Grazer Know-how ist europaweit gefragt.

NEW BUSINESS Bundeslandspecial - STEIERMARK 2020
282 km/h schnell und rein computergesteuert: Das Roborace-Rennauto „Robocar“ bei seiner Österreich-Premiere am Grazer Symposium Virtuelles Fahrzeug. Bewundert von Podiumsgästen. © VIRTUAL VEHICLE Research GmbH

Europäische Pole Position: Das Grazer Forschungszentrum für virtuelle Fahrzeugentwicklung VIRTUAL VEHICLE hat sich im Bereich digitaler Mobilität international einen Namen gemacht.

Um die Fahrzeugtechnologien der Zukunft voranzutreiben bedarf es fundierter industrienaher Forschung. Und genau die bietet die Grazer Virtual Vehicle Research GmbH, die sich im Bereich digitaler Mobilität als Europas größtes Forschungszentrum für virtuelle Fahrzeugentwicklung international etabliert hat und an der Entwicklung von „Software Defined Vehicles“ arbeitet. Insbesondere heimische Betriebe, von KMU bis Global Player, profitieren von der erfolgreichen Internationalisierung und dem umfassenden Know-how-Transfer. „Das Rennen um die Mobilität von morgen kennt nur eine Regel: Software gewinnt“, bringt es Jost Bernasch, Geschäftsführer des Virtual Vehicle auf den Punkt.

Prozessorleistung statt Motorleistung
Mit der Entwicklung der sogenannten „Software Defined Vehicles“ vollzieht sich ein Wandel hin zu Fahrzeugen, deren Funktionen primär über eine Software ermöglicht und gesteuert werden. „Aus primär mechanischen Objekten werden global vernetzte, updatefähige Hightech-Fahrsysteme als Teil des Internet of Things“, so Bernasch. Kernfunktionen des Antriebsstrangs oder der Fahrzeugdynamik, autonome Fahrfunktionen, Datenmanagement, die Steuerung von Sicherheitsfunktionen – all das wird zunehmend von Software übernommen. Die Kunden freut, dass sie bald selbst auf Knopfdruck neue Funktionen im Fahrzeug installieren können. Für die Fahrzeugindustrie bedeutet es nicht weniger als eine Revolution. „Die geänderte Zielorientierung stellt die gesamte Fahrzeugentwicklung auf den Kopf und führt zu einer zunehmenden Systemkomplexität bei Hightech-Fahrzeugen auf Straße und Schiene“, erklärt Bernasch. Fertig produzierte Fahrzeuge von morgen sind nicht mehr „unveränderbar“, sondern im Gegenteil, eine digital ausbaufähige Grundausstattung, bereit für das nächste Update oder sogar Upgrade „over-the-air“, also ohne Werkstattbesuch. Ohne den verstärkten Einsatz von numerischen Simulationen ist es hier nicht mehr möglich, Funktionen und Sicherheit frühzeitig und kostenmäßig beherrschen zu können.
Auch in der Bahnindustrie helfen Simulationen des Gesamtsystems Bahn dabei, optimierte Lebenszykluskosten und höchste Verfügbarkeit der Bahn für den Kunden zu garantieren. Genau hier hat sich das steirische Unternehmen Virtual Vehicle positioniert – strategisch richtig im Bereich Gesamtsystem-Simulation seit seiner Gründung im Jahr 2002 und insbesondere seit dem Start des COMET-Programms 2008.

First Insights: Next Generation ­Simulation Technology
Sie sind wie der „heilige Gral“ der Simulationstechnologie: Perfekte Gesamtsystem-Simulationen, die nicht nur Teile, sondern das Gesamtsystem Fahrzeug repräsentieren. Herausfordernd dabei ist, viele Funktionen und Simulationen automatisiert zu integrieren. Gleichzeitig müssen Simulationsergebnisse vertrauenswürdig und möglichst realitätsnah sein. Je besser beides gelingt, desto eher können die Systeme frühzeitig automatisiert überprüft – und Entwicklungsverzögerungen verhindert werden. Mit der Eigenentwicklung „System Simulation Governance“ schafft Virtual Vehicle einen wesentlichen Sprung vorwärts und arbeitet an einem Ansatz, um Simulationsergebnisse von Teilsystemen automatisiert zu integrieren („Automated Engineering“) und dabei verstehbar und rückverfolgbar zu machen („Credible Simulation“). So können die unter Umständen großen Auswirkungen von kleinen Veränderungen an Einzelkomponenten auf das Gesamtergebnis schneller und genauer als je zuvor simuliert werden. Es sind innovative Entwicklungen wie diese, die international anerkannt sind und den Erfolg von Virtual Vehicle sichern.

