Die Nationalbank rechnet mit einem kräftigen Wirtschaftsaufschwung. © APA - Austria Presse Agentur

Nach dem coronabedingt stärksten Wirtschaftseinbruch seit Ende des 2. Weltkriegs rechnet die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) heuer und im kommenden Jahr mit einem kräftigen Wirtschaftsaufschwung. Nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in Österreich um 6,7 Prozent 2020 prognostiziert die OeNB für 2021 und 2022 ein Wachstum von 3,9 Prozent bzw. 4,2 Prozent. Eine große, vierte Corona-Infektionswelle im Herbst würde aber rund 1 Prozentpunkt Wirtschaftswachstum kosten.

Im Vergleich zur letzten Konjunkturschätzung hat die OeNB ihre Prognose leicht angehoben. Im Dezember 2020 hatte die Nationalbank ein BIP-Plus in Österreich von 3,6 Prozent für 2021 und 4 Prozent für 2022 prognostiziert. Wachstumstreiber sind der private Konsum, die Exporte und Bruttoanlageinvestitionen. "Die Jahre 2021 und 2022 sind von einem deutlichen Aufholprozess geprägt", kommentierte OeNB-Gouverneur Robert Holzmann am Freitag die aktuelle Wirtschaftsprognose. Holzmann erwartet, dass die Wirtschaftsleistung in Österreich das Vorkrisenniveau im ersten Quartal 2022 erreichen wird. 2023 werde der Aufholprozess abgeschlossen sein und sich das Wirtschaftswachstum mit einem Wert von 1,9 Prozent in Richtung des langfristigen Durchschnitts bewegen.

Die aktuelle, gesamtwirtschaftliche Prognose der OeNB basiert auf mehreren Annahmen im Hinblick auf die Coronapandemie. Die Ökonomen haben in ihrer Konjunkturschätzung angenommen, dass es keine neue gefährlichere Covid-19-Mutation gibt und dass es heuer zu keiner Herdenimmunität und keiner Überlastung der Intensivstationen mehr kommen wird. Weiters haben die Prognostiker berücksichtigt, dass wohl manche Eindämmungsmaßnahmen aufrecht bleiben. Für 2022 und 2023 rechnen sie mit Impfungen für alle Altersgruppen und verfügbaren Corona-Medikamenten sowie nur ökonomisch schwach wirkenden Eindämmungsmaßnahmen. Bei einer weiteren Infektionswelle im kommenden Herbst mit einem Verlauf wie im Herbst 2020 rechnen die Nationalbank-Ökonomen mit einem Rückgang der Wachstumsraten um jeweils rund einen Prozentpunkt auf 2,8 Prozent (2021) sowie 3,0 Prozent (2022).

Der Konjunkturaufschwung führt auch zu einer Erholung am heimischen Arbeitsmarkt. Die OeNB rechnet bei den Arbeitsstunden mit einem starken Aufholprozess heuer und im kommenden Jahr. Die nationale Arbeitslosenquote nach AMS-Berechnung lag im Krisenjahr 2020 bei 10 Prozent und soll heuer laut Nationalbank-Prognose auf 9 Prozent sinken. 2022 und 2023 wird eine Arbeitslosenquote von 8 Prozent bzw. 7,7 Prozent erwartet. Damit würde wieder das Vorkrisenniveau erreicht werden. Zum Vergleich: 2018 lag die Arbeitslosenrate bei 7,7 Prozent und 2019 bei 7,4 Prozent.

Auf die Beine helfen dürfte der Wirtschaft auch ein wieder in Schwung kommender privater Konsum. Nach einem Einbruch von 9,4 Prozent im Vorjahr 2020 rechnet die OeNB heuer wieder mit einem Plus von 4,0 Prozent. Für 2022 und 2023 wird mit Steigerungen von 5,8 bzw. 1,8 Prozent gerechnet. Positiv dürfte hier ein gleichzeitiger Rückgang der Sparquote wirken. Die OeNB schätzt, dass die Quote heuer auf 11 Prozent sinken wird, 2022 dürfte sie auf 8,1 Prozent und 2023 auf 7,8 Prozent runtergehen.

In der Coronakrise haben die Österreicher noch überdurchschnittlich viel angespart. 2020 stieg die Sparquote steil von 8,2 auf 14,4 Prozent an, vor allem weil über das Basissparen hinaus viel überschüssiges Geld auf den Konten der Österreicher liegen geblieben ist. Insgesamt waren im Vorjahr 20,4 Mrd. Euro an Überschuss-Ersparnissen angefallen. Mit 80 Prozent (16,3 Mrd. Euro) war der überwiegende Teil des Überschusssparens auf Zwangssparen zurückzuführen, also auf Sparen wegen fehlender Konsummöglichkeiten in der Pandemie, so OeNB-Chefökonomin Doris Ritzberger-Grünwald. Die übrigen 20 Prozent seien dagegen Vorsichtssparen gewesen, also Sparen aufgrund der Angst um den eigenen Arbeitsplatz oder sonstiger Unsicherheiten.

