Einer der größten Fehler, den man als Anbieter digitaler Lernformen machen kann, ist es, analoge Konzepte unverdaut ins Digitale übersetzen zu wollen. © Markus Winkler/Unsplash
Digitales Lernen hat einen immer größeren Stellenwert für Corporate Education und berufliche Weiterbildung – nicht erst seit der Pandemie. Gleichzeitig kämpfen E-Learning-Angebote ...
... oft mit fehlender Akzeptanz. Was braucht es also, um das Potenzial nutzen zu können?
Digitale Medien und Arbeitswelten ermöglichen es Wissensarbeitern, jederzeit, von jedem Ort und von jedem Gerät aus zu arbeiten. Die Pandemie und die daraus folgenden Lockdowns haben eindrucksvoll bewiesen, dass Homeoffice, Remote Working und Distance Collaboration nicht nur möglich sind, sondern auch, dass die Mehrzahl der Unternehmen und Mitarbeiter an diesen neuen Arbeitsmodellen festhalten will. Hinzu kommt, dass der Bedarf an lebenslangem Lernen für Fachexpertinnen und -experten fast aller Branchen auf der einen Seite und für Unternehmen im Kampf um die besten Köpfe auf der anderen Seite drastisch zunimmt. Lernen wir nicht laufend weiter, riskieren wir, im globalen Wettbewerb den Anschluss zu verlieren – als Einzelperson und auch als Unternehmen.
E-Learning, wie es sein sollte
Wir beginnen erst langsam, die Möglichkeiten der neuen Medienform „digitales Lernen“ zu verstehen und setzen die gewonnenen Erkenntnisse ausgesprochen zögerlich um. Dies ist aber zentral, um Lerninstrumente zu erlangen, die nachhaltiges, effektives, spannendes Lernen ermöglichen und analoges Lernen nicht nur einfach digital aufzeichnen und unverändert wiedergeben, wie es heutige Lernplattformen häufig tun. Denn: Lernen erfordert Höchstleistungen vom Einzelnen. Um Neues zu erlernen, gilt es, das Bekannte zu verlassen, sich Fremdem zu öffnen und es sich zu eigen zu machen. Daher ist es von zentraler Bedeutung, neues Wissen in digitaler Form möglichst naheliegend, relevant und adäquat aufzubereiten, sonst kann es kaum aufgenommen werden.
Mehrsprachig und persönlich relevant
Auch wenn die meisten Personen Englisch verstehen, in unserer Muttersprache lernen wir am besten. Daher ist die mehrsprachige Verfügbarkeit der Inhalte zentral, um effektiv zu lernen. Zudem sollten die Einführung in ein Thema und der Aufbau zum Jobprofil, der Branche und der Erwartung des Individuums passen. Denn gerade die Mischung standardisierter Inhalte mit unternehmensspezifischem Content macht Corporate Education besonders wirkungsvoll.
Adaptiv und praxisrelevant statt theoretisch
Jeder lernt anders. Um effizient zu lernen, sollte E-Learning daher auf individuelle Anforderungen eingehen und es erlauben, den Detailgrad wie den Ablauf entsprechend anzupassen, um sich so seine eigene Ausbildung zusammenzustellen. Auch merken wir uns nur, was für uns relevant ist. Ohne direkte Nutzbarkeit in der beruflichen Praxis (aus der Lernplattform heraus) bleibt das Erlernte theoretisch. Dann verblasst es mit dem nächsten Thema, dem wir uns widmen.
