IHS-Chef schlägt Regierung Maßnahmenpaket für "Wachstumsturbo" vor © APA - Austria Presse Agentur

Die Bauinvestitionen und Warenexporte schwächeln in den kommenden Jahren. Das Institut für Höhere Studien (IHS) prognostiziert deswegen 2024 bis 2028 ein "verhaltenes" reales Wirtschaftswachstum von im Schnitt 1,0 Prozent pro Jahr. "Letztes Jahr war ein verlorenes Jahr, heuer will der Konjunkturmotor nicht anspringen. In den nächsten Jahren wird Österreich nicht den Wachstumsturbo zünden", sagte IHS-Chef Holger Bonin am Donnerstag bei der Präsentation der Mittelfristprognose.

Um den "Wachstumsturbo" zu zünden, empfiehlt der IHS-Direktor der aktuellen türkis-grünen Regierung und der künftigen Regierung zahlreiche Maßnahmen: Angesichts des hohen Budgetdefizits in den kommenden Jahren sieht Bonin die Notwendigkeit für ein "kurzfristiges" Sparpaket in Höhe von 2 bis 4 Mrd. Euro und Einsparungen bei klimaschädlichen Subventionen sowie eine Anhebung des faktischen Pensionsalters durch höhere Abschläge bei der Korridorpension. "Wenn man 5 Jahre wartet, dann wird es viel teurer", sagte der Spitzenökonom. Weiters müsse es eine "effizienzorientierte Steuerreform" mit einer Entlastung des Faktors Arbeit geben und eine "umfassende Fachkräfteinitiative" sowie Entbürokratisierungsmaßnahmen zur Wachstumsverbesserung auf den Weg gebracht werden.

Das IHS empfiehlt generell Strukturreformen, die die Produktivität stärken und "die Qualität des Standorts Österreich verbessern". Auch ein forcierter Ausbau der Erneuerbaren Energien in Österreich würde die Abhängigkeit von den internationalen Energiemärkten reduzieren.

In den Jahren 2024 und 2025 soll sich der Zuwachs der Wirtschaftsleistung in Österreich laut IHS-Prognose auf 0,3 Prozent bzw. 1,6 Prozent belaufen und 2026 bis 2028 bei rund 1,2 Prozent bzw. zweimal 0,9 Prozent liegen. Getragen wird das Wirtschaftswachstum vom Konsum der privaten Haushalte, die sich über Reallohnzuwächse freuen können. Der Exportzuwachs dürfte hingegen "schwach bleiben". Die demografische Entwicklung werde den Fachkräftemangel "weiter verschärfen" und das Wachstum des Produktionspotenzials der österreichischen Volkswirtschaft schwächen, warnen die Wirtschaftsforscher. Die Inflationsrate soll 2024 bis 2028 durchschnittlich bei 2,5 Prozent pro Jahr liegen, die Arbeitslosenquote bei 6,3 Prozent und das gesamtstaatliche Budgetdefizit bei 2,8 Prozent.

"Vor dem Hintergrund der verringerten Wettbewerbsfähigkeit in Folge des starken Energie- und Lohnkostenanstiegs dürfte das Wachstum der heimischen Wirtschaft etwas hinter dem Potenzialwachstum zurückbleiben, sodass auch im Jahr 2028 noch eine leicht negative Produktionslücke resultiert", schreiben die IHS-Ökonomen in ihrem Prognosebericht. Zum Vergleich: Im Zeitraum 2014 bis 2018 lag das reale Wirtschaftswachstum im Schnitt bei 1,7 Prozent pro Jahr, 2019 bis 2023 aufgrund der Corona- und Teuerungskrise nur bei 0,5 Prozent und für 2024 bis 2028 laut Prognose bei 1 Prozent.

Für das durchschnittlich um 0,7 Prozentpunkte pro Jahr geringere prognostizierte Wirtschaftswachstum in Österreich in der Periode 2024 bis 2028 als 2014 bis 2018 sieht der IHS-Direktor mehrere Gründe: Es gebe künftig ein geringeres Produktivitätswachstum, weniger Bevölkerungswachstum, eine niedrigere Arbeitsstunden-Zunahme und den demografiebedingten Fachkräftemangel. Außerdem beobachte man bei den Investitionen "eine extreme Unsicherheit" und eine schwache Exportentwicklung. Zum Vergleich: 2014-2018 wuchsen die Bauinvestitionen im Schnitt um 1,8 Prozent jährlich und sollen sich 2024-2028 nur um 0,4 Prozent pro Jahr erhöhen, bei den Warenexporten soll das Plus von 3,7 Prozent in der Vorkrisenperiode bis 2018 auf 1,8 Prozent in der Fünfjahresperiode bis 2028 sinken.

Nach den Rekord-Inflationsjahren 2022 und 2023 mit 8,6 Prozent bzw. 7,8 Prozent erwartet das IHS heuer einen Rückgang der Teuerungsrate auf 3,2 Prozent und dann bis 2026 ein weiteres Absinken auf 2 Prozent sowie einen leichten Anstieg auf 2,2 Prozent bis 2028.

Die Konjunkturexperten erwarten aufgrund der Wirtschaftserholung ab 2025 und des demografiebedingt langsameren Wachstums des Arbeitskräfteangebots einen Rückgang der Arbeitslosigkeit in den kommenden Jahren. Bis zum Jahr 2028 soll die Arbeitslosenquote auf 5,8 Prozent sinken. Im Jahr 2023 lag die Arbeitslosenrate bei 6,4 Prozent.

Der IHS-Chef verwies bei der Pressekonferenz auf mehrere "Abwärtsrisiken" für die Mittelfristprognose: Eine Eskalation der Konflikte, etwa im Nahen Osten oder in der Ukraine, würde den Welthandel belasten und die Preise für Energie steigen lassen. Weitere Handelskonflikte könnten die Erholung der Welthandel und Industrieproduktion bremsen. Weiters gebe es "erhebliche Unsicherheit" im Zusammenhang mit der US-Präsidentschaftswahl hinsichtlich der wirtschafts- und geopolitischen Rahmenbedingungen.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat bereits vergangene Woche seine Mittelfristprognose bis 2028 veröffentlicht: Nur beim durchschnittlichen Budgetdefizit in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) unterscheidet sich die Wifo-Prognose mit 3,2 Prozent pro Jahr von der IHS-Schätzung von 2,8 Prozent merkbar. Bei Wirtschaftswachstum, Inflation und Arbeitslosenquote prognostizieren beide Institute nahezu idente Werte.