Forschungspatenschaft (v. l. n. r.): Tobias Steger (Hoerbiger), Martina Griesser-Stermscheg, Karin Skarek (beide TMW), Christiana Hörbiger, Peter Aufreiter (TMW) und Andreas Hünerwadel (Hoerbiger) © Technisches Museum Wien
Außerhalb von Österreich steht der Name Hoerbiger nicht für Schauspielkunst, sondern für einen großen Erfinder und einen Weltkonzern. Eine Unternehmenssparte befindet sich in Wien.
Die Welteislehre besagt, das ganze Weltall außer den Sonnen besteht aus Eis. Entwickelt wurde diese Theorie von Hanns (auch Hans) Hörbiger, weshalb sie in die Wissenschaftsgeschichte auch unter dem Titel Hörbigers Glacial-Kosmogonie einging. Die Eislehre ist heute weitgehend vergessen. Dafür steht Hörbiger heute als Urvater für zwei andere Phänomene. Der uneheliche Sohn von Amalia Hörbiger befasste sich als Ingenieur mit der Wärme- und Kältetechnik und gilt als Pionier in diesem Segment. Das ihm 1896 zuerkannte Patent für ein Stahlplattenventil, schon bald als Hörbiger-Ventil bekannt, war Basis für sein Unternehmertum und damit auch für den heute weltweit agierenden Konzern Hoerbiger Holding.
Außerdem entstammten seiner Ehe mit der Näherin Leopoldine Janák vier Söhne, darunter Alfred Hörbiger, der später die Geschäftsleitung der von seinem Vater gegründeten Firma Hoerbiger & Co. übernahm. Nach dem Start 1900 in Budapest übersiedelte das Konstruktionsbüro drei Jahre später nach Wien. Das war die Keimzelle für die heute global agierende Hoerbiger Holding.
Hanns Hörbiger war aber auch der Vater der bekannten Schauspieler Paul und Attila Hörbiger, die beiden Begründer der – vorwiegend österreichischen – Schauspieler- und Künstlerdynastie.
Vom Stahlplattenventil zum Weltkonzern
In den Anfängen des Unternehmens steht Hoerbiger Innovationen im Segment der Ventile. Das Unternehmen nimmt 1931 nicht nur die Eigenfertigung von Ventilen in Wien-Simmering auf, allein zwischen 1925 und 1945 werden Hoerbiger & Co. für Erfindungen und Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Kompressorventile und -regelungen nicht weniger als 171 Patente erteilt. Ab der Nachkriegszeit gilt Hoerbiger als Synonym für Ventile für Hochleistungskompressoren. In diesem Segment ist der Konzern seit mittlerweile mehr als 100 Jahren auch Weltmarktführer. In Österreich ist das Unternehmen hingegen noch heute in die Kategorie „Hidden Champions“ einzuordnen.
Tatsächlich steckt hinter dem Namen Hoerbiger heute ein Weltkonzern, der an 133 Standorten in 43 Ländern mehr als 6.000 Menschen beschäftigt. Die aktuell von Thorsten Kahlert, CEO und Vorsitzender der Konzernleitung, geführte Gruppe erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von mehr 1,416 Milliarden Euro. Neben dem Geschäft mit Ventilen spielt Hoerbiger heute beispielsweise im Markt für Getriebekomponenten für die Autoindustrie, in der E-Mobilität und bei Hochvolt-Batterien, bei Hydraulikteilen für den Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Wasserstoff-Technik und im industriellen Explosionsschutz mit.
Die Konzernstruktur basiert aktuell auf fünf operativen Einheiten: den beiden Divisionen Compression und Automotive sowie den drei Business Units Rotary, Engine und Safety.
Führungsanspruch im Weltmarkt
„Mit unserer jahrzehntelangen Erfahrung helfen wir unseren Kunden in der Wende zu effizienten, robusten und nachhaltigen Lösungen für Verbrennungsmotoren. Besonders im Bereich Wasserstoff sind wir stolz, als Innovationsführer den Weg zu ebnen“, heißt es seitens des Unternehmens beispielsweise zum Segment der mit gasförmigen Kraftstoffen betriebenen Verbrennungsmotoren. In diesem Sektor versteht sich der Konzern als „Innovations- und Marktführer für performancekritische Komponenten“. Hoerbiger: „Mittels Innovation, Know-how, individuellen Lösungen und automotiven Kosten- und Qualitätsstandards ist Hoerbiger ein Schlüsselpartner in der grünen Energiewende. Unsere Innovation hilft uns, unseren Kunden und der Welt, in der wir alle leben.“ Sich selbst hat Hoerbiger das Ziel gesetzt, bis 2039 in der gesamten Wertschöpfungskette klimaneutral zu sein.
Schweiz und Österreich
Auch wenn die Holding, die sich mehrheitlich im Besitz der Hoerbiger Stiftung befindet, wie diese in Zug in der Schweiz logiert, ist sich der Konzern seines Ursprungs bewusst. Das österreichische Stammwerk mit dem weltweiten Kompetenzzentrum Compression ist in Wien-Aspern angesiedelt, wohin es 2016 von Wien-Simmering übersiedelte.
Außerdem kooperiert die Hoerbiger Stiftung eng mit dem Technischen Museum Wien (TMW), um dessen umfangreiche Sammlung an firmenrelevanten Schriften wie Werksmagazinen, Produktkatalogen, Preislisten, Werbemitteln und Ähnlichem beim Aufbau des „Archivs für österreichische Unternehmensgeschichte und -kultur“ zu unterstützen. Das Forschungsteam des TMW hat beispielsweise Zugriff auf das Hoerbiger-Konzernarchiv, das im Neubau in der Seestadt Aspern beheimatet ist.
Zum Bestand des Technischen Museums zählen mehr als 23.000 Einzelstücke zur Firmengeschichte, aber auch zur pseudowissenschaftlichen Welteislehre Hanns Hörbigers. In dem 2024 initiierten Gemeinschaftsprojekt von TMW und Hoerbiger soll „die reiche Geschichte und das Erbe eines internationalen Unternehmens mit österreichischen Wurzeln beleuchtet“ werden.
Starke Frauen
Im Mittelpunkt der Unternehmensgeschichte steht auch Martina, die Ehefrau von Alfred Hörbiger. Sie führte nach dessen Tod 1945 als eine der ersten Frauen in der österreichischen Unternehmensgeschichte den Konzern bis zu ihrem Tod 1989 und trieb dessen Internationalisierung massiv voran. Dank ihrer Visionen und ihrem Unternehmergeist ist der Konzern heute global aufgestellt. Sie hinterließ der noch von ihr und dem Stiftungsrat bestellten Geschäftsleitung der Firmengruppe die Herausforderung, die Unternehmensstruktur neu zu ordnen.
So folgte 1992 die Reorganisation in die drei Unternehmensbereiche Kompressortechnik, Antriebstechnik sowie Automatisierungstechnik. Im Jahr 1997 wurde die Hoerbiger AG schließlich in die heutige Konzernholding umgewandelt. Neben Martina in der Vergangenheit des Unternehmens spielt gegenwärtig ebenfalls eine Frau eine zentrale Rolle im Konzern: Christiana Hörbiger vertritt als Gesellschafterin die Interessen der gesamten Familie.
2025 feiert Hoerbiger sein 130-jähriges Bestehen, zu diesem Jubiläum soll noch im Laufe des Jahres ein umfassendes Unternehmensporträt einschließlich einer ausführlichen Firmenchronik publiziert werden. (ALS)