Inhalte klar, gehirngerecht und ansprechend serviert
Erst bei entsprechender Aufbereitung, Inszenierung und Gliederung lernen wir leicht und fokussiert: Wir sind im Flow. Der Lernerfolg hängt massiv von der Lernerfahrung, der Qualität der Werkzeuge und ihrer Bereitstellung ab. Nur wenn alle Inhalte und Werkzeuge in einer Plattform integriert verfügbar, klar strukturiert und ansprechend gestaltet sind, haben wir den geeigneten Rahmen, um uns ganz auf das Lernen konzentrieren zu können. Hier sind User-Experience, Usabilty und Ease of Use wichtiger denn je. Auch Microlearning ist dabei eines der zentralen Schlagworte, um laufendes und gehirngerechtes Lernen zu ermöglichen. Das Wissen soll in kleinen, abgekapselten Dosen bereitstehen, die unabhängig erworben, umgehend überprüft, geteilt und bei Bedarf mit persönlichen Notizen angereichert werden können. Nicht zuletzt vermittelt ein Bild mehr als tausend Worte, und gerade die multimedialen Möglichkeiten digitaler Medien gehen noch viel weiter: Videospots, interaktive Infografiken, Slidedecks, Quizformate, Audiostreams, multimediale Texte, Magazinformate oder eigene Mini-Apps – so macht Lernen Spaß, wird fesselnd, herausfordernd und spannend.
Aktives Erwerben statt passives Konsumieren
Frei nach Konfuzius gilt: Erzähle es mir, und ich werde vergessen, zeige es mir, und ich werde mich erinnern, lass es mich tun, und ich werde es verstehen und mir zu eigen machen. Selbst lineare Inhalte wie Texte und Videobeiträge lassen sich aktiv gestalten und damit besser aufnehmen. Können wir Geschwindigkeit, Abfolge und Detailgrad wählen, Inhalte durchsuchen, Kommentare hinzufügen und teilen, Wissen direkt überprüfen, Medienformen frei wählen und kombinieren, erlangen ehemals passive Medien ungeahntes Aktivierungspotenzial. Aus Berieselung ohne Lerneffekt werden aktive Lerninstrumente, die helfen, Wissen zu erwerben und zu verankern. Werden passive Medienformen mit interaktiven Elementen kombiniert und angereichert, kann der Lernende noch weiter aktiviert werden. Ob Coding-Samples, Infografiken oder spezialisierte Microlearning-Formate – gerade hier liegen die Stärken interaktiver Systeme. Ebenso in der spielerischen Vermittlung von Inhalten über Gamification als Gegenentwurf zu verbissenem Büffeln: Vielfältige Quizformate, direkte Verifikationsmodule zur Überprüfung des Gelernten oder Lernchallenges in der Gruppe – je mehr wir unser Wissen spielerisch anwenden und verifizieren, desto nachhaltiger der Lernerfolg.
Kollaboratives Lernen und Personal-Knowledge-Management
Eines der zentralen Qualitätsmerkmale des Unterrichts in der Klasse: das Lernen gemeinsam mit anderen. Homeoffice und Remote Working haben uns gezeigt, dass digitale Zusammenarbeit mit entsprechenden Tools funktioniert. Machen es Lernplattformen möglich, Wissen gemeinsam in Kleingruppen zu erwerben, zu teilen und zu überprüfen, wird kollaboratives Lernen im Team auch digital möglich. Das zweite didaktische Killerfeature aus der analogen Welt: physische Bücher mit eigenen Lesezeichen, farblichen Markierungen, Notizen, individuellen Eselsbrücken, Kommentaren und Fragen in persönliche Nachschlagewerke und Wissensspeicher verwandeln. Bereits ein Blick hilft, das Erlernte in Erinnerung zu rufen und die Essenz des Gelernten, individuell verdichtet, wieder persönlich abzurufen. Ist Vergleichbares auch digital möglich, wird aus der Lernplattform ein privates Knowledge-Management-Tool. Können die Inhalte zwischen Usern geteilt werden, ist die Grundlage für Corporate-Knowledge-Management gelegt.
Alle genannten Bereiche sind bekannt, erprobt und etabliert, werden jedoch viel zu selten durchgängig umgesetzt. Nun liegt es an den Anbietern und den Unternehmen, die Potenziale zu nutzen, um nachhaltiges Lernen zu ermöglichen. So könnten die radikalen Transformationsprozesse, die aktuell stattfinden, tatsächlich als Chance genutzt werden und eine neue Ära des digitalen Lernens einläuten. (DK)
DER AUTOR
Daniel Kalbeck ist Gründer und Geschäftsführer von Codeversity. Nähere Informationen finden Sie unter www.codeversity.com