Die erwartete sinkende Sparquote unterstütze zwar den privaten Konsum, allerdings werde bei weitem nicht alles, was 2020 auf den Konten geblieben ist, automatisch wieder ausgegeben. "Ein Fünftel wird heuer und im nächsten Jahr in den privaten Konsum zurückfließen", sagte Ritzberger-Grünwald. Der Großteil werde jedoch als Vermögen auf den Konten der Österreicher verbleiben. Mit ein Grund sei auch, dass ein Gutteil der Überschussersparnisse auf Menschen mit höherem Einkommen zurückzuführen sei, so die OeNB-Volkswirtin.

Das erzwungene Sparverhalten in der Krise habe sich vor allem auf den Dienstleistungssektor negativ ausgewirkt. Während sich die Bevölkerung bei Gütern zwischen dem ersten und dritten Lockdown 2020 spürbar angepasst hätte und in Lockdowns auf Online-Käufe umgestiegen sei, sei das bei Dienstleistungen nicht möglich gewesen.

Besonders hart traf das den Tourismus. Der für Österreich äußerst wichtige Dienstleistungssektor werde sich nur langsam erholen. Wegen des Totalausfalls der Wintersaison 2020/21 werde die Nächtigungsbilanz auch heuer negativ ausfallen, die OeNB rechnet für 2021 mit einem Rückgang von 16,5 Prozent auf 81,7 Millionen Nächtigungen. Die Sommersaison alleine werde den Schaden aus dem Winter nicht zur Gänze abfedern können. Für 2022 rechnet die OeNB jedoch wieder mit einer "massiven Zunahme der Nächtigungszahlen", hieß es im Bericht der Nationalbank.

Großes Thema für die Notenbanker ist auch die Entwicklung der Verbraucherpreise. Die Inflationsrate (HVPI) soll heuer laut OeNB-Schätzung getrieben von höheren Rohstoffpreisen auf 2 Prozent ansteigen. Laut Berechnungen der Statistik Austria dürfte die Inflation im Mai auf 2,8 Prozent geklettert sein. "Wir beobachten das sehr genau", sagte Holzmann. Wenn die Inflationsrate über 3 Prozent steige, dann könnte dies zu "einem Überdenken der Strategie" der Europäischen Zentralbank (EZB) führen. Man werde die Verbraucherpreisentwicklung in den nächsten Wochen und Monate "sehr genau" analysieren, so der OeNB-Gouverneur.

"Die Inflation ist derzeit unser Sorgenkind", kommentierte die OeNB-Chefökonomin Ritzberger-Grünwald die Teuerung. Den aktuellen Anstieg könne man mit Pandemie-Sondereffekten erklären, unter anderem der Rohstoffknappheit und der Ölverteuerung. Die Ökonomin verwies auch auf die verhaltene Preisentwicklung der vergangenen Jahre. "Die Inflationsrate war jahrelang zu niedrig und wurde 2020 durch die Pandemie stark gedrückt." Für 2022 und 2023 rechnet die OeNB mit einem leichten Rückgang der Inflationsrate in Österreich auf jeweils 1,8 Prozent.

Auch die Preisanstiege am Immobilienmarkt beschäftigen die Nationalbank. Die Notenbanker hatten kürzlich in einem Bericht auf eine "zunehmende Überhitzung des Wohnimmobilienmarktes" hingewiesen. Der Immobilienmarkt in Österreich sei "einer der dynamischsten in der Eurozone", sagte Holzmann. Dies sei auch Thema in internen Besprechungen und man bespreche mögliche Maßnahmen. "Eine Entscheidung könnte im Herbst fallen", so der OeNB-Gouverneur.

Die Coronakrise trifft weiterhin den Staatshaushalt hart. Das Budgetdefizit soll heuer laut Nationalbank-Prognose 6,9 Prozent des BIP betragen. 2022 wird ein Budgetsaldo von -2,8 Prozent und 2023 von -2 Prozent erwartet. Das Auslaufen der Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz sowie die konjunkturelle Erholung werde zu einer starken Verbesserung des Budgetsaldos führen, so die Notenbank.

Gute Nachrichten gibt es aus der Exportindustrie: Für heuer erwartet die OeNB ein Export-Plus von 7,1 Prozent und für 2022 einen Anstieg um 6,4 Prozent. Die Vorlaufindikatoren für die Exportwirtschaft würden auf eine schnelle Erholung hindeuten. Hohe Rohstoffpreise und Lieferengpässe könnten aber kurzfristige Abwärtsrisiken bergen.