Rund 70 Prozent des österreichischen Außenhandels finden innerhalb der EU statt. © Adobe Stock/Fotosphaere
In diesem Jahr feiert der europäische Binnenmarkt seinen 30. Geburtstag. Unbestritten ein Meilenstein, der auch – oder gerade – Österreichs Wirtschaft beflügelt hat ...
... Dennoch gibt es noch ein paar offene Baustellen anzugehen.
Ein denkwürdiger Tag, als am 1. Jänner 1993 der europäische Binnenmarkt Realität wurde. Zuvor wurde er mit der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht am 7. Februar 1992 besiegelt. Ursprünglich bestand der EU-Binnenmarkt aus den zwölf damaligen Mitgliedsstaaten Belgien, Dänemark, Deutschland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und dem Vereinigten Königreich. Als Österreich dann am 1. Jänner 1995 gemeinsam mit Schweden und Finnland der EU beitrat, umfasste diese bereits 15 Mitgliedsstaaten.
Es folgten Erweiterungen um die mittel- und osteuropäischen Staaten sowie Malta und Zypern (2004), Bulgarien und Rumänien (2007) sowie Kroatien (2013). Damit wurde ein Markt geschaffen, der an seinem bisherigen Höhepunkt 28 Mitgliedsstaaten und rund 513 Millionen Einwohner umfasste.
Ein bis dahin undenkbarer Rückschlag war der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs mit Anfang 2020, das jedoch bis Ende 2020 ein Teil des EU-Binnenmarkts blieb. Nordirland ist durch ein eigenes, insbesondere von UK umstrittenes Protokoll bis heute de facto Teil des Binnenmarkts.
Ebenfalls mit von der Partie sind die Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein, die mit der EU den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bilden. Durch bilaterale Verträge mit der EU hat zudem die Schweiz Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Heute umfasst dieser Markt etwa 450 Millionen Einwohner und ist neben China und den Vereinigten Staaten einer der drei größten globalen Akteure im internationalen Handel.
„Der Binnenmarkt ist viel mehr als nur ein Rechtsrahmen – und auch mehr als nur ein Markt. Er ist ein echter Trumpf, den es zu bewahren, zu verbessern und immer wieder neu zu erfinden gilt. Erstens, indem wir sicherstellen, dass die gemeinsam vereinbarten Regeln auch gemeinsam angewandt werden. Zweitens, indem KMU in den Mittelpunkt der Wettbewerbsfähigkeit Europas gerückt werden. Drittens, indem sichergestellt wird, dass Menschen und Unternehmen zu dem Zeitpunkt, zu dem sie Waren und Dienstleistungen benötigen, auch Zugang zu diesen haben. Die Europäische Union konnte durch den Binnenmarkt – mit dem Gewicht eines gesamten Kontinents – auf der Weltbühne eine führende Rolle einnehmen. Angesichts des 30-jährigen Bestehens des Binnenmarkts kann ich voller Zuversicht und mit Bestimmtheit sagen, dass wir die Herausforderungen, die vor uns liegen, bewältigen werden“, bilanzierte etwa im Jänner der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Thierry Breton.
„EU ist für uns Heimat und Heimmarkt“
„Österreich konnte die Vorteile des EU-Binnenmarkts besonders gut nutzen“, resümierte Mariana Kühnel, stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin, Anfang des Jahres anlässlich dieses Jubiläums. „Die EU ist für uns Heimat und Heimmarkt. Rund 70 Prozent des österreichischen Außenhandels finden innerhalb der EU statt.
Die Exporte in die 26 anderen EU-Mitgliedsstaaten haben sich seit dem Beitritt Österreichs von 33 auf 112 Milliarden Euro im Jahr 2021 mehr als verdreifacht“, so Kühnel. Und auch wenn Österreich EU-Nettozahler ist, übertreffen die Vorteile des Binnenmarkts bei Weitem die Kosten. „Und in einer globalisierten Welt könnten sich die Länder in Europa nur gemeinsam behaupten“, hob Kühnel die Vorteile der EU-Mitgliedschaft hervor.
