins unterliegen. "Trotz dieser vergleichsweise starken Regulierungen für einen großen Teil der Wiener Wohnungen stiegen die durchschnittlichen Mietpreise in den letzten zehn Jahren um etwa 45 Prozent - von 8,40 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2014 auf 12,20 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2024", sagte Kumnig unter Verweis auf Daten der Statistik Austria.
"Der Wiener Altbau spielt eine zentrale Rolle in der Wohnversorgung von Haushalten mit geringem Einkommen - in den letzten Jahrzehnten erlebte dieser Sektor jedoch eine starke Veränderung." Einer aktuellen Studie zufolge sei etwa ein Viertel des Altbau-Gebäudebestands im Zeitraum 2000 bis 2022 verkauft worden, so die Co-Autorin. Der Anteil an gewerblichen Käuferinnen und Käufern sei von 53 Prozent im Jahr 2000 auf 92 Prozent im Jahr 2022 stark gestiegen.
Neue Bewirtschaftungsstrategien
Eigentümerinnen und Eigentümer änderten ihre Bewirtschaftungsstrategien im Altbaubestand, um ihre Renditemöglichkeiten zu erhöhen, sagt Kumnig und verwies auf weitere Studien. Mietwohnungen würden in Eigentumswohnungen umgewandelt oder abgerissen und im weniger streng regulierten Neubau neu errichtet. Das könne zu Konflikten mit bestehenden Mieterinnen und Mietern führen. In "Konflikthäusern" seien in einer Analyse Praktiken identifiziert worden, die sich für Betroffene als "Verdrängungsdruck" darstellten, "also Druck gegen ihren Willen auszuziehen".
Auch wenn Wien durch den hohen Anteil an sozial geschützten Mietwohnungen eine Sonderstellung im Vergleich zu anderen europäischen Metropolregionen einzunehmen scheine, seien die Herausforderungen ähnlich, betont die Ökonomin und Professorin an der Fachhochschule für Wirtschaft, Management und Finance bfi Wien, Elisabeth Springler. Sie verwies dabei unter anderem auf die steigende Nutzung der Kurzfristvermietung - Stichwort Airbnb -, den wachsenden Unterschied zwischen Mieten im sozial geschützten und privaten Bereich sowie die sinkende Leistbarkeit von Eigentum durch - im Vergleich zum Einkommen - überproportional steigende Immobilienpreise.
Zinsen steigen, Wohnbauförderung nicht zweckgebunden
Verstärkt worden seien diese Probleme durch steigende Zinsen und die fehlende Zweckbindung der Wohnbauförderungen auf Landesebene. "Für die Situation in Wien ist vor allem die steigende 'Finanzialisierung' durch eine hohe Preisdynamik zu beobachten. Für die Bereitstellung von günstigem Wohnraum - sowohl bei der Produktion als auch beim Wiederverkauf bzw. bei der Wiedervermietung im Wohnungsbestand müssten wohnpolitische Maßnahmen gesetzt werden", so Springler.
Die Bedingungen für den geförderten Wohnungsneubau seien "schwierig", strich Kumnig hervor. Zwar zähle im sozialen Wohnbau neben dem Gemeindebau der gemeinnützige Wohnbau zu einer wirkungsvollen Strategie, leistbaren Wohnraum bereitzustellen. Doch: Durch das Prinzip der Kostendeckung müssten Mietpreise anhand der anfallenden Kosten für Errichtung und Erhaltung berechnet werden. Dabei führten die aktuell hohen Bodenpreise zu hohen kostendeckenden Mieten im Neubau. Im abbezahlten Bestand ermögliche dieses System aber "Mietpreise, die sogar unter den Gemeindebau-Mieten liegen".
Um die Preissteigerungen für Bauland zu zügeln, sieht die Wiener Bauordnung seit 2018 die neue Widmungskategorie "geförderter Wohnbau" vor - mit der Auflage, dass bei Neuwidmungen zwei Drittel der Fläche für geförderten Wohnbau verwendet werden sollen. Das gelte auch, wenn private Grundeigentümerinnen oder -eigentümer an gewerbliche Bauträger verkauften. Im geförderten Wohnbau werden Obergrenzen für Bodenpreise und Mieten definiert. "Über die tatsächliche Wirkung der Widmungskategorie wird es weitere Analysen brauchen", so Kumnig.