Umfeld muss weiblicher werden

NEW BUSINESS Export - NB EXPORT 2/2022
Frauen sind Teamplayer, arbeiten in Forschung und Entwicklung, werden aber in den Patenten selten als Erfinderinnen genannt. Sie bleiben im Hintergrund. © ThisisEngineering RAEng/Unsplash

In Sachen Innovation, geistiges Eigentum und Patente steht Österreich eigentlich ausgezeichnet da. Wenn da nur nicht der geringe Anteil an Erfinderinnen wäre.

Das im September von der Europäischen Kommission veröffentlichte European Innovation Scoreboard (EIS) 2022 gab Anlass zur Freude: Denn Österreich hat sich in der Kategorie „geistiges Eigentum“ heuer auf den ersten Platz in der EU katapultiert. Kein anderes Land in der EU meldet, am BIP gemessen, so viele Patente, Marken und Designs an. In dieser Kategorie hat Österreich heuer die „Innovation-Leader“ Dänemark, Schweden und Finnland überholt. Die elf anderen Kategorien werden von verschiedenen anderen EU-Mitgliedstaaten angeführt, z. B. „Digitali­sie­rung“ von den Niederlanden. Im Gesamtranking hat Österreich Deutschland überholt, bleibt aber weiterhin auf Platz acht in der EU und ist somit in der Gruppe der „Strong Innovators“ vorn dabei.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler dazu: „Dass Österreich mit seinen Erfinderinnen und Erfindern auf Platz eins in der Kategorie ‚geistiges Eigentum‘ des European Innovation Scoreboard liegt, ist eine herausragende Leistung. Es zeigt den unermüdlichen Erfindergeist der Menschen in unserem Land. Und es zeigt, dass unsere Forschungsförderung funktioniert. Das Patentamt und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten in diesem Bereich mit ihrem Informations- und Dienstleistungsangebot unglaublich wichtige und professionelle Arbeit. Ich möchte mich bei allen Erfinderinnen und Erfindern sowie bei allen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeitern des Patentamts herzlichst ­bedanken.“

Wo sind die Erfinderinnen?
Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten? Denn was im European Innovation Scoreboard nicht verglichen wird, das ist die Geschlechterverteilung beim Patentieren. Doch dafür gibt es ja die aktuelle Studie „Women’s participation in inventive activity“ des Europäischen Patentamts, für die alle Länder analysiert wurden, die zum Europäischen Patentabkommen gehören. Das sind derzeit 38 Staaten, und zwar alle 28 EU-Mitgliedstaaten sowie zehn Nicht-EU-Staaten, wie die Schweiz, Norwegen, Island und die Türkei. Weitere Vergleiche mit den größten Patentländern der Welt – China, Japan, Korea und USA – wurden gezogen. Beobachtet wurden die Jahre 1990 bis 2019.

Hier weht keine rot-weiß-rote Fahne auf den Stockerlplätzen: Österreich liegt auf dem letzten Platz, hinter Deutschland und Liechtenstein. Der Frauenanteil ist über den gesamten Zeitraum unverändert niedrig. Die Präsidentin des Österreichischen Patentamts Mariana Karepova zeigt keine Verwunderung: „Österreich ist aus dem European Innovation Scoreboard als Nummer eins im Patentieren hervorgegangen. Alle patentieren hier, nur nicht die Frauen. Leider bin ich davon nicht überrascht: Auch aus unseren nationalen Patentanmeldungen beim Österreichischen Patentamt ist uns das bekannt, da liegt der Anteil sogar bei nur sechs Prozent.“

Interessanterweise heißt viel Patentieren nicht, dass auch der Frauenanteil bei Patenten hoch ist: Österreich (8 %), Deutschland (10 %) und die Niederlande (11,9 %), die zu den Top Ten der patentierenden Länder beim Europäischen Patentamt gehören, sind am Ende der Rangliste zu finden.

Deutlich besser schneiden andere stark patentierende Länder ab, etwa Frankreich mit einem Frauenanteil von 16,6 Prozent, Belgien (15,8 %) und Italien (14,3 %). In Korea beträgt der Frauenanteil bei Patentanmeldungen 28,3 Prozent, in China 26,8 und in den USA 15 Prozent. Mit 22,4 Prozent ist der höchste und am schnellsten wachsende Frauenanteil bei den untersuchten 38 Staaten im Bereich Chemie zu verzeichnen, v. a. Biotechnologie, Pharmazie, Nahrungsmittel- und organische Chemie. Österreich kommt hier auf einen Frauenanteil von 17,4 Prozent. 