Der EU-Binnenmarkt zeichnet sich im Wesentlichen durch die vier sogenannten Grundfreiheiten aus: freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sowie die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Die jüngsten Krisen, wie die Covid-19-Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine, hätten aber auch gezeigt, dass Weiterentwicklungen nötig sind, um den EU-Binnenmarkt für die Zukunft zu sichern.
Es gehe nun darum, bestehende Regeln zu stärken, Defizite zu beseitigen und den Anwendungsbereich auf die Erweiterungskandidaten auszuweiten. „Die EU-Kommission sollte daher den Fokus auf die einheitliche Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung bestehender Rechtsvorschriften und die Straffung des Vertragsverletzungverfahrens legen“, so Kühnel.
Eine Lange Liste von Vorteilen
Die Liste der Punkte, in denen Österreich vom EU-Binnenmarkt profitiert, ist lang. Das fängt bei der von Mariana Kühnel erwähnten Steigerung der Exporte an. Betrachtet man die Exportquote – also Waren- und Dienstleistungsexporte gemessen am BIP –, stieg deren Wert von 33,6 Prozent (1995) auf 55,9 Prozent (2021) und liegt damit über dem EU-Durchschnitt. Das ist der Verdienst der heute rund 63.100 österreichischen Exportbetriebe. Fast jeder zweite Job ist in Österreich direkt oder indirekt durch den Export gesichert.
Durch den Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU kam es außerdem zu einer deutlichen Kostenersparnis für Exporteure. Die Kosten der Bürokratie an der Grenze machten laut Berechnungen der Europäischen Kommission vor Vollendung des Binnenmarkts zwei bis fünf Prozent des Warenwerts aus. Aufgrund des Wegfalls der Binnengrenzen in der EU ersparen sich die heimischen Unternehmen im EU-Export jährlich rund 2,2 bis 5,5 Milliarden Euro.
Österreich ist durch den EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten in das geografische und wirtschaftliche Zentrum der EU gerückt. Allein die Exporte in die fünf neuen Mitgliedsstaaten Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien haben sich seit dem österreichischen EU-Beitritt verfünffacht: Sie stiegen von vier Milliarden Euro im Jahr 1995 auf 25,5 Milliarden Euro 2021. In Summe verzeichnet Österreich mit den neuen EU-Mitgliedsstaaten einen permanenten Handelsbilanzüberschuss.
Geld kommt auch auf anderen Wegen ins Land: Ausländische Unternehmen investierten in Österreich seit dem EU-Beitritt durchschnittlich (bis 2021) rund sieben Milliarden Euro pro Jahr. In den drei Jahren vor dem Beitritt waren es circa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Die Investitionen ausländischer Unternehmen in Österreich sind damit im Schnitt auf das Fünffache gestiegen. Der Bestand an Direktinvestitionen in Österreich hat sich von 16 Milliarden im Jahr 1995 auf rund 188 Milliarden Euro 2021 erhöht.
Neben den ausländischen Investitionen in Österreich stiegen auch die österreichischen Investitionen im Ausland seit dem EU-Beitritt stark an – auf rund 229 Milliarden Euro 2021. Die österreichische Investitionstätigkeit ist auch im internationalen Vergleich außerordentlich stark auf Mittel- und Osteuropa konzentriert. Österreich kann damit von den Regional- und Strukturförderungen indirekt profitieren, die die neuen Mitgliedsstaaten bzw. EU-Beitrittskandidatenländer aus Brüssel erhalten.
Vorteile des gemeinsamen Markts werden geschätzt
Davon hat jede:r Einzelne etwas. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2019 zufolge steigert der Binnenmarkt die Einkommen der EU-Bürger jährlich im Durchschnitt um rund 840 Euro pro Person. Österreich zählt mit einem Zuwachs von 1.583 Euro zu den Top-Profiteuren.
Nicht zu vergessen, dass sich die Verbraucher innerhalb der EU die Zollgebühren sparen, grenzübergreifenden Verbraucherschutz genießen, auf ein größeres Warenangebot zugreifen können sowie in der ganzen EU leben, arbeiten und studieren können. Hin und wieder wird aber trotzdem Kritik an dem einen oder anderen Detail laut.
