Analoge Bitcoin-Münzen (Symbolbild) © APA - Austria Presse Agentur

In Indien setzen immer mehr junge Menschen auf Kryptowährungen, um ihr dürftiges Einkommen aufzubessern. Das geschieht vornehmlich außerhalb der großen Metropolen in kleineren Städten. Das Handelsvolumen verdoppelte sich zuletzt. Doch bei der Regulierung bleiben Fragen offen, während die Werbung den großen Reichtum verspricht.

"Du bist nur einen Trade von deinem Traumleben entfernt", heißt es vielversprechend auf einem Plakat im Klassenzimmer der "Thoughts Magic Trading Academy" in der indischen Industriestadt Nagpur. Wie Tausende seiner Landsleute in weit entfernten Gegenden hat auch der Blumenladenbesitzer Ashish Nagose in den vergangenen zwei Monaten Kurse besucht, um den Handel mit Kryptowährungen zu lernen.

"Ich möchte meinen Familienbetrieb weiterführen und hoffe, dass der Handel ein regelmäßiges Einkommen bietet, wenn das Geschäft nachlässt, wie im Monat nach Diwali", sagte Nagose, während er in seinem Geschäft auf Käufer für seine Sträuße roter Rosen und orangefarbener Ringelblumen wartet. Krypto-Enthusiasten wie Nagose haben dazu beigetragen, dass das Handelsvolumen von Bitcoin, Ethereum, Dogecoin und anderen Kryptowährungen an den vier größten indischen Börsen rasant anschwillt. Laut Daten der Plattform CoinGecko stieg das Volumen von Oktober bis Dezember um mehr als das Zweifache auf 1,9 Mrd. Dollar im Vergleich zum Vorquartal.

Früher setzte Nagose auf Aktienoptionen, aber da die Regulierungsbehörden den Handel mit Aktienderivaten in Indien erschwert haben, wagt er sich nun an die neue Anlageklasse. Wie der 28-Jährige versuchen sich immer mehr junge Inder im Kryptohandel, um ihr Einkommen aufzubessern, da die Gehaltserhöhungen mit dem rasanten Wirtschaftswachstum im mit mehr als 1,4 Milliarden Menschen bevölkerungsreichsten Land der Welt nicht mithalten.

Trump-Schub

"An der Basis herrscht eine Menge Neugier ... vor allem, weil Trump US-Präsident geworden ist und sich die gesamte Kryptowährungswelt weltweit verändert hat", erläuterte Edul Patel, Mitbegründer von Mudrex, einer indischen Kryptobörse. Insgesamt dürfte der indische Kryptomarkt von 2,5 Mrd. Dollar im Jahr 2024 auf über 15 Mrd. Dollar im Jahr 2035 wachsen, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 18,5 Prozent entspricht, prognostizierte Kush Wadhwa, Partner beim Beratungsunternehmen Grant Thornton Bharat.

Trotz des durch US-Präsident Donald Trump angefachten Krypto-Booms und der nach oben geschossenen Preise, sind in Indien vor allem Privatanleger außerhalb der Mega-Metropolen die treibende Kraft. "Das Wachstum wird derzeit von Städten außerhalb der Metropolen vorangetrieben", sagte Balaji Srihari von CoinSwitch, einer der größten Krypto-Plattformen Indiens. "Das gilt für die Aktienwelt und für Kryptowährungen." Von zehn Zentren, die im Jahr 2024 die Krypto-Aktivitäten in Indien vorantrieben hätten, seien sieben Städte der unteren Kategorie zuzuordnen mit einer Einwohnerzahl im niedrigen einstelligen Millionenbereich, wie etwa Jaipur, Lucknow und Pune.

Regulierung als offene Flanke

Das steigende Interesse könnte für die indischen Behörden eine Herausforderung werden. Sie warnen vor den Risiken und den starken Schwankungen bei Kryptowährungen und versuchen den Handel durch hohe Steuern einzuschränken. Die 30-prozentige Steuer auf Gewinne aus dem Kryptohandel gehört weltweit zu den höchsten. Im Gegensatz zu den meisten G-20-Staaten hat Indien jedoch weder neue Normen zur Regulierung von Kryptowährungen eingeführt, noch die Digitalwährungen den bestehenden Wertpapierregeln unterworfen.

Damit ist offen, wer in Indien die Regulierungsaufsicht über Kryptowährungen hat. Die indischen Marktaufseher hatten bereits vergangenes Jahr signalisiert, sie seien für eine Aufsicht über den Kryptohandel bereit, allerdings müsse sich dazu noch die Regierung äußern. Unterdessen warnte die Zentralbank zum Jahresende im Finanzstabilitätsbericht: "Die weit verbreitete Nutzung von Krypto-Assets und Stablecoins hat Folgen für die makroökonomische und finanzielle Stabilität." Weder das indische Finanzministerium, noch die Zentralbank, noch die Marktaufseher äußerten sich auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters dazu.

Wie den Blumenhändler Nagose hält das jedoch auch den 25-jährigen Sagar Neware nicht davon ab, nachts in den Kryptohandel abzutauchen. "Mein Vater musste vor ein paar Jahren sein Geschäft für Plastikverpackungen schließen", berichtete der Maschinenbauingenieur aus Nagpur, der bei der örtlichen Verkehrsbehörde 25.000 Rupien, also umgerechnet knapp 275 Euro, im Monat verdient. "Mein größter Traum ist es, es mit dem Geld, das ich mit dem Handel verdiene, wieder aufzubauen."