2+4=24: Strategische Forschung ­multipliziert Erfolg für Standort
Strategische Partnerschaften, zum Beispiel mit AVL, Infineon oder voestalpine, aber auch BMW, VW und ZF, sowie zahlreiche Forschungskooperationen bestätigen den erfolgreichen Weg von Virtual Vehicle. Allein seit dem Jahr 2015 war Virtual Vehicle an über 100 großen internationalen Forschungsprojekten mit einem Volumen von jeweils über 500.000 Euro beteiligt. Internationale Industriepartner haben seither über 15 Mio. Euro in die Steiermark investiert und den Aufbau von Spitzen-Know-how mitfinanziert. Wie gut dieser Erfolg für den Wirtschaftsstandort zu Buche schlägt, zeigt die hohe Hebelwirkung der eingesetzten Fördermittel. Die Förderungen (SFG 2 Mio. Euro, FFG 4 Mio. Euro pro Jahr) konnten erneut auf einen Betrag von 24 Mio. Euro Forschungsumsatz vervierfacht werden. Bernasch: „Mit einer Forschungsleistung von rund 24 Mio. Euro ergibt sich ein international exzellenter Förderhebel von 1:4 für jeden eingesetzten COMET-Förder-Euro. Für die steirischen Förderinvestitionen ergibt sich sogar ein Hebel von 1:12 zugunsten des Wirtschaftsstandortes Steiermark.“
Aufgrund des steigenden Interesses an dem aufgebauten Know-how gelang es im Geschäftsjahr 2019, auf rund 300 Mitarbeiter aufzustocken und dieses Niveau auch im herausfordernden Jahr 2020 zu halten. Virtual Vehicle hat sich dank strategischer Forschung und moderner Schlüsseltechnologien zu einem gefragten Partner bei Global Playern entwickelt und den Schritt hin zu einer gewichtigen Institution in der europäischen Forschungslandschaft vollzogen. Ein Erfolg, der ohne das COMET-Forschungsförderungsprogramm weder erreicht noch gehalten werden könnte. „Die COMET-Finanzierung ist wesentliches Fundament für die erfolgreiche internationale Arbeit von Virtual Vehicle und sichert die Forschung an Zukunftsthemen,“ erläutert Harald Kainz, Rektor der Technischen Universität Graz und Aufsichtsratsvorsitzender von Virtual Vehicle.

Let’s race: Autonome Rennserie als internationaler Ritterschlag
Ein sichtbares Zeichen für die gelungene Internationalisierung stellt die Teilnahme von Virtual Vehicle mit der TU Graz als gemeinsames Autonomous Racing Team Graz (ARG) bei internationalen Rennen für autonomes Fahren dar. Die auf abgesperrten Rennstrecken möglichen Fahrsituationen fordern die vorhandenen Technologien und Softwarelösungen maximal und stellen eine höchst herausfordernde Testumgebung für die Entwicklung autonomer Fahrsysteme dar. Hier werden Technologien von morgen im realen Einsatz erprobt, interessiert beobachtet vom Who-is-Who aus dem Bereich der autonom fahrenden Fahrzeuge. „Das Autonomous Racing Team Graz (ARG) ist ein herausragendes Beispiel für die enge Kooperation von Virtual Vehicle und TU Graz in Forschung und Lehre. Das ARG-Team erweitert in fahrerlosen Rennautos konsequent die Grenzen des technisch Möglichen im Bereich autonomer Fahrsysteme und ist im hochkarätig besetzten internationalen Roborace höchst erfolgreich“, zeigt sich Kainz begeistert. Das ARG Team konnte das letzte Roborace-Rennen in Frankreich für sich entscheiden und befindet sich aktuell in den Vorbereitungen für das nächste Rennen in Las Vegas. Zudem konnte sich das Team für die davon unabhängige, sehr prestigeträchtige Indy Challenge in den USA qualifizieren, bei der sich im nächsten Jahr autonom fahrende Fahrzeuge am berühmten Indianapolis Motor Speedway ein Rennen liefern und um 1 Mio. US-Dollar Preisgeld rittern.