„Verlieben kann man sich in einen gemeinsamen Markt nicht – wie es der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors treffend formulierte –, dennoch ist dieser enorm wichtig“, so Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), und weiter: „Der Mehrwert des Binnenmarkts, dessen Grundlage der freie Verkehr von Personen, Kapital, Waren und Dienstleistungen für rund 450 Millionen Europäerinnen und Europäer ist, wird auch hierzulande sehr geschätzt.“ Damit bezieht er sich auf eine Umfrage der ÖGfE, die in der Zeit von 5. bis 7. Dezember 2022 online unter 1.000 Befragten österreichweit durchgeführt wurde.
Sieben von zehn Befragten halten in dieser Umfrage die Personenfreizügigkeit, die es Bürger:innen der EU ermöglicht, in einem anderen Mitgliedsstaat zu wohnen und zu arbeiten, für „sehr wichtig“ (34 %) bzw. „eher wichtig“ (36 %). Ein knappes Viertel sagt hingegen, dass diese „eher nicht wichtig“ (14 %) oder „gar nicht wichtig“ (9 %) sei. Sieben Prozent geben keine Stellungnahme ab.
In ebenso hohem Ausmaß – konkret von 69 Prozent – wird von den Befragten in Österreich der freie Warenverkehr als Errungenschaft betrachtet: 37 Prozent bezeichnen die freie Zirkulation von Waren im Binnenmarkt als „sehr wichtig“, 32 Prozent als „eher wichtig“. Etwa ein Viertel stimmt dem nicht zu und schätzt dies als „eher nicht wichtig“ (16 %) bzw. „gar nicht wichtig“ (8 %) ein. Ebenfalls acht Prozent können diese Frage nicht beurteilen.
Rund zwei Drittel sehen im freien Dienstleistungsverkehr eine „sehr wichtige“ (31 %) bzw. „eher wichtige“ (36 %) Möglichkeit, die sich EU-Bürger:innen durch den Binnenmarkt bietet. Wiederum knapp ein Viertel zeigt sich skeptischer und beurteilt das freie Angebot von Dienstleistungen im Binnenmarkt als „eher nicht wichtig“ (16 %) bzw. „gar nicht wichtig“ (8 %). Acht Prozent machen hierzu keine Angabe.
Knapp sechs von zehn Befragten erachten den freien Kapitalverkehr als „sehr wichtig“ (24 %) bzw. „eher wichtig“ (34 %). Drei von zehn nehmen eine Gegenposition ein („eher nicht wichtig“: 22 % ; „gar nicht wichtig“: 9 %). Ein Zehntel äußert sich nicht dazu.
Schmidt: „Für eine kleine und exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich ist die Teilnahme am EU-Binnenmarkt essenziell. Der Wegfall von Grenzkontrollen, Zöllen oder Kontingentierungen ermöglicht den größten einheitlichen Markt der Welt, der auch die globale Rolle Europas stärkt. Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von größerer Produktauswahl und günstigeren Preisen, die freie Wahl von Wohnsitz und Arbeitsort fördert die innereuropäische Mobilität und bringt neue Möglichkeiten und Chancen – vor allem auch für die junge Generation.“
Nach Ansicht der Menschen in Österreich hat sich der europäische Binnenmarkt bisher vor allem für heimische Großunternehmen bezahlt gemacht. Insgesamt 77 Prozent sehen für diese „große“ (58 %) bzw. „geringe Vorteile“ (19 %) durch die Teilnahme unseres Landes am Binnenmarkt. Etwa ein Zehntel meint, dass große Unternehmen dadurch „geringe Nachteile“ (8 %) oder „große Nachteile“ (3 %) erfahren hätten. Elf Prozent können zu dieser Frage nicht Stellung beziehen. Das aktuelle Meinungsbild unterscheidet sich hiermit kaum von jenem, das die ÖGfE im Herbst 2012 zum zwanzigjährigen Bestehen des Binnenmarkts erhoben hat.
Fast drei Viertel der Befragten sagen auch, dass Konsument:innen in Österreich vom EU-Binnenmarkt profitiert haben („große Vorteile“: 34 %; „geringe Vorteile“: 39 %). 17 Prozent sind hingegen der Ansicht, dass sich durch den europäischen Binnenmarkt „geringe“ (11 %) oder „große Nachteile“ (6 %) für die Konsument:innen ergeben haben. Die Bilanz fällt damit deutlich positiver aus, als dies noch vor zehn Jahren der Fall war: So ist die Zahl jener, die Vorteile erkennen, um 14 Prozent gestiegen. Die Zahl jener, die die Nachteile überwiegen sehen, ist um 15 Prozentpunkte gesunken.
