1,5 Mrd. Euro für Filialmodernisierungen und ein neues Warenlager © APA - Austria Presse Agentur
Die Billa-Mutter Rewe plant das größte Investitionspaket der Firmengeschichte in Österreich. Rund 1,5 Mrd. Euro sollen bis 2027 in die Modernisierung der Filialen und in ein neues teilautomatisches Warenlager investiert werden. Trotz "der relativ instabilen volkswirtschaftlichen Situation" und der aus Rewe-Sicht ungerechtfertigten 70 Mio.-Euro-Kartellstrafe habe man sich für die Investitionsoffensive entschieden, sagte Rewe-Österreich-Chef Marcel Haraszti im APA-Gespräch.
Die Investitionsentscheidung zeige auch das Vertrauen der deutschen Eigentümer in den Standort Österreich, so Haraszti. Der Aufsichtsrat der deutschen Rewe-Gruppe hat vergangene Woche grünes Licht für das Investitionspaket gegeben. Für den Bau des neuen Trockensortiment-Lagers auf dem Gelände der Unternehmenszentrale in Wiener Neudorf (Bezirk Mödling) werden bereits bestehende bebaute Flächen von Rewe genutzt. Der Baustart für das neue Logistik-Zentrum ist für 2026 geplant und die Fertigstellung für 2030 anvisiert. Mit einem Investitionsvolumen von 600 Mio. Euro handelt es sich um das größte Infrastrukturprojekt der Unternehmensgeschichte in Österreich und um das größte Investment eines Privatunternehmens der letzten Jahre in Niederösterreich.
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) zeigte sich über das Investitionsprogramm des Handelskonzerns erfreut. "Gerade in herausfordernden Zeiten ist dieses Investment der Rewe Group ein starkes Bekenntnis zum Standort Österreich", so Hattmannsdorfer in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Das Rewe-Investment stärke "nicht nur die Nahversorgung", sondern vor allem "auch Produzentinnen und Produzenten, Zulieferbetriebe und tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" in Österreich.
EGMR-Beschwerde wegen Rekordkartellstrafe in Vorbereitung
Die im Februar vom Obersten Gerichtshof (OGH) als Kartellobergericht verhängte Rekordkartellstrafe in Höhe von 70 Mio. Euro spielte laut Rewe-Österreich-Chef Haraszti bei der 1,5 Mrd. Euro-Investitionsentscheidung keine Rolle. Anlassfall für die Strafe war die nicht rechtzeitige Meldung einer Geschäftsflächenübernahme in Wels bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Rewe bereitet wegen der Rekordgeldbuße derzeit eine Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor, weil man sich in mehreren Rechten verletzt sieht. Die bereits bezahlte Strafe habe keine Auswirkungen auf die Firmenstrategie und müsse "auch nicht von Mitarbeitern und Kunden abgefedert werden", betonte der Billa/Bipa-Chef. Generell habe der OGH-Entscheid aber "negative Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort in Österreich", weil die Rechtssicherheit abnehme. Es sei außerdem "ärgerlich", wenn Online-Handelskonzerne "deutlich weniger" reguliert werden und ihr Geschäft in Europa ausbauen können.
Trotz anhaltender Rezession in Österreich und schwächelndem Privatkonsum ist der Handelskonzern mit dem Geschäftsverlauf 2024 "sehr zufrieden". Rewe steigerte in Österreich den Brutto-Gesamtumsatz im Vorjahr mit Billa, Billa Plus, Bipa, Adeg, Penny, und Rewe Austria Touristik um 4,8 Prozent auf 10,94 Mrd. Euro. Der Aktionsanteil bei Billa und Billa Plus belief sich auf rund 40 Prozent, der Eigenmarkenanteil lag bei 32 Prozent. Per Jahresende 2024 beschäftigte der Handelskonzern hierzulande über 46.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rund 2.500 Filialen. Das Lebensmittelgeschäft wuchs um 3,9 Prozent, die Erlöse bei Bipa stiegen um 5,9 Prozent. Zum Vergleich: Die von der Statistik Austria gemessene Inflation belief sich im Vorjahr auf 2,9 Prozent, Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke verteuerten sich um 2,6 Prozent. Bei Billa betrug die Sortimentsverteuerung nach eigenen Angaben rund 2,1 Prozent. Für das laufende Jahr erwartet der Rewe-Österreich-Chef "keine hohen Preissteigerungen" bei Lebensmitteln. Preissprünge gebe es nur bei Kaffee, Schokolade/Kakao und Orangensaft wegen Missernten.
