Aus von Orange als vierter Mobilfunker trieb die Preise in Österreich © APA - Austria Presse Agentur
Sechs europäische Wettbewerbsbehörden sprechen sich gegen US-amerikanische Verhältnisse im Telekomsektor aus. Der europäische Weg einer vorausschauenden Regulierung mit nachträglicher Anpassung fördere den Wettbewerb, während die "ex post"-Regulierung zur Konzentration mit höheren Preisen führe, bezogen in Österreich die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) am Dienstag Stellung zur aktuellen politischen Diskussion.
Aber auch die Wettbewerbsbehörden von Belgien, Irland, Tschechien, Portugal und den Niederlanden verweisen auf den Stellenwert des Wettbewerbs im Telekommunikationssektor, der von der Europäischen Kommission in Frage gestellt wird. Denn dieser ermögliche Innovation, Investitionen, leistbare Preise und Auswahl für Konsumentinnen und Konsumenten.
Teure Fusion
Als negatives Beispiel führen die beiden österreichischen Behörden den Zusammenschluss von Hutchison 3G Austria und Orange Austria an, den die BWB und die RTR 2016 unter die Lupe genommen haben. Bis Ende 2014 kam es zu deutlichen Preissteigerungen. Laut BWB stiegen die Preise für bestehende Kundinnen und Kunden im Schnitt um 14 bis 20 Prozent. Bei typischer Smartphone-Nutzung gab es 2013 und 2014 für Neukunden laut RTR Preissteigerungen um 50 bis 90 Prozent, bei klassischer Nutzung ohne Internet um 22 bis 31 Prozent.
"Die oft getätigte Aussage, in Europa gibt es 170 Telekom-Anbieter und in den USA nur drei, ist schlicht falsch. Das Narrativ wird dennoch immer wieder gebracht", sagte Klaus Steinmaurer, Geschäftsführer des RTR-Fachbereichs Telekommunikation und Post. "Was stimmt, ist, dass der Wettbewerb in den USA insgesamt weniger intensiv ist und das spüren vor allem Konsumentinnen und Konsumenten." Eine innerstaatliche Konsolidierung würde alle Regulierungserfolge der letzten 20 Jahre ad absurdum führen.
Nationale Unterschiede
In Österreich konnte in vielen Bereichen die sektorspezifische ex-ante Regulierung zurückgenommen und durch die ex-post Überprüfung des allgemeinen Wettbewerbsrechts und die Fusionskontrolle ersetzt werden - ohne die Marktöffnung zu gefährden, führten die BWB und die RTR den Vorteil des österreichischen Systems an. Zudem gebe es im europäischen Binnenmarkt nationale Unterschiede bei Ausbauvorhaben, Konsumentenschutzbestimmungen und anderen Regelungen. Die meist nationalen Märkte müssten daher aus fusionskontrollrechtlicher Sicht dementsprechend geprüft und beurteilt werden.
"Die BWB schaut insbesondere auch auf die KMUs, also die vielen Hidden Champions unserer österreichischen Wirtschaft", sagte BWB-Generaldirektorin Natalie Harsdorf. "Wettbewerbswidrige Fusionen bringen in der Regel keine breiten volkswirtschaftlichen Vorteile, die BWB prüft das mit. Mögliche Fusionen im Bereich Mobilfunk müssen daher sehr sorgfältig geprüft werden, sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene."
Ehrgeizige Ziele
Ausgelöst hat die Debatte der "Wettbewerbsfähigkeitskompass" der Europäischen Kommission. Darin finden sich die in den Berichten von Enrico Letta und Mario Draghi vorgestellten Visionen für Europa. Die Kommission formulierte anhand der Berichte des früheren italienischen Premierministers und des früheren EZB-Präsidenten ehrgeizige Ziele für Wachstum, Resilienz und die technologische Souveränität Europas. Im Zuge dessen wurde Wettbewerb als Wachstumsbremse dargestellt. Entsprechende Regelungen würden die Konsolidierung in der Telekombranche - die Bildung "europäischer Champions" - verhindern, so die Argumentation der Befürworter geringerer wettbewerbsrechtlicher Hürden.
"Der Draghi Report hat viele gute Ideen, der Telekomsektor ist aber offenbar nicht seine Stärke," merkte Steinmaurer dazu an.