Knapp sechs von zehn Befragten erkennen für heimische Arbeitskräfte „große“ (24 %) bzw. „geringe Vorteile“ (35 %) durch die Teilnahme unseres Landes am EU-Binnenmarkt. Drei von zehn können dem nicht zustimmen und sehen dies mit „geringen“ (18 %) bzw. „großen Nachteilen“ (13 %) für Arbeitskräfte in Österreich verbunden. Ein Zehntel macht dazu keine Angabe.
Im Zehnjahresvergleich wird deutlich positiver bilanziert: Die Zahl jener, die Vorteile sieht, ist um zwölf Prozentpunkte gestiegen, die Zahl jener, die Nachteile erkennt, ist um neun Prozentpunkte zurückgegangen.
Insgesamt 57 Prozent sind der Ansicht, dass heimische Klein- und Mittelbetriebe durch den EU-Binnenmarkt profitiert hätten – 19 Prozent sehen für sie „große Vorteile“, 38 Prozent „geringe“. 31 Prozent stimmen dem nicht zu und sagen, dass österreichische KMU durch die Teilnahme am Binnenmarkt „geringe“ (17 %) bzw. „große Nachteile“ (14 %) hätten. Zwölf Prozent äußern sich nicht dazu. Im Vergleich zum Jahr 2012 ist die Zahl jener, die Vorteile für heimische KMU erkennen, um neun Prozentpunkte gestiegen, die Zahl jener, die die Binnenmarktteilnahme als nachteilig empfinden, ist um elf Prozentpunkte gesunken.
„Gerade in unsicheren Zeiten ist der gemeinsame Wirtschaftsraum ein Beleg dafür, was die EU zu leisten vermag, wenn sich die Mitgliedsstaaten einig zeigen. Ein stabiles Fundament, dessen Mehrwert im Alltag greifbar ist und das weiter ausgebaut und vervollständigt werden sollte. Neben der strategischen Unabhängigkeit und grünen Transformation in Europa beinhaltet dies insbesondere auch steuerliche Fairness, eine Stärkung der Sozialsysteme und die Intensivierung des sozialen Dialogs“, so Schmidt.
Europa muss sich besser wappnen
Das klingt doch alles schon sehr gut. Aber natürlich gibt es auch noch Raum für Verbesserungen. Und genau die standen im Frühjahr im Mittelpunkt einer gemeinsamen Veranstaltung der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft sowie der Vertretung der Europäischen Kommission in Wien.
Der Event trug den ein bisschen provokanten Titel „30 Jahre EU-Binnenmarkt: Unfinished Business?“ und bot den anwesenden Vertreter:innen der österreichischen Wirtschaft sowie den hochrangigen Entscheidungsträger:innen aus Brüssel und Wien einen passenden Rahmen, um ausgiebig darüber zu diskutieren, ob der Binnenmarkt hält, was er verspricht, und wie er für die Zukunft weiterentwickelt werden muss.
„Der EU-Binnenmarkt mit dem freien Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr sowie der Personenfreizügigkeit ist der größte Erfolg der europäischen Integration. Dass der Binnenmarkt heuer 30 Jahre alt ist, gibt Anlass zum Feiern. Jetzt ist aber auch der Moment gekommen, um nachzuschärfen, damit wir die vielen noch ungenützten Potenziale im gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum heben können, denn klar ist: Europa muss sich gegen die immer stärker werdende Konkurrenz in der globalen Wirtschaft besser wappnen“, betonte die Wirtschaftskammer-Vizepräsidentin Martha Schultz aus diesem Anlass.
„Österreich zählt zu jenen Ländern in der Europäischen Union, die die Vorteile des EU-Binnenmarkts besonders gut für sich nutzen können – durch mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze und zusätzliche Chancen unserer Betriebe in einem Markt mit rund 450 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten“, sagte Schultz, die darauf verwies, dass sieben von zehn Euro im österreichischen Außenhandel mit der EU abgewickelt werden.