Im Online-Handel stiegen die Umsätze 2024 von Billa und Bipa um 11 Prozent auf 114 Mio. Im vergangenen Dezember stellte Billa die österreichweite Hauszustellung außerhalb des Großraumes Wien nach neun Jahren aus wirtschaftlichen Gründen ein. Seitdem gibt es die eigene Zustellung nur noch in Wien und in Teilen von Niederösterreich und dem Burgenland. Billa ist laut eigenen Angaben Marktführer im Online-Lebensmittelhandel in Österreich. Der Handelskonzern hat aber das Click & Collect-Geschäft und die Kooperation mit dem Lieferdienst Foodora ausgebaut.
Billa/Bipa-Chef: "Marktanteile können arm machen"
Rewe hat die Marktführerschaft im Coronajahr 2020 erstmals nach Jahrzehnten an der Spitze an Mitbewerber Spar verloren, seitdem vergrößert sich der Abstand. 2024 steigerte Spar den Marktanteil im österreichischen Lebensmittelhandel um 0,1 Prozentpunkte auf 36,9 Prozent. Rewe hat im Vorjahr 0,3 Prozentpunkte auf 33,6 Prozent verloren, wie das Online-Fachmagazin "Key Account" unter Verweis auf NielsenIQ-Daten berichtete. Man fokussiere sich auf "nachhaltiges und qualitatives Wachstum", so der Rewe-Österreich-Chef. "Marktanteile können arm machen, etwa wenn man sie mit Aktionen erkauft." Der Handelskonzern will sich auf die Modernisierung von bestehenden Flächen fokussieren. Man habe im Vorjahr die Anzahl der Billa-Standorte um sechs Standorte gesenkt, so Haraszti.
Bis 2030 sollen auch rund 200 Billa-Supermärkte von selbstständigen Kaufleuten geführt werden, kündigte der Handelsmanager eine neue Zielvorgabe an. Seit 2022 wurde das "Kaufleute-Modell" bisher an 23 Standorten umgesetzt. Billa wollte ursprünglich bis Ende 2026 rund 100 Filialen von selbstständigen Kaufleuten führen lassen. Qualität gehe vor Geschwindigkeit, erklärte Haraszti den etwas langsameren Fortschritt. Der Billa-Kaufmann oder die Billa-Kauffrau halten 80 Prozent an der offenen Gesellschaft (OG) und Billa 20 Prozent. Derzeit gibt es rund 1.200 Billa und Billa Plus-Filialen in Österreich. Das Billa-"Kaufleute-Modell" hat keine Auswirkungen auf die Adeg-Kaufleute. "Adeg bleibt", betonte der Rewe-Österreich-Chef.
580 Gemeinden in Österreich ohne Nahversorger
Positiv bewertet der Billa/Bipa-Chef die von der neuen Regierung angekündigte Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten bei Selbstbedienungsgeschäften. "Nahversorger, die gänzlich digital oder in Randzeiten digital und ohne angestelltes Personal betrieben werden, werden aus dem Öffnungszeitengesetz ausgenommen", heißt es im Regierungsprogramm. Laut einem Entscheid des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) dürfen Nahversorger-Container ohne Mitarbeiter derzeit nur solange offen halten wie Supermärkte. Billa experimentiert seit einigen Jahren bereits mit Selbstbedienungsboxen. In einer Billa-Box (50 Quadratmeter) mit Selbstbedienungskassa gibt es rund 1.000 Artikel. Eine Box steht testweise in Wiener Neudorf gegenüber der Rewe-International-Konzernfiliale und in Vösendorf. Eine weitere Billa Box eröffnet in den nächsten Wochen am Verteilerkreis in Wien-Favoriten. Haraszti drängt auf eine rasche Umsetzung des Öffnungszeiten-Vorhabens durch die Regierung. Wie viele Billa Boxen die Supermarktkette dann österreichweit aufstellen will, muss erst geprüft werden. Billa will das Gespräch mit den rund 580 Gemeinden in Österreich suchen, die derzeit keinen Nahversorger haben.