Europas größtes Forschungszentrum für Virtuelle Fahrzeugentwicklung
„Dank konsequenter strategischer Forschung, globaler Vernetzung und Kooperationen mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen – darunter die TU Graz – und mit innovativen Industriepartnern sowie einer Serie von europäischen Großprojekten hat sich Virtual Vehicle im internationalen Kreis der Spitzenforschung eta­bliert,“ erläutert Rektor Kainz. „Virtual Vehicle ist damit Europas größtes Forschungszentrum für virtuelle Fahrzeugentwicklung in der Automobil- und Schienenfahrzeugindustrie.“
So gelang es Virtual Vehicle erneut, ein EU-Leitprojekt in die Steiermark zu ziehen: InSecTT, das ebenso wie seine Vorgänger SCOTT und DEWI mit einem Volumen von je ca. 50 Mio. Euro von Virtual Vehicle koordiniert wird. InSecTT führt seit Juni 2020 mit 52 Partnern aus zwölf Nationen die Bereiche Künstliche Intelligenz und Internet of Things zusammen und stellt insbesondere die sichere Datenkommunikation für industrielle Anwendungen sicher (z. B. in den Sektoren Automotive, Health, Smart Infrastructure etc.). Im Bereich der Schienenfahrzeugindustrie etablierte sich Virtual Vehicle international durch den heiß umkämpften Zuschlag, bei Shift2Rail (S2R), der „Gemeinsamen Technologieinitiative“ (Joint Technology Initiative) der Europäischen Union, dabei zu sein. Diese größte ­europäische Forschungsinitiative im Bereich Bahnsystemtechnik ist 920 Mio. Euro schwer und vereint seit 2014 alle EU-Forschungs- und Innovationsaktivitäten im Schienensektor. Virtual Vehicle koordiniert das Österreich-Konsortium von Shift2Rail und arbeitet mit dem S2R Direktorium bereits an einer erfolgreichen Fortsetzung.

Steirischer Forschungsmagnet: Ein Hotspot mit Sogwirkung
Die Etablierung von Virtual Vehicle als internationaler Hotspot im Bereich Digitale Mobilität stärkt die Steiermark als attraktiven Arbeitsplatz für Top-Experten. Mit Mitarbeitern aus 22 Nationen steht Virtual Vehicle stellvertretend für eine globale Zusammenarbeit auf heimischem Boden, die die internationale Bedeutung des Wirtschaftsstandortes unterstreicht. „Das Team des Virtual Vehicle ist gemeinsam mit seinen Partnern aus Forschung und Wirtschaft ein wesentlicher Motor für den Ruf der Steiermark als herausragendes Innovations- und Forschungsland. Mit seinen Projekten prägt das Kompetenzzentrum die Entwicklung neuer Technologien und damit die Zukunft der Mobilität entscheidend mit. So ist die Steiermark seit drei Jahren Testregion für automatisiertes Fahren und das Virtual Vehicle spielt eine führende Rolle bei der Weiterentwicklung automatisierter Fahrsysteme“, so Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl.
Seit dem Beginn der COMET-Förderlinie 2008 konnten über 30 Mio. Euro an EU-Fördergeldern in die Steiermark geholt werden. Darüber hinaus gelingt eine zusätzliche lokale Wertschöpfung für heimische Betriebe aufgrund der Nutzung des internationalen Partnernetzwerkes für gemeinsame Großprojekte.

Innovationsbeschleuniger
Die wachsende Nachfrage nach vernetzten, elektrisch angetriebenen und zunehmend eigenständig fahrenden Fahrzeugen bietet enorme Chancen, zwingt aber auch zu immer kürzeren Entwicklungszyklen. Virtual Vehicle hat sich hier als wertvoller Partner für führende Industrieunternehmen bewährt. „Bald fahren Autos vollelektrisch und autonom“, so Hans Adlkofer, Vice President Automotive Systems der Infineon Technologies AG. „Entscheidend hierfür ist eine konzertierte und gemeinsame Entwicklungstätigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. In enger Kooperation mit Universitäten und Unternehmen wie Virtual Vehicle arbeitet Infineon an modernen Ansätzen, um die Entwicklungsgeschwindigkeit und Validierungstiefe zu erhöhen.“
Infineon als Halbleiterhersteller entwickelt Sensor Chips für LiDAR, Radar und ToF-Kameras, betreibt Prototypentenentwicklung, evaluiert die Sensorprototypen in Sensorlaboren und entwickelt Sicherheitssteuerungen (Aurix Safety Controller). Im Rahmen der Kooperation mit Virtual Vehicle werden Anforderungen für die nächsten Produktgenerationen in gemeinsamen Projekten gesammelt und virtuell überprüft, wodurch der Entwicklungsprozess beschleunigt wird.

Know-how-Transfer: Neuer One-Stop-Shop für heimische Betriebe
Virtual Vehicle baut den Know-how-Transfer noch weiter aus und ermöglicht heimischen Betrieben Zugang zu internationalem Wissen und modernsten Technologien. Eigens initiierte Living Innovation Labs bringen Innovationen, die im Rahmen von Forschungsprojekten als Minimal Viable Product (erste minimal funktionsfähige Iteration eines Produkts) entwickelt wurden, noch einen Schritt näher zur Umsetzung, indem diese von Betrieben umfassend für eigene Entwicklungen genutzt und getestet werden können. Für den grenzüberschreitenden Wissenstransfer bietet Virtual Vehicle einen One-Stop-Shop für Betriebe im Rahmen des europäischen Projektes HUBCAP. Sie erhalten Zugang zu Forschung und Entwicklung inkl. Prototypentests im Netzwerk mit europäischen Digital Innovation Hubs. (VM)