Vorzeigemodell für Wohlstand und sichere Jobs
„Seit 30 Jahren ist der EU-Binnenmarkt das Vorzeigemodell für Marktintegration, Wohlstand und sichere Arbeitsplätze. Österreich profitiert besonders vom internationalen Handel. Dadurch ist die österreichische Wirtschaftsleistung in den vergangenen Jahren stark gewachsen.
Auch das Thema sichere Arbeitsplätze ist eng mit dem Binnenmarkt verbunden. Bereits 1,2 Millionen Jobs in Österreich werden direkt oder indirekt durch den Export gesichert“, stellte Wirtschaftsminister Martin Kocher fest. „Doch angesichts der Herausforderungen, die hinter uns und noch vor uns liegen, muss es in unserem gemeinsamen Interesse stehen, den Binnenmarkt weiter zu stärken und resilienter zu gestalten, damit Österreich und Europa auch in den kommenden 30 Jahren wettbewerbsfähig bleiben.“
Hubert Gambs, stellvertretender Generaldirektor für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der EU-Kommission, betonte: „Der Binnenmarkt macht die Vorteile der Europäischen Union seit 30 Jahren greifbar. Die jährlichen Exporte innerhalb der EU haben sich zwischen 1993 und 2022 von 671 Milliarden Euro auf mehr als 3.400 Milliarden Euro verfünffacht. 17 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger leben oder arbeiten in einem anderen EU-Land. Der Binnenmarkt macht Europa stark und leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, die EU als globale Wirtschaftsmacht zu positionieren.“
Zudem spiele der gemeinsame Markt eine wichtige Rolle, um Forschung und Innovation zugunsten des Klimaschutzes und der Digitalisierung voranzutreiben und gemeinsame Herausforderungen zu meistern – etwa die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. „Aber natürlich dürfen wir uns nicht auf den bisherigen Errungenschaften ausruhen. Wir müssen den Binnenmarkt kontinuierlich weiterentwickeln, die bestehenden Rechtsvorschriften einheitlich durchsetzen, Bürokratie abbauen und alles tun, um Hürden, die Unternehmen mancherorts noch vorfinden, zu beseitigen“, so Gambs.
Unfinished Business
Was es an „Unfinished Business“ zu erledigen gibt, thematisierte auch die stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin Mariana Kühnel: „Die WKÖ hat ein zehn Punkte umfassendes Forderungsprogramm erstellt, damit aus dem unfertigen ein fertiger und voll funktionsfähiger Binnenmarkt wird. Besonders vordringlich ist, die Bürokratie abzubauen, sprich überbordende Belastungen für Unternehmen zu vermeiden. Die größten Potenziale – insbesondere auch für junge und wachsende Unternehmen – bestehen im Dienstleistungsbinnenmarkt, wo es derzeit in der Praxis noch viele Hürden gibt.“
Nichtsdestotrotz: Zum Abschluss kann man dem EU-Binnenmarkt eigentlich nur noch alles Gute zum runden 30. Geburtstag wünschen. Auch wenn wir vielleicht nicht immer in allem einer Meinung sind, sind wir trotzdem sehr froh, dass es dich gibt! (RNF)
INFO-BOX
WKÖ-Forderungen für einen funktionierenden Binnenmarkt:
• Bürokratie abbauen und überbordende Belastungen für Unternehmen vermeiden
• Einheitliche Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung bestehender Binnenmarktregeln gewährleisten
• Funktionalität, Resilienz und Versorgungssicherheit auch in Krisenzeiten sicherstellen
• Fokus auf den Dienstleistungsbinnenmarkt richten – hier sind die größten Potenziale erzielbar
• Wirtschaftliche Dimension der Rechtsstaatlichkeit im Binnenmarkt sicherstellen
• Ex-ante Competitiveness-Check durchführen, um globale Wettbewerbsfähigkeit beizubehalten
• Schengen-Zone ausdehnen, um die vollen Potenziale des Binnenmarkts heben zu können
• Anreize bieten statt neue Regelungen zu schaffen
• Binnenmarktregeln bei Beitrittskandidaten frühzeitig implementieren
• Euro-Zone auf alle Staaten des Binnenmarktes ausdehnen