In den in Österreich dominanten Technologiefeldern Maschinenbau und Elektrotechnik liegt der Anteil der Erfinderinnen mit 3,1 und 3,5 Prozent ebenso weit unter dem europäischen Durchschnitt. Mariana Karepova: „Wir konnten uns lange auf die für Frauen ungünstige Branchenstruktur ausreden. Die meisten Patente in Österreich kommen aus dem Bereich Maschinenbau und Co, also aus Branchen, wo wenige Frauen forschen und entwickeln. Jetzt wissen wir, dass Österreich in allen Branchen unterdurchschnittlich abschneidet. Auch in Chemie, wo Frauen traditionell stark vertreten sind.“

Generell gibt es in den Hauptstadtregionen höhere Frauenanteile. Die Erfinderinnenrate in Wien beträgt 14,8 Prozent. Es folgen: Tirol 8,8 Prozent, Steiermark 8,2, Burgenland 8,1, Oberösterreich 6,3, Niederösterreich 6,3, Kärnten 5,4, Vorarlberg 4,4 und Salzburg mit 3,6 Prozent. Keine der österreichischen Regionen findet man jedoch in den europäischen Top Ten. Unter den Top-Regionen sind: London, Kopenhagen und Lazio (Rom).

Frauen als „unsichtbare“ Teamplayer
Eine vom Österreichischen Patentamt in Auftrag gegebene Studie zu den nationalen Patentanmeldungen von Frauen hat bereits gezeigt, dass Frauen zwar häufig in Forschungsteams arbeiten, aber selten in einer zentralen Position und somit auch nicht in den Patenten vorkommen. Dieses Ergebnis hat nun die Studie des Europäischen Patentamts bestätigt. Der Befund ist in allen Ländern ähnlich.

Karepova: „Wir haben vor ein paar Jahren 15 patentstarke österreichische Firmen unter die Lupe genommen. Fazit: Weniger als die Hälfte dieser Unternehmen nennt in ihren Patenten Frauen als Erfinderinnen. Diese Firmen melden dutzende Patente pro Jahr an. Es ist aber nur eine Handvoll Frauen, die da mitspielen.“

Frauen an Universitäten patentieren, bei gleicher Publikationsleistung, um 40 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Selbst wenn die Forschungsergebnisse, die von Frauen publiziert werden, zu Patenten führen, werden Frauen in diesen Patenten selten als Erfinderinnen genannt. Die Namen männlicher Autoren hingegen findet man mit größerer Wahrscheinlichkeit auch im zugehörigen Patent. Der Grund: Frauen haben weniger Verbindungen zur Industrie als Männer und sind auf traditionellere akademische Karrieremodelle beschränkt.

„Wenn 50 Prozent der Studierenden Mädchen sind, aber nur 25 Prozent Technik studieren, wenn 40 Prozent der Forschenden an der Uni Frauen sind, aber nur 16 Prozent in den Firmen, wo die meisten österreichischen Patente herkommen, und am Ende nur neun Prozent der Patente von Frauen sind – dann besteht an jeder Stelle dieser Kette dringender Handlungsbedarf. Unis allein, Förderagenturen allein, das Patentamt allein können dieses System nicht in Bewegung bringen. Wir brauchen einen gemeinsamen Kraftakt“, sagt die Patentamtspräsidentin.

„Das ganze Umfeld, in dem Patente entstehen, muss weiblicher werden. Mehr Patentanwältinnen – derzeit gibt es in Österreich nur sieben Frauen von 79 gelisteten Pa­tent­anwält:innen –, mehr weibliche Patentverantwortliche in den Firmen und mehr Patentprüferinnen im Patentamt. Das ist wichtig, denn Frauen ziehen weitere Frauen an“, so Karepova abschließend. (RNF)


INFO-BOX
Über das Österreichische Patentamt
Das Österreichische Patentamt mit seinen 236 Expertinnen und Experten für Patente, Marken, Designs, künstliche Intelligenz, Software, Maschinenbau, Pharmazie, Elektrotechnik und jedes andere technische Gebiet bietet unter anderem kostenlose Beratungen, Dienstleistungen, Recherchen, Förderungen (wie den Patent-Scheck), eine eigene IP-Academy für IP-Profis und -Einsteiger:innen sowie die Prüfungen im Rahmen der Erteilung von Schutzrechten an. 

www.patentamt.at